Münchner Sicherheitskonferenz: Verschlüsselung, gefälschte Blutgruppen und Donald Trump als US-Präsident

Einen Schlagabtausch zu Verschlüsselung und Vertrauensverlust im Netz lieferten sich am Vorabend der Münchner Sicherheitskonferenz Vertreter der europäischen Zwerge Estland und Island und der Riesen USA und Google.

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Münchner Sicherheitskonferenz: Verschlüsselung, gefälschte Blutgruppen und Donald Trump als US-Präsident

Das Auditorium im Bayerischen Hof

(Bild: heise online / Monika Ermert)

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Inhaltsverzeichnis

Vor zunehmenden Regierungsinterventionen gegen die Absicherung der Netze warnte bei einer Veranstaltung zum Auftakt der Münchner Sicherheitskonferenz Gerhard Eschelbeck, Googles-Vizepräsident für Vertraulichkeit und Sicherheit. Wachsende Bedrohungen befördern laut Eschelbeck die Neigung des Staats, den Security-Experten Beschränkungen bei der Wahl ihrer Werkzeugen aufzuerlegen. Auf der Sicherheitskonferenz diskutieren diese Frage heute voraussichtlich auch die Geheimdienstchefs aus den USA, Großbritanniens und weiteren Ländern.

"Unsere Arbeit, die Systeme zu sichern, kommt zunehmend unter Druck", sagte Eschelbeck in der gestrigen Diskussionsrunde, zu der das US-Konsulat, die MSC und die Pirate Security Conference (PSC 2016) geladen hatten. Seiner Abteilung von über 500 Sicherheitsexperten müsse es aber möglich sein, auf Bedrohungen so zu reagieren, wie sie es für notwendig halten. Google lehne staatliche verordnete Hintertüren kategorisch ab.

Birgitta Jónsdóttir und Christopher Painter

(Bild: heise online / Monika Ermert)

Christopher Painter, Koordinator für Cyberfragen im US-Außenministerium, meinte, starke Verschlüsselung müsse sein. Aber es müsse zugleich doch eine Möglichkeit für die Strafverfolgungsbehörden geben, bei berechtigtem Interesse auf die Daten von Verdächtigen zuzugreifen. Wie das aussehen soll, das wolle die Regierung allerdings nicht in ein Gesetz gießen. Darüber spreche die Regierung mit der Branche.

Painter, der in seiner Zeit als Staatsanwalt unter anderem gegen den Hacker Kevin Mitnick ermittelt hat und kurzzeitig auch Vizechef der Cyber Division des FBI war, anerkannte die "Differenzen" in Sachen Vertraulichkeit zwischen den EU und den USA. Mit Verweis auf den just verhandelten "Privacy Shield" sagte er, einmal gemachte Zusagen in den Datenschutzfragen würden in den USA auch streng durchgesetzt.

Thomas Ilves

(Bild: heise online / Monika Ermert)

Toomas Hendrik Ilves, estnischer Präsident und seit den DDoS-Angriffen auf sein Land im Jahr 2007 Faktotum internationaler Cybersecurity-Runden, mokierte sich über die "Science-Fiction"-Szenarien der "1984-Beschwörer", die doch jederzeit bereit seien, auf ihre Privatsphäre gegenüber Google oder Facebook zu verzichten. Das zentrale Sicherheitsproblem im Netz ist laut Ilves nicht die E-Mail-mitlesende NSA – oder auch der deutsche Geheimdienst.

"Ja, ja, Snowden", meckerte Ilves. "Warten Sie bloß den nächsten wirklich großen Anschlag ab mit 10.000 Opfern." Dann würden all die Sorgen über die "großen bösen Regierungen" verschwinden und die Verantwortlichkeit des Staates beschwört. Schon die Anschläge in Paris hätten einen solchen kompletten öffentlichen Meinungsumschwung erzeugt, sagte Ilves. Ob seine E-Mail von jemandem gelesen werde, sei doch egal, erklärte er. Das seiner Meinung nach zentrale Problem sei vielmehr die Integrität der Daten. "Wenn jemand meine Blutgruppe herausfindet, okay. Wenn jemand die Daten verändert, dann ist das ein Problem."

Estland könne ja einfach Gesetze verabschieden, die Datensammeln durch die großen Unternehmen transparent machten, konterte Birgitta Jónsdóttir, Abgeordnete der Piratenpartei im isländischen Parlament. Sie bekräftigte Snowdens Forderungen nach allumfassender Verschlüsselung, aber auch lokalen und internationalen Gesetzesänderungen zur Ausbalancierung zwischen Staat und Bürger.

Die reale Bedrohung der westlichen Gesellschaften besteht für die isländische Politikerin derzeit im wachsenden politischen Populismus und Extremismus, der sich im Zulauf für rechte Parteien in Europa spiegele. Selbst ein US-Präsident Donald Trump werde offenbar möglich. Der zunehmende Vertrauensverlust in die demokratischen Institutionen erinnere, so Jónsdóttir an die Situation zwischen den Weltkriegen. (anw)