EU-Digitalkommissar Oettinger: “Wir sind beim Datenschutz hypersensibel”

Der für alles Digitale zuständige EU-Kommissar zeigt sich bei einer Veranstaltung in Berlin gut aufgelegt und teilt in alle Richtungen aus. Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry bekommt das besonders zu spüren.

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Oettinger: ?Wir sind beim Datenschutz hypersensibel?

Günther Oettinger zeigt sich im Gespräch mit Wolfram Weimer angriffslustig.

(Bild: heise online/vbr)

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EU-Digitalkommissar Günther Oettinger sieht Fortschritte beim europäischen digitalen Binnenmarkt, mahnt aber zugleich mehr Anstrengungen der Europäer für eine gemeinsame Linie an. “Man muss nicht alles europäisieren”, sagte Oettinger am Montagabend auf einer Veranstaltung von Microsoft in Berlin. “Aber eine digitale Strategie macht nur europäisch Sinn.” Für Aufregung sorgten darüber hinaus Äußerungen des EU-Kommissars über die AfD-Vorsitzende Frauke Petry.

Oettinger mahnte die Europäer, bei der Digitalisierung nicht den Amerikanern das Feld zu überlassen. Dafür müsse zum Beispiel beim Datenschutz eine einheitliche Regulierung geschaffen werden. “Sie haben in Europa 28 Datenschutzstandards”, sagte Oettinger. “Das ist crazy.” Die europäische Datenschutzgrundverordnung sei da schon ein Schritt in die richtige Richtung. Auch das neue Abkommen der Europäer mit den USA zur Datenübertragung, das sogenannte “EU-US Privacy Shield”, hält der Digitalkommissar für einen Fortschritt: “Die USA haben sich bewegt”.

Der Datenschutz müsste mit modernen Techniken in eine “Balance” gebracht werden. “Wer Daten nur schützen will, der ist bei Big Data außen vor”, warnte Oettinger. Mit Folgen etwa für die europäische Pharmabranche: Erst wandere die datenintensive Forschung ab, dann auch die Produktion. “Wir sind beim Datenschutz hypersensibel”, sagte der EU-Kommissar mit Blick auf die ältere Generation in Deutschland und brachte die Hoffnung zum Ausdruck, dass die nachkommenden Generationen da etwas entspannter seien.

Auch den Widerstand gegen das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP kritisierte Oettinger. “Gerade wir als Exportnation Nummer Eins brauchen TTIP”, sagte der EU-Kommissar. “Und dann reden wir hier über Chlorhühnchen und so einen Schwachsinn.”

Auf dem Weg in die Gigabit-Gesellschaft müsse darüber hinaus die digitale Infrastruktur in Europa verstärkt ausgebaut und gefördert werden, sagte Oettinger. Das liege Bundeskanzlerin Angela Merkel sehr am Herzen. “Die Kanzlerin ist bei dem Thema hellwach.” Es stelle sich vor allem die Frage, wie die europäische Wirtschaft im Zeitalter der Digitalisierung gestärkt werden können. Große Hoffnungen ruhen dabei auf der nächsten Mobilfunkgeneration 5G, bei der die Europäer technologisch wieder vorne mitspielen wollen.

Auch bei Bildung und Forschung müssten die Europäer mehr zusammenarbeiten, um den Vorsprung der Amerikaner aufzuholen, forderte Oettinger. “Die Frage ist offen, wer in 15 Jahren die Mobilität organisiert, ob das Google und Apple sind oder Mercedes und BMW.” Ein Grund für die amerikanische Überlegenheit sei unter anderem in den erfolgreichen Elite-Universitäten Stanford und Berkeley zu suchen. Die Europäer müssten Forschungs-Cluster stärken, wie sie derzeit schon in einigen europäischen Städten wie Berlin und London entstehen.

Großes Aufsehen erregte Oettinger mit ein paar flapsigen Bemerkungen zum politischen Tagesgeschäft. Von Moderator Wolfram Weimer auf die Situation in Oettingers Heimat Baden-Württemberg und den anderen Bundesländern vor der anstehenden Landtagswahl angesprochen, äußerte Oettinger sich über die AfD als neue rechtskonservative Kraft (“die kommen in alle Landtage”) und das Parteipersonal nach dem Austritt von Gründer Bernd Lucke und Politikveteran Hans-Olaf Henkel. Zur AfD-Vorsitzenden Frauke Petry sagte Oettinger: “Die komische Frau Petry, wenn ich mit der verheiratet wäre, würde ich mich heute Nacht noch erschießen.”

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Am Dienstagmorgen versuchte der EU-Kommissar das auf Twitter zu relativieren: “Es ging nicht um Petry als Person sondern um [die] AfD nach Austritt Hans-Olaf Henkels”. Und etwas später: “Es ging vor allem um Aussage von Frauke Petry, Schusswaffen [bei der] Grenzkontrolle [gegen] Fluechtlinge einzusetzen. Aussage ist Schande.” (vbr)