Tauschrausch im Internet

Nach den Auktionsseiten boomen jetzt die Tauschbörsen im Internet.

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Von
  • Thomas Nagorny
  • gms

Nicht immer sind alle Angebote ernst gemeint: "Da wollte einer sein altes Schrottauto gegen eine Flasche Cola tauschen", erzählt Olaf Cichocki. Der Geschäftsführer der Firma Nextmedia aus Hamburg schmunzelt nicht selten über die Kreativität oder sogar Verrücktheit der Kunden, die auf seiner Site www.tauschrausch.de Geschäfte machen wollen. Egal ob witzig oder ernsthaft, es scheint, dass sich nach dem Boom der Online-Auktionen ein neuer Trend im Internet durchsetzt: Tauschbörsen.

Diesen Trend kann Cichocki mit Zahlen belegen. "Als wir vor drei Jahren starteten, war die Zahl der Seitenaufrufe kaum messbar – die Welt war eben noch nicht bereit", sagt der Internet-Unternehmer. Im November 2000 verzeichnete die Site schon 65.000 Klicks, und im Dezember sogar 175.000 Aufrufe. Der Grund: das Weihnachtsgeschäft – oder besser: das Nach-Weihnachtsgeschäft. "Alle Welt wollte umtauschen. Da schenkt Oma dem Junior ein Handy, ohne zu wissen, dass er schon zwei Mobiltelefone besitzt", erzählt Cichocki.

Die gesteigerte Lust auf einen Tauschrausch kann auch Sven Kalleder, Unternehmenssprecher der D&P Media in Zweibrücken, bestätigen. Die Tauschseite www.myswap.de ist erst seit einem halben Jahr am Markt, und an "guten Tagen durchstöbern bis zu 10.000 Surfer die 300 Tauschrubriken – die Zahl der angemeldeten User wächst kontinuierlich", versichert Kalleder. Dass Geschäfte mit dem Tauschgedanken zu machen sind, verriet – wie so oft – ein Blick nach Amerika. "Wir haben festgestellt, dass es auf dem deutschen Markt noch wenig vergleichbare Angebote gibt", sagt Kalleder.

Lavalampe gegen Sonnenschirm, Waschmaschine gegen Geschirrspüler – so manche Tauschgeschäfte sind schon auf Olaf Cichockis Site abgewickelt worden. Doch wie erklärt sich der Unternehmer den Ansturm auf die Tauschbörsen? "Wahrscheinlich wird der natürliche Sammelgedanke des Menschen geschürt", vermutet Cichocki. Oder: "Die Leute wollen einfach mal wieder ihren Keller entrümpeln."

Auch bei myswap war der Grundgedanke zur Tauschbörse, dass in vielen privaten Haushalten die Dachböden und Keller mit Raritäten und ausgesonderten Elektrogeräten vollgestellt sind. Nach Weihnachten waren bei den Internet-Tauschbörsen Computer-Hardware und Handys die Renner. Über das Jahr lassen sich auch Konzertkarten gut tauschen, haben die Unternehmen festgestellt. Aus diesem Grund soll diese Rubrik bei tauschrausch.de ausgegliedert werden.

Im Netz findet der User auch häufig Special-Interest-Börsen. Die Site www.playercard.de hat sich beispielsweise auf Sammelkarten aller Art spezialisiert. Auf www.internetfocus.de/studienplatztausch treffen sich umzugswillige Studenten, und bei www.hwpsammler.de werden historische Wertpapiere getauscht.

Was die Betreiber als Vorteil gegenĂĽber den so erfolgreichen Online-Auktionen sehen, ist die Tatsache, dass kein Geld oder keine Kreditkarten im Spiel sind. Selbst die Tausch-Websites, die lediglich als Vermittler fungieren, bekommen keine TransaktionsgebĂĽhr vom Kunden, sondern finanzieren sich allein durch Bannerwerbung.

Vertrauen ist allerdings auch bei dieser Art von Handel wichtig. Denn es kann schon passieren, dass Person A die Kuckucks-Uhr aus dem Schwarzwald an Person B wie vereinbart schickt, aber Person B das dafür angebotene Handy einfach behält. Damit solche ungleichen Deals immer seltener werden, hat myswap.de eine Community eingerichtet. Dort können sich Tauschpartner selbst vorstellen und andere Tauschwillige bewerten. Diese Funktion ist eine Art Selbstkontrolle. "Haben mehrere Tauschwillige schlechte Erfahrungen mit einem Anbieter gemacht, können sie das so den anderen Usern mitteilen." Auch tauschrausch.de arbeitet an einem ähnlichen Bewertungssystem.

Doch auch ohne Bewertungssystem werden nicht alle Offerten auf den Seiten veröffentlicht. Die Redaktionen der Tauschbörsen passen auf: "Rechtsradikale und pornografische Inhalte fliegen sofort raus", macht Cichocki klar. "Kürzlich wollte einer sein altes Sofa gegen ein Schäferstündchen mit einer Frau tauschen", erzählt der Unternehmer. Auch dieses "Scherzangebot" überschritt die Grenzen des guten Geschmacks und wurde von der Seite gestrichen. (Thomas Nagorny, gms) / (wst)