Großbritannien: Nicht wesentlich überarbeitetes Überwachungsgesetz vorgelegt

Obwohl aus dem Parlament massive Kritik an dem Entwurf eines neuen Überwachungsgesetzes für Großbritannien gekommen war, hält die Regierung daran fest. Nun würde dem Parlament eine leicht überarbeitete Fassung vorgelegt. Die Zeit drängt.

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Großbritannien: Nicht wesentlich überarbeitetes Überwachungsgesetz vorgelegt

(Bild: J D Mack, CC BY 2.0)

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Trotz heftiger parlamentarischer Kritik an ihrem ersten Entwurf für ein neues Überwachungsgesetz hat Großbritanniens Innenministerin Theresa May nun eine wenig überarbeitete Neuauflage des Investigatory Powers Bill vorgelegt. Wie der Guardian berichtet, wurde unter den wichtigeren Punkten lediglich die geplanten Maßnahmen zur Umgehung von Verschlüsselung abgeschwächt. Weiterhin ist vorgesehen, dass Internetanbieter für jeden Kunden alle besuchten Webseiten 12 Monate speichern müssen. Einige Kompetenzen der Sicherheitsbehörden seien im Vergleich zum ersten Entwurf sogar noch ausgeweitet worden.

Die Liste der Verbrechen, zu deren Aufklärung die Polizei Computer aus der Ferne hacken darf, ist dem Bericht zufolge länger geworden. Sei das bisher nur für schwere Verbrechen geplant gewesen, dürfe das nun auch bei Routinearbeit, wie der Suche nach Vermissten oder dem Risiko eines Selbstmords geschehen, heißt es beim Telegraph. Den Abgeordneten sei außerdem mitgeteilt worden, dass die Geheimdienste entgegen der Forderung aus den Ausschüssen auch zur Unterstützung wirtschaftlicher Interessen Großbritanniens spionieren dürfen. Auch müsse der GCHQ für seine Arbeit massenhaft Computer hacken dürfen.

Verbessert worden sei der Schutz von Journalisten und Anwälten, schreibt der Guardian. Es gebe nun es klarere Anweisungen, wie die Überwachungsbefugnisse genutzt werden dürfen. Die mit dem stärksten Eingriff in den Datenschutz oder die Privatsphäre der Überwachten sollen außerdem durch einen Minister und einen Justizbeauftragten genehmigt werden. Bezüglich Verschlüsselung fordere die neue Vorlage lediglich dann von Unternehmen die Entschlüsselung von Daten in ihren Produkten, wenn das technisch durchführbar sei. Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bliebe damit erlaubt.

May hatte den ersten Entwurf des neuen Überwachungsgesetzes Anfang November vorgelegt. Es soll dem Data Retention and Investigatory Powers Act (DRIPA) folgen, das durchs Parlament getrieben wurde, nachdem der Europäische Gerichtshof die Vorratsdatenspeicherung untersagt hatte. Das Gesetz läuft Ende März aus, weil es vom High Court gekippt worden war. David Camerons Regierung will mit dem neuen Gesetz nicht nur dafür sorgen, dass hier keine Lücke entsteht, sondern auch Überwachungsregelungen in einem Gesetzestext sammeln. Der Entwurf war aber von den drei damit befassten Parlamentsausschüssen zerpflückt worden. Auch Abgeordneten der regierenden Conservative Party kritisierten den Zeitplan. Der Telegraph schrieb bereits von einer möglichen Revolte.

Kritik übten nach der Veröffentlichung des neuen Entwurfs – den May offenbar im Trubel um die Abstimmung über einen EU-Austritt Großbritanniens durchs Parlament bringen will – erwartungsgemäß auch von Bürgerrechtlern. Die Initiative "Don't Spy on Us" hat ihre bereits gesammelt. Die Open Rights Group wiederum fordert ausreichend Zeit für das Parlament, um die fundamentalen Gefahren für die Sicherheit und Datenschutz abzuwägen, die das Investigatory Powers Bill bedeute. Wenn es so beschlossen würde, bekäme Großbritannien eines der drakonischsten Überwachungsgesetze aller demokratischen Staaten. (mho)