Googles Intelligenz-Designer

Eine Software von Google spielt besser Go als der beste menschliche Spieler. Der Mann hinter diesem Erfolg heißt Demis Hassabis. Was treibt ihn an?

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Von
  • Tom Simonite

Eine Software von Google spielt besser Go als der beste menschliche Spieler. Der Mann hinter diesem Erfolg heißt Demis Hassabis. Was treibt ihn an?

Im Alter von vier Jahren begann Demis Hassabis mit dem Schachspielen. Mit acht Jahren brachte ihn das Schachspielen auf zwei Fragen, die ihn seitdem nicht mehr losgelassen haben: Wie lernt das Gehirn, komplexe Aufgaben in den Griff zu bekommen? Und könnten Computer das auch irgendwann schaffen? Mittlerweile ist Hassabis 38 Jahre alt und grübelt in den Diensten von Google: Im vergangenen Jahr hat er sein wenig bekanntes Start-up DeepMind mit Sitz in London an den Suchmaschinenriesen verkauft – nach Medienberichten für 400 Millionen Pfund (ungefähr 550 Millionen Euro). Das Ziel von DeepMind ist Software für künstliche Intelligenz (KI), die sich mittels Lernen selbstständig auf Probleme fast jeder Art einstellen kann.

Google kaufte die Firma, nachdem deren Entwickler eine Software vorgeführt hatten, die in der Lage ist, sich das Spielen klassischer Videospiele selbst beizubringen – und dabei besser zu werden, als es den meisten Menschen gelingt. Bei der TED-Konferenz 2014 in Vancouver bezeichnete Google-CEO Larry Page Hassabis Technologie als "mit das Aufregendste, was ich je gesehen habe". Hassabis selbst glaubt: "KI hat enormes Potenzial, wunderbar für die Menschheit zu sein. Sie wird den Fortschritt bei der Befreiung von Krankheiten und auch bei all den anderen Dingen, bei denen wir nur relativ langsam vorankommen, sehr beschleunigen."

Hassabis Wunsch, Intelligenz zu verstehen und nachzubilden, hat ihn in drei unterschiedliche Karrieren geführt: erst Spiele-Entwickler, dann Neurowissenschaftler und jetzt Unternehmer. Seinen Abschluss an der Highschool zog er um zwei Jahre vor, anschließend bekam er einen Job bei dem berühmten britischen Spiele-Entwickler Peter Molyneux. Schon im Alter von 17 Jahren leitete Hassabis die Entwicklung des klassischen Simulationsspiels "Theme Park", das 1994 herauskam. Als Nächstes machte er einen Abschluss in Informatik an der University of Cambridge und gründete 1998 seine eigene Spielefirma.

2005 beschloss Hassabis, sich wieder seiner eigentlichen Berufung zu widmen und begann eine Doktorarbeit in Neurowissenschaften am University College London. Er wollte menschliche Gehirne untersuchen und Hinweise finden, die bei künstlicher Intelligenz helfen könnten. Dabei entschied er sich für den Hippocampus, den Teil des Hirns, der für das Gedächtnis und die räumliche Navigation zuständig und noch relativ wenig erforscht ist. "Ich suchte mir Regionen und Funktionen des Gehirns aus, für die es noch keine guten Algorithmen gab", erzählt Hassabis.

Eine seiner Untersuchungen kürte die Fachzeitschrift "Science" zum "Durchbruch des Jahres": Hassabis hatte gezeigt, dass fünf Patienten, die unter Amnesie aufgrund einer Verletzung des Hippocampus litten, Schwierigkeiten damit hatten, sich künftige Ereignisse vorzustellen. Damit war klar: Der Teil des Gehirns, der bis dahin nur mit der Vergangenheit in Verbindung gebracht worden war, scheint auch für das Planen der Zukunft wichtig zu sein.

Die Vorstellung, dass Gedächtnis und Zukunftsplanung zusammenhängen, nahm Hassabis mit zu seinem nächsten Projekt. 2011 gab er die Stelle als Postdoc-Forscher auf und gründete DeepMind Technologies mit dem Ziel, "das Problem der Intelligenz zu lösen". Für die Gründung tat sich Hassabis mit dem KI-Forscherkollegen Shane Legg und dem Serienunternehmer Mustafa Suleyman zusammen. Das Unternehmen stellte wichtige Forscher im Bereich Maschinenlernen ein und zog bekannte Investoren an, darunter den Founders Fund von Peter Thiel sowie Elon Musk, Gründer von SpaceX und Tesla. Bis Dezember 2013 aber hielt sich DeepMind im Hintergrund.

Seinen ersten großen Auftritt hatte das Start-up dann bei einer wichtigen Fachkonferenz über Maschinenlernen. Im Harrah's Casino am Ufer des Lake Tahoe führten DeepMind-Forscher Software vor, die gelernt hatte, drei klassische Atari-Spiele zu spielen: "Pong", "Breakout" und "Enduro". Und zwar besser als erfahrene menschliche Spieler. Die Software hatte keinerlei Informationen über die Spiele einprogrammiert. Sie hatte nur Zugriff auf die Steuerung und die Bildschirmausgabe, Kenntnis über den Punktestand und die Vorgabe, diesen Stand möglichst hochzutreiben. Zum Spitzenspieler wurde das DeepMind-Programm dann durch Versuch und Irrtum.

Bis dahin hatte noch nie irgendjemand eine Software ent-wickelt, die in der Lage war, derart komplexe Aufgaben durch Lernen selbst zu lösen. DeepMind nutzte dazu eine moderne Maschinenlern-Technik namens Deep Learning, bei der Daten in grob simulierten Neuronen verarbeitet werden. Zusätzlich kam bei DeepMind eine Technik namens Verstärkungslernen zum Einsatz. So entstand Software, die lernt, indem sie Entscheidungen trifft und dann Rückmeldungen über deren Folgen erhält, so wie es auch bei Menschen und Tieren der Fall ist.

Teil des Lernprozesses bei der Atari-Software war, dass sie immer wieder frühere Erfahrungen abspielte, um die besten Hinweise darauf zu finden, was in Zukunft zu tun ist. "Das geschieht auch im Hirn", sagt Hassabis. "Wenn man schlafen geht, spielt der Hippocampus die Erinnerungen des Tages für Ihren Kortex noch einmal ab." Auch ein Jahr nach der Präsentation der Spielsoftware sinnieren KI-Wissenschaftler noch darüber, wie dieser Trick von DeepMind genau funktioniert. Der Nutzen hingegen ist den meisten klar. Die DeepMind-Technologie könnte etwa YouTube-Empfehlungen verfeinern oder die mobile Sprachsuche verbessern. "In den nächsten Jahren wird ein Teil unserer Technologie in diese Produkte integriert werden", sagt Hassabis. Doch der Forscher denkt in größeren Dimensionen.

DeepMind-Software könnte zudem für Robotik nützlich sein – einen Bereich, in den Google zuletzt massiv investiert hat. "Einer der Gründe dafür, dass es noch nicht mehr Roboter gibt, die mehr nützliche Dinge erledigen, liegt darin, dass sie meist vorab programmiert sind", erklärt er. "Sie sind schlecht darin, mit Unerwartetem zurechtzukommen oder Neues zu lernen."

Hassabis erwartet offenbar schnelle Fortschritte. Für den verantwortungsvollen Umgang mit leistungsfähigeren Formen von KI richtet der Vordenker gerade einen Ethik-Beirat bei Google ein. Er soll sich mit den möglichen Nachteilen von besserer künstlicher Intelligenz beschäftigen. "Noch spielen wir nur Atari-Spiele", sagt Hassabis, ohne zu lachen. "Aber wir befinden uns auf den ersten Stufen der Leiter." (bsc)