Open-Source-3D-Suite: Blender 2.77 weiter optimiert

Während die Planungen zu Blender 2.8 voranschreiten, hat die Blender Foundation Version 2.77 des Open-Source-3D-Pakets freigegeben. Neben neuen Features können sich Anwender über eine Reihe von Optimierungen freuen, die sich durch fast alle Bereiche ziehen.

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Open-Source-3D-Suite: Blender 2.77 weiter optimiert
Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Gottfried Hofmann
Inhaltsverzeichnis

Blender 2.8 steht schon in den Startlöchern. Vorher hat die Blender Foundation aber noch Version 2.77 des Open-Source-3D-Pakets freigegeben. Sie bringt neue und optimierte Funktionen aus allen Bereichen.

Ein großer Teil der Neuerungen und Verbesserungen geht auf den Kurzfilm "Caminandes 3 – Llamigos" zurück. Er wurde im Blender Institute in Amsterdam aus Einnahmen der Blender Cloud produziert. Während die Künstler an dem Film arbeiteten, waren Entwickler vor Ort, um gewünschte Features sofort zu implementieren. Das Filmteam konnte sie dann in der Praxis sogleich auf Herz und Nieren testen.

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So sehen die Ergebnisse unterschiedlicher Subsurface Scattering-Methoden in Blender Cycles aus.

Die mit Path-Tracing arbeitende Render-Engine Cycles (siehe Blender 2.67) kann Subsurface Scattering nun deutlich schneller auf CUDA-fähigen Grafikkarten berechnen. Subsurface Scattering hilft, Materialien wie Haut, Wachs oder Milch realistischer darzustellen. Die Cycles-Engine soll dabei um den Faktor drei steller arbeiten und auch weniger Speicher belegen. Letzteres ist auch der Grund, warum Subsurface Scattering auf der GPU (Blender 2.72) nicht mehr als experimentell gekennzeichnet ist. Der zusätzlich hinzugefügte Christensen-Burley-Algorithmus soll Details deutlich besser erhalten als die beiden bisherigen.

Feuer und Rauch (Blender 2.71) sowie Point Density-Texturen (Blender 2.76) lassen sich nun ebenfalls auf GPUs rendern; die Cycles-Engine unterstützt jetzt nVidia Tesla K80-Karten. Das Update der Open Shading Language auf Version 1.7.1 bringt einen leichten Performance-Gewinn sowie die Möglichkeit, die neusten Features der Sprache zum Programmieren eigener Shader-Nodes einzusetzen.

Beispiele von Shutter-Kurven und deren Auswirkung auf die Bewegungsunschärfe.

Cycles kann Bewegungsunschärfe feiner steuern als zuvor. Zum einen lässt sich angeben, wann der Verschluss komplett offen ist. Zum anderen kann man über eine Kurve dessen Öffnung- und Schließbewegung definieren. Außerdem simuliert Cycles den Rolling-Shutter-Effekt, der beim Filmen mit CMOS-Kameras dazu führt, dass bei horizontalen Schwenks gerade Linien krumm dargestellt werden. Dadurch erhält die Integration von 3D-Elementen in reale Filmaufnahmen noch einen zusätzlichen Grad an Realismus.

Die Cycles-Engine gibt deutlich feinere Kontrolle für direktes "Light Baking" auf Texturen, was besonders bei der Spiele-Entwicklung häufig zum Einsatz kommt. Man nutzt dabei fotorealistische Renderer wie Cycles, um ein Objekt auszuleuchten und die daraus enstandenenen Belichtungsinformationen direkt in Texturen zu speichern. Nun ist es zum Beispiel möglich, ausschließlich indirektes Licht zu backen oder mit Anti-Aliasing zu backen.

Die Entwickler haben für Cycles einige Voreinstellungen geändert, damit Blender von Anfang an schneller rendert und die Renderings dabei weniger Rauschen liefern. Dazu zählen etwa neue Einstellungen für die Anzahl der Samples. Für die Welt, alle Arten von Lampen und volumetrische Shader ist Multiple-Importance-Sampling grundsätzlich eingeschaltet. Beim Rendering folgen die einzelnen Kästchen, in denen der Aufbau des Bildes stattfindet, jetzt standardmäßig einer Hilbert-Spirale. Dadurch wird zuerst der mittlere Bereich des Bildes, dann der untere, dann der Rechte und dann der Rest besucht. Fehler in den Randbereichen des Bildes lassen sich so früher erkennen.

Der BVH-Baum lässt sich nicht mehr auf der Platte zwischenspeichern (Cache BVH), da der Aufbau dieser Beschleunigungsstruktur inzwischen so weit optimiert ist, dass selbst das Lesen von SSD meist länger braucht. Zudem führte das Feature bei Abstürzen zu teils beträchtlichen Rückständen nicht gelöschter Daten.

Das in Blender integrierte Videoschnitt-System Video-Sequence-Editor (VSE) hat zwei neue Modifier bekommen. Modifier sind Werkzeuge zum Nachbearbeiten von Video-Strips. Der Tonemap-Modifer ist identisch zu der Node aus dem Compositor. Ebenfalls neu ist der White Balance Modifier für einfachen Weißabgleich. Wenn man ein Video in den VSE lädt und noch keine anderen Strips vorhanden sind, passt Blender jetzt automatisch die Bildrate der Szene an die des Videos an.

Text-Strips unterstützen jetzt auch Zeilenumbruch; Szenen können verschachtelt werden. Der Gauß'sche Weichzeicher arbeitet in Blender 2.77 nahezu in Echtzeit. OpenGL-Previews im VSE rendern nun zwischen zwei- und dreimal so schnell und berücksichtigen den in den jeweiligen Szenen gesetzten Hintergrund sowie deren Transparenz-Einstellungen. Bei Einsatz des Speed-Control-Effekts lassen sich Zwischenbilder jetzt mit der Blender-eigenen Engine rendern.

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Der "Grease Pencil" (Blender 2.73), mit dem sich 2D-Zeichnungen direkt im 3D-Raum anfertigen lassen, war ursprünglich nur dazu gedacht, einfach und schnell Annotationen zu erstellen. Inzwischen hat er sich zu einem mächtigen Werkzeug gemausert, mit dem ganze Bilder gemalt und animiert werden können. Haupt-Einsatzzweck sind Storyboards und Animatics, noch grobe Blaupausen in frühen Phasen eines Animations-Projektes. Inzwischen wird er aber auch eigenständig für Zeichentrickfilme eingesetzt.

In Blender 2.77 hat der Grease Pencil einen eigenen Editor erhalten, der gleichberechtigt neben den anderen Editoren im 3D-View residiert. Immer mehr der in Blender üblichen Werkzeuge stehen auch für den Grease Pencil zur Verfügung, etwa das Transformations-Widget zum Bewegen, Rotieren und Skalieren.

Das größte Upgrade für den Grease Pencil ist die Integration der Sculpting-Werkzeuge von Blender. Mit ihnen lassen sich 3D-Modelle wie Lehm formen; in 2D funktionieren sie wie traditionelle Mal-Werkzeuge. Der Smooth Brush glättet krakelige Linien, der Thickness-Brush ändert ihre Dicke, der Clone Brush kopiert sie. Auch Verschieben und Verdrehen ist möglich. Der Clone Brush arbeitet nicht ganz wie der von Bildbearbeitungsprogrammen bekannte Kopierstempel. Hier muss man zuerst eine Auswahl über Strg+C in den Zwischenspeicher laden und kann diese dann per Klick immer wieder einfügen.

Animations-Daten von Grease-Pencil-Linien lassen sich nun im Dope Sheet anzeigen und bearbeiten. Über "Additive Drawing" werden per Keyframe eingesetzte Elemente übernommen, wenn man an einem späteren Zeitpunkt einen neuen Keyframe erzeugt. Das erleichtert etwa das Malen von Lippenbewegungen. Onion-Skinning lässt sich nun über eine Schaltfläche im Header ein- und ausschalten und wird beim Abspielen einer Animation nicht mehr angezeigt. Dadurch wird man beim Betrachten einer Bewegung nicht mehr durch die Geisterbilder abgelenkt.

Die komplett neu erstellte Radiergummi-Funktion unterstützt jetzt drucksensitive Tablets. Falls diese eine Radier-Funktion mitbringen, schaltet damit auch der Grease Pencil um. Zudem kann der Radiergummi jetzt auf allen Ebenen gleichzeitig arbeiten.

Mit Boolschen Operationen lassen sich Schnitte durch Objekte basierend auf anderen Objekten realisieren.

Boolsche Funktionen standen zum Bearbeiten von Meshes bisher nur über einen Modifier zur Verfügung. Blender 2.77 bietet sie als Werkzeug direkt im Edit Mode. Das vereinfacht den Workflow, da das Umschalten zwischen Edit Mode und Object Mode entfällt.

Das Decimate-Werkzeug zum Reduzieren von Geometrie arbeitet auf Wunsch achsensymmetrisch. Bei den Auswahl-Werkzeugen ist ein neuer Operator hingekommen, mit dem eine Auswahl wiederholt werden kann. Wenn zwei nebeneinander liegenden Flächen ausgewählt sind, wird bei einer Wiederholung eine weitere Fläche ausgewählt, so dass eine Reihe entsteht.

Die Standard-Objekte beziehungsweise Mesh Primitives, die über das Add-Menü bereitstehen und die Basis für Modellierungen bilden wie Würfel, Kugel, Ebene, Zylinder können jetzt von Anfang an ein UV-Layout erhalten. Das erspart einen manuellen UV Unwrap.

Über die Rake-Option verändern herausgezogene Strukturen ihre Orientierung entlang der Bewegung des Sculpt-Werzeugs.

Mit dem beim Sculpting eingesetzten "Snake Hook-Brush" kann man jetzt deutlich einfacher lang herausgezogene Segmente erzeugen und einstellen, ob während des Herausziehens das Volumen verringert (Pinch) oder vergrößert (Inflate) werden soll. Die neue Einstellung Rake lässt die Ausrichtung während des Ziehens entlang der Bewegungsrichtung rotieren.

Object Constraints, welche beim Rigging wichtig sind, arbeiten dank einer neuen Interpolationsmethode, die auf Polarer Dekomposition basiert, jetzt deutlich vorhersagbarer.

Der Bild-Editor stellt auf Wunsch Rot-, Grün- und Blau-Kanal von Bildern isoliert dar. Beim Weichzeichnen lassen sich die Grenzen des Bilds erweiten, damit an den Rändern keine unschönen Artefakte entstehen. Tracking-Punkte geben jetzt neben ihrer Position auch ihre Geschwindigkeit aus. Damit reicht es, einen einzelnen Punkt zu verfolgen, um ein Video nachträglich mit Bewegungsunschärfe zu versehen. Der Effekt der Stabilisierungs-Node lässt sich invertieren. Dadurch kann ein Clip für die Dauer einer Bearbeitung stabilisiert werden und danach wieder seine ursprüngliche Bewegung erhalten.

Sowohl die Engine Blender Internal als auch die Game Engine unterstützen jetzt Cube-Maps für den Hintergrund und Reflektionen. Spot-Lampen können jetzt auch rechteckige und elliptische Formen annehmen. Textobjekte unterstützen Kopieren und Einfügen über das systemweite Clipboard. Man kann jetzt also Texte von Webseiten kopieren und direkt in Blender als Text-Objekt einfügen. Die Formatierung übernimmt Blender aber nur, wenn der Text aus einem anderen Blender-Objekt kopiert wurde.

Die Ergebnisse von Feuer- und Rauchsimulation speichert Blender auf Wunsch im platzsparenden OpenVDB-Format. Das ist für den Austausch mit anderen Programmen interessant. Ein Import von OpenVDB-Dateien funktioniert hingegen noch nicht.

Die aktive Kamera lässt sich jetzt auch Anhand der Anzeige des Fokus-Punktes und der Limits erkennen.

Den Fokus-Punkt und die maximale sowie minimale Entfernung stellt Blender bei der aktiven Kamera jetzt ein wenig heller dar, um sie von anderen Kameras leichter unterscheidbar zu machen.

Das Drehen der Ansicht mit dem Ziffernblock verhält sich für die Tasten 4 und 6 jetzt ein wenig anders. Statt wie bisher um die globale Z-Achse rotieren sie jetzt um die vertikale Achse der aktuellen Ansicht. Dadurch funktioniert die Rotation nicht mehr wie bei einer Drehscheibe sondern ein wenig freier.

Der Dateibrowser von Blender unterstützt jetzt Drag & Drop. Zieht man eine Datei darüber, wechselt er in das Verzeichnis und wählt sie aus. Dateien aus gepackten Archiven wie ZIP-Dateien unterstützt er jedoch nicht. Über das Tastenkürzel ALT+Pfeiltaste kann man nun im Verzeichnisbaum navigieren. Ein Druck auf R lädt den Inhalt des aktuellen Verzeichnisses neu.

Der überarbeitete Fortschrittsbalken zeigt jetzt eine Schätzung, wie lange ein Vorgang noch dauern wird, wenn man die Maus darüber bewegt. Auch beim Backen von Physik-Simulationen erscheint jetzt ein Fortschrittsbalken. Bei den meisten Simulationen wird allerdings während des Backens das Interface gesperrt. Daher funktioniert auch kein Klick auf das X nebem dem Fortschrittsbalken, um den Backvorgang abzubrechen. Hierfür bleibt weiterhin die Taste Esc reserviert.

Das Anti-Aliasing in Viewport und im OpenGL-Renderer arbeitet jetzt schneller und in höherer Qualität. Der OpenGL-Renderer soll bis zu 40 Prozent schneller rechnen. Der Shader-Graph von Cycles entfernt auf Wunsch nicht benötigte Nodes, was auf allen Architekturen zu schnelleren Renderings führt. Der neue Dependency Graph ist zwar immer noch nicht Standard, arbeitet jetzt aber um etwa ein Zehntel schneller. In vielen Bereichen führt optimiertes Threading zu zu mehr Geschwindigkeit. So arbeitet die Ozean-Simulation jetzt etwa 20 Prozent schneller, beim UV-Wart-Modifier sind es etwa 10 Prozent. Die Optimierungen beim Mal- und Sculpt-Code liegen in ähnlichen Bereichen. Feuer und Rauch lassen sich bis zu 5 Prozent schneller simulieren, bei Flüssigkeiten, die über das Partikel-System berechnet werden, konnte eine Verdoppelung der Geschwindigkeit erreicht werden.

Blender nutzt jetzt Python 3.5.1. Ein Nebeneffekt davon ist, dass Windows XP nicht mehr unterstützt wird. Bei OpenGL ist das neue Minimum die Version 2.1. VBOs sind jetzt standardmäßig aktiviert, was bei älteren Intel-Grafikchips zwar zu Problemen beim Selektieren führen kann, für alle anderen Karten allerdings ein deutlich flüssigeres Arbeiten ermöglicht. OpenSubDiv funktioniert jetzt auf deutlich mehr Systemen, darunter APUs von AMD und Intel HD 4000+.

Neben den beschrieben Neuerungen gibt es zahlreiche kleinere Neuheiten und Detail-Verbesserungen. Außerdem haben die Entwickler nach eigenen Angaben zusätzlich mehr als 470 Programmfehler aus vorhergehenden Versionen behoben.

Blender läuft unter Windows, Mac OS und Linux und steht ab sofort in Version 2.77 zum Download bereit. (akr)