Gemeinsam ein Künstliches Bewusstsein schaffen

Mit der Hilfe von Internetbenutzern, die finanziell am Unternehmen beteiligt werden, soll eine umfassende Datenbank mit Common-Sense-Wissen kollektiv aufgebaut werden.

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Von
  • Florian Rötzer

Ein Künstliches Bewusstsein will der Computer- und KI-Wissenschaftler Chris McKinstry schaffen, und zwar mit der Hilfe von möglichst vielen Menschen, die sich an diesem ehrgeizigen Projekt beteiligen sollen und damit gleichzeitig je nach Größe ihres Beitrags zum Miteigentümer der daraus entspringenden Datenbank werden. Mit seinem Anfang Juli gestarteten GAC-Projekt (Generic Artificial Consciousness) will er neuen Wind in die KI-Forschung bringen, das seit langem betriebene Projekt Cyc aus den Angeln heben und mit einer Datenbank, die schließlich das gesamte und wirklich von allen geteilte Common Sense-Wissen der Menschen enthalten soll, ein nützliches und vielleicht auch profitables Trainingsfeld bereitstellen, durch das neuronale Netze künftig in den Zustand des wahren Künstlichen Bewusstseins gehoben werden.

McKinstry will etwas ähnliches erreichen wie Doug Lenart mit dem schon seit fast 20 Jahren laufenden KI-Projekt Cyc, nur dass bei Cyc bislang Experten Common-Sense-Wissen in die Datenbank einfüttern und Verknüpfungen herstellen, während dies bei GAC die Internetbenutzer machen sollen. Erste Anwendungen von Cyc gibt es bereits, etwa in Zusammenarbeit mit Lycos eine Suchmaschine zum Testen, die durch Rückgriff auf das Common-Sense-Wissen besser und genauer funktionieren soll. Und weil es gerade chic ist und viele darauf setzen, soll Cyc auch als "Cyc-at-Large" für alle Internetbenutzer geöffnet werden, um "exponentiell" intelligenter zu werden, da dann im Prinzip jeder zum eingebenden Experten werden kann. Vorgesehen war die "nukleare Informationsexplosion" allerdings bereits für Januar, doch bis heute ist nicht mehr viel geschehen.

Da ist immerhin McKinstry mit seinem GAC oder MindPixel Digital Mind-Projekt weiter, denn GAC dürfen schon jetzt die Internetbenutzer mit den "Mindpixeln" in verschiedenen Sprachen füttern. Das sind Aussagen, die normalerweise alle zu jeder Zeit und an jedem Ort mit Ja oder Nein beantworten, z.B. "Wasser ist nass: stimmt" oder "2 + 2 ist auf dem Mars 5: falsch". Wer einen Mindpixel eingibt, muss im Gegenzug 20 zufällig ausgewählte Mindpixel von anderen validieren, die bereits eingereicht wurden. Vorbild für GAC ist einmal wieder Seti@home, allerdings meint McKinstry, dass er nicht auf die Rechenkapazität, sondern auf die Menschen aus sei: "Wir versuchen, den ganzen Inhalt des Geistes eines Durchschnittsmenschenbuchstäblich Bit für Bit aus Millionen von Internetbenutzern zu extrahieren. Wir versuchen nicht, den Algorithmus für das Bewusstsein zu schreiben, sondern den weltweit strengsten Fitnesstest zu schaffen und ihn Wissenschaftlern zu übergeben, die versuchen, Systeme zu bauen, die lernen oder evolutionär Bewusstsein erlangen, indem sie sich durch Feedback-Zirkel mit diesem Fitnesstest abgleichen."

Geld kann McKinstry nicht zahlen, aber will pro Mindpixel und überprüfter Mindpixel Anteile ausgeben, und hofft durch Werbung und schließlich durch Anwendungen Geld zu verdienen. Je nach der Menge der verdienten Anteile dürfen die Mitwirkenden dann auch bestimmen, wie das eingenommene Geld ausgegeben wird. Damit der Blödsinn nicht überhand nimmt oder Menschen einfach Unsinniges eingeben, wurde ein "Qualitätsfilter" eingeführt, der wiederum von allen Mitwirkenden ausgeführt wird.

Ob freilich durch eine Anhäufung von Aussagen, die Durchschnittsmenschen mit Ja oder Nein beantworten, auch nur irgendetwas ähnliches wie menschliche Intelligenz oder gar menschliches Bewusstsein entsteht, bleibt erst einmal Hypothese - und sehr fraglich. Common-Sense-Theorien werden nur teilweise über natürliche Sprache erworben. Zumindest zum Ausprobieren haben sich bei GAC schon einmal Tausende von Menschen registrieren lassen. Ob sie an den Erfolg oder gar an den möglichen Verdienst glauben, ist eine andere Frage. So nebenbei wie bei Seti@home oder Golem@home kann man hier allerdings nicht partizipieren, da die eigene Rechenkapazität und Aufmerksamkeit gefordert ist.

Mehr in Telepolis: Ein künstliches Bewusstsein aus einfachen Aussagen. (fr)