Erste optogenetische Therapie am Menschen

Eine blinde Frau in Texas ist die erste Person, die mit einer neuartigen gentechnischen Methode behandelt wurde .

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Von
  • Katherine Bourzac

Eine blinde Frau in Texas ist die erste Person, die mit einer neuartigen gentechnischen Methode behandelt wird.

Ärzte der Retina Foundation of the Southwest haben in Dallas erstmals einen Menschen einer optogenetischen Therapie unterzogen. Die Hoffnung ist, dass sich dadurch wieder Photorezeptoren in einem der Augen der blinden Frau bilden könnten.

Diese Patientin und weitere Personen, die an einer klinischen Studie teilnehmen, leiden an der Retinitis pigmentosa, einer Netzhautdegeneration, bei der die Photorezeptoren in der Retina nach und nach absterben. Die Photorezeptoren leiten elektrische Signale an die Nerven weiter, die diese wiederum an das Gehirn übertragen.

Die Optogenetik ist ein noch relativ neues Forschungsgebiet, das eine Gentherapie mit Licht kombiniert, um Nerven präzise zu kontrollieren. Bei der klinischen Studie wird nun versucht, die Ganglienzellen im Auge der Frau lichtempfindlich zu machen. Dem Auge wurden dazu Viren injiziert, die die DNA von lichtempfindlichen Algen in sich tragen. Sollte die Therapie funktionieren, würden die Ganglienzellen das tun, wofür eigentlich die gesunden Stäbchen und Zapfen der Retina zuständig sind: elektrische Signale in Reaktion auf Licht abfeuern. Damit wäre zumindest ein Teil des Augenlichts wiederhergestellt.

Die Behandlung erfolgte durch ein Team um den Augenexperten David Birch. Entwickelt wurde die Therapie durch die Firma RetroSense Therapeutics aus Ann Arbor in Michigan.

Die Studie wird nicht nur von Augenärzten intensiv begutachtet – auch viele Neurowissenschaftler interessieren sich brennend für das Ergebnis. Bei einem Erfolg könnte die Optogenetik auch in anderen Bereichen eingesetzt werden, etwa der Behandlung von Parkinson oder Schizophrenie. Dort wird sie derzeit nur in Laborversuchen verwendet, um die im Gehirn ablaufenden Mechanismen in Zellkulturen erforschen zu können.

Todd Sherer, Neurowissenschaftler und Chef der Michael J. Fox Foundation for Parkinson's Research, ist gespannt. "Es ist ein großartiger früher Test für die Optogenetik, weil das Auge so leicht erreichbar ist." Die Stiftung finanziert bereits Arbeiten, bei denen die Optogenetik zur Erforschung der Mechanismen hinter Parkinson eingesetzt wird.

Die Untersuchung in Dallas wird sich noch etwas hinziehen. Die Ärzte der Retina Foundation of the Southwest werden das behandelte Auge der Patientin über das nächste Jahr hinweg überwachen und gegebenenfalls bis zu drei weitere Gentherapiedosen verabreichen. Sichergestellt werden muss aber auch, dass es keine unerwünschten Nebenwirkungen gibt.

Das Therapieergebnis soll nicht sein, dass die Patientin wieder vollständig scharf und in Farbe sehen kann. Stattdessen soll ein Auge, das derzeit 0 Prozent Licht erkennen kann, wieder etwas Sehkraft zurückerhalten. "Es geht um kleine Dinge wie die Möglichkeit, zu erkennen, ob jemand mit einem im Raum ist oder man eine Straße gefahrlos überqueren kann. Das wäre schon eine große Sache", sagt Arzt Birch.

Spannend ist der optogenetische Ansatz auch deshalb, weil es derzeit keine echte medizinische Behandlungsform für Retinitis pigmentosa gibt. Allein möglich sei eine Netzhautprothese, bei der ein implantierter Chip die Zellen im hinteren Bereich der Augen stimuliert, wie Jacque Duncan, Professor für klinische Augenheilkunde an der University of California in San Francisco sagt.

Ein Sehen durch lichtempfindliche Ganglienzellen dürfte sich zudem anders anfühlen wie durch eine gesunde Netzhaut. Geht man nach draußen, kann es zum Beispiel bis zu 10.000 Mal heller sein als in einem Innenraum. Eine gesunde Retina passt ihre Empfindlichkeit extrem schnell daran an, doch neue lichtempfindliche Zellen, die mittels Gentherapie geschaffen wurden, werden das nicht können. Aus diesem Grund müsste die RetroSense-Therapie, sollte sie tatsächlich funktionieren, in der Praxis mit einer Videoprojektionsbrille kombiniert werden, die diese Anpassungen vornehmen kann. Dann würde das Licht an das behandelte Auge jeweils stärker oder schwächer ausfallen, je nachdem ob man sich in Innen- oder Außenbereichen aufhält.

Die klinische Studie in Dallas sucht weiter nach Patienten. Ziel ist es, 15 Personen zu rekrutieren, die an Retinitis pigmentosa leiden. Dabei geht es um Menschen, die nicht nur erste Schäden haben, sondern so gut wie gar kein Licht (oder gar kein Licht) in den Augen mehr erfassen können. "Ich sage meinen Patienten, dass das wie die Apollo-Mission zum Mond ist – ein potenziell großer Schritt für die Menschheit, aber noch völlig experimentell", so der Arzt Birch. "Sie sind Pioniere." (bsc)