Radar gegen Krebs

Im Kampf gegen Krebs gibt es eine neue Hoffnung: Dank neuer Techniken lassen sich die Erbgutspuren versteckter Krebsherde im Blut nachweisen.

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Von
  • Birgit Herden

Gäbe es ihren Mann Jeff nicht, die Geschichte von Laura Huber wäre eine von Hunderttausenden, die der Krebs schreibt: Als Laura sich abgeschlagen und ständig erschöpft fühlt, tippt ihr Arzt zunächst auf die beginnende Menopause. Allerdings scheint die Diagnose nicht recht zu passen, daher unterzieht sich die 46-Jährige einer Koloskopie – die sportliche und bis dahin gesunde Mutter zweier Teenager befürchtet ein Reizdarmsyndrom oder eine entzündliche Darmerkrankung. Stattdessen finden die Ärzte ein zwei Zentimeter großes Geschwür, und im PET-Scan offenbart sich das ganze Ausmaß der Erkrankung: Der Krebs hat sich bereits in den Bauchraum ausgebreitet, die Leber befallen und auch Brustraum und Hals erreicht. Trotz bestmöglicher Therapie stirbt Laura Huber im November letzten Jahres, nur 18 Monate nach der Diagnose.

Nun macht sich ihr Mann Jeff daran, den Krebs an der Wurzel zu packen. Mit einem einfachen Bluttest will er Tumore so früh erkennen, dass eine Heilung in den meisten Fällen möglich ist. Und zwar bei jeder Art von Krebs, nicht nur im Darm. Was heute noch auf zahlreiche verschiedene Untersuchungen, auf Mammografie für die Brust, Stuhlproben für den Darm oder Abtasten der Prostata verteilt ist, könnte eines Tages auf eine simple Maßnahme zusammenschrumpfen: die Analyse eines Blutstropfens. Liquid Biopsy, flüssige Gewebeprobe, heißt die Technik daher.

Jeff Huber, bisher Senior Vice President von Google, leitet seit Kurzem das Unternehmen Grail, benannt nach dem sprichwörtlichen heiligen Gral. Illumina, das weltgrößte Unternehmen für Erbgutentschlüsselung, gründete es Anfang des Jahres in San Francisco. Grail verfügt über 100 Millionen Dollar Startkapital, mit Bill Gates und dem Venture Fonds von Amazon-Chef Jeff Bezos sind einige der angesehensten US-Investoren beteiligt. Bis 2019 soll der Bluttest verfügbar sein. „Wir hoffen, dass der heutige Tag ein Wendepunkt im Krieg gegen Krebs ist“, sagte Jay Flatley, CEO von Illumina, anlässlich der Firmengründung.

Die Vision ist so groß wie der bisherigen Kampf gegen den Krebs ernüchternd: 45 Jahre nachdem Richard Nixon dem Krebs den Krieg erklärte, gleicht die Diagnose in vielen Fällen immer noch einem Todesurteil. Das traurige Schicksal von Laura Huber ist nur eines unter vielen Millionen weltweit. Allein in Deutschland erhalten jedes Jahr rund 500000 Menschen die Diagnose Krebs, jeder Zweite wird daran sterben. Zu kompliziert und vielfältig ist die Krankheit, als dass Mediziner noch an eine einheitliche Heilung glauben. Die größte Hoffnung ist daher die Früherkennung. Aber bis heute ist sie entweder umständlich – wer will schon über drei Tage zu Hause Stuhlproben sammeln, um sie auf Darmkrebs analysieren zu lassen –, unzuverlässig oder sogar schädlich, weil ein Test viel zu oft falschen Alarm gibt. Manchmal ist sie sogar alles zusammen (siehe Seite 31). „Die Schwierigkeit besteht nicht nur darin, Krebs früh zu entdecken, sondern auch mit Sicherheit sagen zu können, dass dieses Wissen für die Patienten ein Vorteil ist“, sagt J. Leonard Lichtenfeld von der American Cancer Society. „Ich kann gar nicht zählen, wie oft wir schon gesagt haben: ‚Oh, wir müssen nur jeden Krebs früh finden, dann hätten wir das Problem gelöst.‘“ Auch Jay Flatley räumt ein: „In der Branche wimmelt es von Fehlschlägen. Bis auf wenige Ausnahmen waren alle bisherigen Screening-Tests eine Katastrophe.“

(rot)