Abschied von Mr. Clean

Mit Andy Grove's Abschied als Intel-Chef ging auch ein Teil der Intel-Kultur verloren, sagen enge Mitarbeiter. Und nun nahm er Abschied von der Welt – und ich nehme Abschied von ihm und gedenke unserer Treffen auf dem IDF.

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Von
  • Andreas Stiller

Als ich Andy Grove das erste Mal in kleiner Runde traf, da war er schon kein CEO mehr, sondern nur noch Chairman vom Board. Er ließ sich aber nicht nehmen, auch späterhin auf diversen Intel Developer Foren zu erscheinen. Auf dem IDF im Februar 2000 in Palm Springs hielt er sogar die Eröffnungsrede und stellte zusammen mit dem damaligen Mikroprozessor-Chef Albert Yu einen Pentium III mit 1 GHz vor: Dann heizten die beiden den ersten Pentium 4 von 1400 GHz über mehrere Zwischenstufen bis hinauf auf 1500 MHz.

Die "Power of Ten" so lautete Groves Thema damals und der junge Google-Gründer Larry Page sollte als Gast seine Wachstums-Idee unterstützen. Schließlich war Googles Traffic damals in knapp über einem Jahr um Faktor 100 gewachsen und die Hardwareausstattung von zunächst zwei auf 1400 Linux-PCs (inzwischen sind es wohl noch ein paar mehr). Doch statt sich, wie Grove wohl gehofft hatte, den frisch herausgekommen 16-Wege-Itanium zu wünschen, wollte Page was ganz anders, nämlich viele, viele "Low-Cost machines that have a lot of memory".

Grove in kleiner Journalistenrunde auf dem IDF im Februar 2000, wie üblich im grauen Pulli.

(Bild: Andreas Stiller)

Als Grove, der "Angestellte Nr.4", 1975 in die Intel-Spitze als Chief Operating Officer aufstieg, wurde gerade Microsoft gegründet. Intel hatte 4600 Mitarbeiter und kam in dem Jahr auf einen Umsatz von 137 Millionen US-Dollar. Der resultierte damals nur wenig aus den verkauften (8080-) Prozessoren, sondern hauptsächlich vom Speicher und von ... Digital-Uhren (Microma).

Ja, lange vor Base Peak und Tag Heuer hatte Intel also schon Uhren. Als Grove dann 1997 als CEO das Staffelholz an Craig Barrett weiterreichte, waren es weltweit 64.000 Mitarbeiter und der Jahresumsatz lag (ohne Uhren) bei 25 Milliarden US-Dollar. Zu dem Zeitpunkt konnte man also durchaus von der Power of Ten träumen, mit solchen Steigerungsraten wäre Intel jetzt bei Jahresumsätzen von 10 Billionen Dollar ... nur sind es jetzt gerade mal 56 Milliarden.

Mit Groves Abschied, so beschrieb es der legendäre P6-Chefarchitekt Bob Colwell, ging auch ein wichtiger Teil der Intel-Kultur verloren. Mit Barrett kamen Colwell und auch andere wichtige Intel-Mitarbeiter nicht klar, und so verließen sie kurze Zeit später die Firma.

Grove, der extrem ordentliche und penible "Mr. Clean", war anders als sein etwas dröger Nachfolger immer hochengagiert, redegewandt und zuweilen auch recht unterhaltsam. Und er hielt nichts von einem glamourösen Outfit. Schon lange bevor es Steve Jobs zum Markenzeichen machte, traf man ihn zumeist im Rollkragen-Pulli oder T-Shirt an.

Ich sprach im Anschluss an obige Keynote mit Grove (wie üblich mit grauem Pulli) in kleiner Journalistenrunde: Über Wachstumsraten, über den frischen Itanium und den damals auf dem IDF zwar vorgestellten, aber noch nicht gelaunchten Pentium 4 (Willamette).

Von c't hatte er schon was gehört, aber offenbar nichts Gutes: Das waren wohl die Bösen, die Pentium-III-Seriennummer geknackt hatten – das Auslesen der eigentlich abgeschalteten Nummer mit Hilfe von ACPI. Ihm war wohl auch zu Ohren gekommen, dass wir diejenigen sind, die Jahre (und dann Jahrzehnte) später immer mal wieder falsch rechnende Pentiums zum Tausch einschickten. Das machte außer uns so gut wie keiner mehr. Aber Andy Grove hatte ja damals im Jahre 1994 eine "lebenslange" Umtauschgarantie versprochen.

Und ein Bild mit Dame, auf Wunsch derselbem ...

(Bild: Andreas Stiller)

Wir sprachen auch ein wenig über Deutschland, das er erst wenige Monate zuvor besucht hatte – so weit ich mich entsinnen kann, gar zum ersten Mal nach seiner Flucht aus Ungarn, wo er von Wien aus nach Bremerhaven fuhr, um dort das Schiff in die USA zu besteigen.

Von unserem damaligen Treffen gibt’s zwar kein gemeinsames Foto, aber ich machte eines von einer japanischen Kollegin, die unbedingt mit ihm auf Bild wollte – Selfies waren damals noch nicht angesagt.

Später entdeckte ich ihn zuweilen als Zuschauer bei den Keynotes auf dem IDF (irgendwo müssen davon auch noch Bilder sein ...) und hielt zuletzt noch vor ein paar Jahren einen kurzen Chat mit ihm, wo er trotz der inzwischen deutlichen Parkinson-Erkrankung zusammen mit seiner Frau Eva erschienen war.

Einen kaputten Pentium hab ich auch noch, nur ist das mit dem Umtausch ja jetzt ohne Grove nicht mehr so opportun, lebenslang ist vorbei. Vielleicht sollte ich ihn Intel geben, um ihn zum Abschied auf sein Grab zu legen. (as)