Identitätsklau via Internet

Der so genannte ID Fraud, der Identitätsschwindel, hat die US-Regierung und die amerikanischen Verbraucherschützer auf den Plan gerufen.

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Von
  • Tilman Streif
  • dpa

Schauspielerin Sandra Bullock machte es vor. Sie kämpfte als Angela im Thriller Das Netz gegen eine Doppelgängerin, die unter Angelas Namen auftrat. Einen solchen Kampf, wenn auch unter weniger spektakulären Umständen, müssen neuerdings Tausende von unbescholtenen Amerikanern führen. Sie wurden zu Opfern von raffinierten Identitätsbetrügern, die gezielt das Internet nutzen. Der so genannte ID Fraud, der Identitätsschwindel, hat inzwischen die US-Regierung und die amerikanischen Verbraucherschützer auf den Plan gerufen. Am Anfang des Betrugs steht eine in den USA zentrale Ziffernfolge: Die neunstellige Sozialversicherungsnummer. Sie wird lebenslang behalten, und unter ihr werden auch sämtliche Finanzdokumente einer Person gespeichert, von der Steuererklärung bis zum Antrag auf eine neue Kreditkarte. Wer den Namen und die Sozialversicherungsnummer einer Person kennt, kann seinen Auftritt als Doppelgänger beginnen. Das Internet erleichtert diesen Start. Dort liefern professionelle Dienste wie docusearch.com zahlenden Kunden für durchschnittlich 50 Dollar die persönlichen Daten beliebiger Personen.

Es geht auch billiger, wie der Fall Thomas Seitz beweist, der inzwischen im Gefängnis sitzt. Der 23 Jahre alte Hacker stieß in einer schlecht geschützten Datenbank auf Namen und Sozialversicherungsnummern renommierter Manager. Selbst mit diesen knappen Angaben gelang es Seitz, im Namen seiner Opfer Kreditschecks über Beträge von bis 44 000 Dollar zu erhalten und damit einkaufen zu gehen. Seitz besorgte sich außerdem im Internet einen nachgemachten Führerschein mit seinem Bild und dem gestohlenen Namen. Der leicht zu fälschende Führerschein im Kreditkartenformat gilt in den USA als Personalausweis, und im Internet boomt der Handel mit nachgemachten Dokumenten. Der Betrug flog erst auf, als ein Autohändler den von Seitz vorgelegten Ausweis zufällig einer Routineprüfung unterzog und eine Kopie an die Führerscheinbehörde faxte.

Seitz wurde festgenommen und sitzt derzeit eine dreijährige Haft ab. Unlängst allerdings war er der Stargast bei einer Anhörung des US-Senats. Es ging um die Verbrechenswelle unter dem Stichwort ID Fraud, und der erfahrene "Identitäts-Betrüger" durfte aus seinen Erfahrungen berichten. Entsetzte Regierungsvertreter erfuhren unter anderem, dass Seitz sich bei Internet-Anbietern bedienen konnte, die ganz offen Handel mit Führerschein-Druckvorlagen treiben. Im kommenden Herbst werden erneut Senatsanhörungen zum Thema ID- Fraud stattfinden. Dort soll über verschärfte Strafen für die Benutzer gefälschter Dokumente beraten werden, und auch die Anbieter solcher Fälschungen müssen wohl zukünftig mit längeren Gefängnisaufenthalten rechnen.

Diese MaĂźnahmen ergreift die US-Regierung, weil sie bestĂĽrzende Zahlen vor Augen hat. Bei der Verwaltung der Sozialversicherung gingen im vergangenen Jahr 30.000 Beschwerden ĂĽber den Missbrauch der wichtigen Nummern ein. Im Vorjahr waren es nur 11 000 Beschwerden, und den Zuwachs fĂĽhren Experten fast ausschlieĂźlich auf den immer weiter um sich greifenden ID-Fraud zurĂĽck.

Bei der Federal Trade Commission (FTC) klingeln seit Beginn dieses Jahres die Telefone heiß. Eine gebührenfreie Hotline wurde in den vergangenen acht Monaten schon von über 20 000 Menschen angewählt. Immer mehr Personen melden sich, weil in ihrer Post plötzlich hohe Kreditkartenrechnungen auftauchen. Betrüger hatten unter falschem Namen einen bargeldlosen Großeinkauf gemacht, und es kostet die Opfer dann oft Wochen, die Kreditgeber von ihrer Unschuld zu überzeugen. Eine amerikanische Versicherungsgesellschaft wittert bereits ein gutes Geschäft. Die Travellers Property Casualty Corp. bietet neuerdings eine Police für Opfer eines Identitätsbetrugs. Abgedeckt werden die üblichen Kosten eines solchen Falls: Die Telefonanrufe mit Kreditkartengesellschaften etwa, außerdem die Anwaltsgebühren und der Lohnausfall während der vielen Stunden, in denen der eigene gute Ruf bei Kreditgebern mühsam wieder hergestellt werden muss. (Tilman Streif, dpa) (jk)