Musikmesse Superbooth 16: Im Reich der Strippenzieher

Eigentlich als Szene-Meeting für Synthesizerfans gedacht, schwang sich die Superbooth in Berlin wenige Tage vor der Frankfurter Musikmesse auf zum alternativen Branchentreff mit internationalem Flair.

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Superbooth 16: Im Reich der Strippenzieher

(Bild: Kai Schwirzke)

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  • Kai Schwirzke

Zum ersten Mal fand in diesem Jahr vom 31. März bis zum 2. April die Superbooth im ehemaligen Funkhaus der DDR statt. In den beeindruckenden Räumlichkeiten zeigten zahlreiche Hersteller ihre elektronischen Klangerzeuger, wobei der Schwerpunkt auf modularen Synthesizern lag. So nennt man Instrumente, die sich nach dem Baukastensystem individuell zusammenstellen und dann per Patchkabel verdrahten lassen.

Besucher der Frankfurter Musikmesse kennen die Superbooth als erfolgreichen Gemeinschaftsstand des Berliners Andreas Schneider. Der Synthesizer-Enthusiast betreibt in der Hauptstadt ein Ladengeschäft, verkauft die elektronischen Instrumente aber auch per Großhandel. Sein Herzblut gilt den vielen kleinen Entwicklern, die in unermüdlicher Lötarbeit ihre Träume in klingende Realität umsetzen.

Die Ausstellerliste umfasste neben individuellen Anbietern und Modul-Boutiquen auch Branchengrößen wie Arturia, Moog, Yamaha, Roland und Korg. Überraschenderweise hatten selbst Software-Companies wie Avid, Bitwig, Native Instruments, U-He und Steinberg einen Stand gebucht. Die Anwesenheit von Electro-Pionieren wie Daniel Miller (Mute Records), Roger Linn (Linn Drums), Dave Smith (Sequential Circuits) und Dieter Döpfer sorgte zusätzlich für gute Stimmung: Wer wollte, konnte mit den Herren über deren neuesten Produkte plaudern oder in Erinnerungen schwelgen.

Für Dieter Döpfer ist die Teilnahme der Industrie-Größen ein Beweis dafür, dass der Trend der modularen Synthesizer langsam massentauglich wird: "Die kleinen Hersteller sind hier die Vorreiter. Die Großen haben den Trend etwas verschlafen und springen nun auf. Es ist eine Technikrevolution von unten nach oben", erklärte er im Interview mit heise online. In Berlin treffen die Entwickler- und Musik-Szene zusammen und bilden ein äußerst kreatives Amalgam.

Hersteller wie Roland, Ableton und Nativ Instruments arbeiten daran, eine Brücke zwischen den Hardware-Modulen und der Musik-Software zu bauen. So zeigte Ableton sein neues Connection Kit für die Live Suite. Mit dieser kostenlosen Sammlung von elf Max for Live Modulen lassen sich mit der DAW Lego Mindstorm Kreationen ebenso ansteuern wie ein Arduino, die Littlebits, OSC-Controler oder auch der Leap Motion Sensor.

Native Instruments gab einen Ausblick auf das 1.2-Update für die Reaktor 6 Blocks. Dort kommen drei Schnittstellen für die CV-Anbindung von Synthie-Hardware-Modulen hinzu, sodass man diese in die Reaktor-Blöcke integrieren kann. Auf der Superbooth zeigte Native Instruments das System mit Schnittstellen der Expert Sleepers, die beispielsweise für rund 200 Euro ein Interface von ADAT auf CV anbieten.

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Der Stand von Bastl Instruments zeigte keine Schnitzarbeiten aus dem Erzgebirge, sondern in Handarbeit gefertigte Synthie-Module. (Bild: Kai Schwirzke)

Gleich daneben zeigten die Berliner Entwickler des Modstep-Sequencers, wie komfortabel man inzwischen auf einem iPad externe Synthesizer steuern kann. Derzeit arbeiten Benjamin Weiss und seine Kollegen an einem größeren Update mit einer neuen Bedienoberfläche, das auch die neuen Audio-Unit-Plug-ins unterstützt. Mit ihnen lassen sich Instrumente und Effekte wie unter OS X in mehreren Instanzen laden. Apple mache relativ strikte Vorgaben, wie die AU-Plug-ins auszusehen hätten, weshalb man bislang nur wenige Apps wie etwa den iSem-Synthesizer im App Store findet. Auf Dauer seien die AU-Plugins jedoch einfacher zu handhaben als die bisherigen Systeme Audiobus und IAA, sodass Audio-Entwickler mittelfristig wohl auf AU umschwenken werden. Dank der höheren Rechenleistung der neuen Pro-iPads lässt sich deren Performance für größere Arrangements nutzen.

Als Einstiegsdroge in die Welt der modularen Systeme vermarktet Moog seinen neuen Synthesizer Mother-32, den man entspannt in einem abgeschiedenen Raum auf Sitzkissen ausprobieren konnte. Obwohl die Mother-32 nur einen einzigen Oszillator mitbringt, konnten wir aus ihr mit nur ein paar Knöpfchendrehungen erstaunlich druckvolle Sounds hervorzaubern. Die große Steckmatrix lud zu wilden Klangexperimenten ein. So ließen sich mehrere Mother miteinander oder auch mit anderen Modulen verdrahten. Den großartigen Sound der kleinen Kiste sollte man wahrlich nicht unterschätzen, wenn auch der Preis von 700 Euro zunächst etwas abschreckt.

Das quirlige Miteinander der großen und kleinen Hersteller im Austausch mit den Musikern erfreute denn auch Superbooth-Organisator Andreas Schneider: "Es ist uns gelungen, hier im ehemaligen sozialistischen Osten der Stadt, ein eigentlich schönes sozialistisches Prinzip zu etablieren", grinste er. "Egal, ob multinationaler Konzern oder Ein-Mann-Firma, alle stehen an denselben kleinen Tischen." Was einige Big Player dennoch nicht davon abhielt, ganze Hörspielstudios für sich zu mieten. Dennoch stand die Superbooth 16 im Zeichen des entspannten "Hands-on": Alles konnte ausprobiert und oft sogar mit den Entwicklern diskutiert werden. Und wer selbst den Lötkolben schwingen wollte, konnte im Workschop einen eigenen kleinen Krachmacher basteln.

Der auf den ersten Blick hohe Eintritt von 40 Euro für die Tageskarte (Dauer-Ticket 100 Euro) relativierte sich angesichts des Rahmenprogramms. Zahlreiche Workshops und Gesprächskonzerte begleiteten die Ausstellung, und Nachtschwärmer konnten bis in die frühen Morgenstunden dem Konzerten mit teils prominenter Besetzung wie etwa T. Raumschmiere folgen. Von der großen Resonanz waren Organisatoren, Aussteller wie auch Besucher gleichermaßen überrascht, sodass der einhellige Tenor lautete: "Nächstes Jahr machen wir das wieder."

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