Disruptive Zeiten bei Künstlicher Intelligenz

Neuere KI-Techniken wie Deep Learning sorgen seit einiger Zeit immer wieder für Aufsehen. Ryan Adams, Informatik-Professor und Gründer eines an Twitter verkauften Start-ups, erklärt, warum es plötzlich so schnell vorangeht.

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Von
  • Nanette Byrnes

Ryan Adams, Informatik-Professor in Harvard und Co-Moderator des Maschinenlernen-Podcasts Talking Machines, weiß, dass sein Timing perfekt war: Im vergangenen Sommer wurde sein Start-up Whetlab nur 15 Monate nach der Gründung von Twitter gekauft.

Mit der Whetlab-Technologie lassen sich einige der schwierigsten Aspekte beim Aufbau von großen Maschinenlern-Systemen automatisieren. Entwickelt wurde sie zur Unterstützung bei anspruchsvollen Aufgaben wie visueller Objekterkennung oder Sprachverarbeitung. Das Werkzeug wird von einigen Harvard-Forschern bereits eingesetzt, bei Anwendungen von biomedizinischen Robotern bis zu Chemie-Problemen. Auch Netflix nutzte eine frühe Open-Source-Version davon, um mit Deep Learning zu experimentieren.

An der Harvard University hat sich Adams inzwischen beurlauben lassen. Im Interview spricht er über das explodierende Interesse an Maschinenlernen.

Technology Review: Künstliche Intelligenz ist von einem Forschungsthema zum Werkzeug für Unternehmen geworden. Was steckt dahinter – neue Algorithmen, schnellere Computer, Massen an verfügbaren Daten?

Ryan Adams: Mindestens so sehr wie andere Faktoren haben die Investitionen in Künstliche Intelligenz einen großen Unterschied gemacht. Mittlerweile haben Technologieunternehmen Milliarden von Dollar in sie investiert, und das hat die Entwicklung beschleunigt.

Ihr Unternehmen zum Beispiel wurde von Twitter übernommen. Wie kann Maschinenlernen Twitter besser machen? Können Sie ein Beispiel nennen?

Es gibt unermessliche Gelegenheiten, die Art und Weise zu verbessern, wie Twitter-Inhalte organisiert sind, wie man dort neue Informationen und interessante Communitys findet, und allgemein eine bessere Nutzererfahrung schaffen kann. Wie Sie sich vorstellen können, ist eine der Herausforderungen dabei, die von Nutzern in Form von Links eingestellten Informationen zu kombinieren und zu verstehen, wie diese Inhalte zu Inhalten auf Twitter selbst passen.

Wie sehr sind KI-Techniken wie Deep Learning noch ein Mysterium?

Derzeit befindet sich Deep Learning eindeutig noch in einer empirischen Phase. Wir wissen genau, dass wichtige Dinge passieren. Diese Deep-Learning-Systeme machen coole Sachen. Wir verstehen sie kaum, aber sie funktionieren.

Eine Definition von KI kann schwierig sein, und sogar die Frage, wie man sie richtig erkennen kann, ist umstritten...

Ein Teil der Herausforderung dabei ist die Notwendigkeit, das Konzept der Intelligenz zu vermenschlichen. Wir sprechen von "künstlicher" Intelligenz so, als wäre Intelligenz keine Eigenschaft der Welt. Flugzeuge werden nicht als künstliche Vögel bezeichnet, und sie fliegen auch nicht künstlich, sondern real.

Davon auszugehen, dass jede Intelligenz außer menschlicher künstlich ist, ist eine sehr anthropozentrische Sichtweise. Und ich glaube, es ist sehr schwierig, eine nicht anthropozentrische Definition von Intelligenz zu finden. Ich habe jedenfalls keine.

Wenn man 50 oder 60 Jahre zurückgehen könnte und einem frühen KI-Denker erklären würde, dass er jederzeit ein Gerät mit sich herumtragen wird, das im Grunde alle Fragen über eine riesige Bandbreite an Themen beantworten kann, seine Stimme versteht und jeden Ort der Welt zeigen und den Weg dorthin erklären kann, würde diese Person sicher sagen "Ja, das ist KI"; dabei hätte man nur abstrakt beschrieben, was ein Smartphone mit Hilfe von Google, Karten-Diensten und Siri alles kann. Doch was wir von unseren Werkzeugen erwarten, verändert sich mit der Zeit sehr.

Bislang sind Unternehmen bemerkenswert offen mit ihren Erkenntnissen über KI. Sie veröffentlichen freie Software, lassen Mitarbeiter Forschungsaufsätze publizieren und auf Konferenzen sprechen und mehr. Wie lang, glauben Sie, wird das so bleiben?

Den Code zu öffnen, ist gut, um der Community etwas zurückzugeben. Es hilft dabei, die besten Talente für Maschinenlernen zu sich zu locken, und ermöglicht Unternehmen, von den Verbesserungen an ihren Werkzeugen zu profitieren, die aus der gesamten Community kommen.

Warum glauben diese Unternehmen nicht, sie würden Haus und Hof verschenken, wenn sie ihren Code und ihre Ideen freigeben? Weil andere Unternehmen nicht die Rechenleistung von Google oder Twitter und nicht die Massen an Daten haben. Also kann man die Ideen bekommen und den Code bekommen. Aber was soll man damit anfangen, wenn man die nötigen Daten und die Rechenkraft nicht hat?

(sma)