Post aus Japan: Zahlen per Fingerabdruck

In Nippon wird in ersten Feldversuchen getestet, ausländische Touristen bargeldlos nur per Fingerabdruck zahlen zu lassen. Wird dies ein Vorbild für andere Länder?

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 2 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Martin Kölling

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus – und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends.

Bei Ausweispapieren hat Biometrie schon lange Einzug gehalten. Nun geht Japan einen Schritt weiter und will ausländischen Touristen bargeldloses Bezahlen mit dem Fingerabdruck erlauben. Im Sommer soll ein erster Test in einer Tourismusregion in der Nähe Tokios starten. Bis zur Tokioter Olympiade 2020 könnte das System dann landesweit ausgerollt werden.

Die Idee ist, dass Touristen am Flughafen oder anderen Anlaufstellen ihre Fingerabdrücke mitsamt Kreditkartennummer und anderen persönlichen Infos hinterlassen können. Danach brauchen die Reisenden in Geschäften oder Hotels nur noch zwei Finger auf Lesegeräte zu legen – und *ping* wird die Kreditkarte belastet.

Auch die Registrierung in Hotels würde damit vereinfacht. Bisher müssen sich Ausländer an der Rezeption ausweisen. Zukünftig könnte dann der Pass in der Tasche bleiben. Das ist sehr praktisch.

Für die Japaner wäre sogar ein zusätzlicher Gewinn drin: Big Brother, äh, sorry, Big Data. Denn sie können die anonymisierten Daten nutzen, um Erkenntnisse über Reiseströme und das Kaufverhalten der Touristen zu erhalten. Die Informationen könnten wiederum zur Verfeinerung der Tourismuspolitik genutzt werden.

Eine große Frage ist für die Japaner jedoch, ob die Ausländer bereit sein werden, ihre Fingerabdrücke abzugeben. Ich habe auch meine Zweifel, ob ich das so gerne machen würde. Auf der anderen Seite: Sind wir es seit der Einführung biometrischer Pässe nicht bereits gewöhnt, mehr als nur unsere Unterschrift als Identifikationsmerkmal an die Obrigkeit abzutreten?

Als Tourist – oder auch in Japan lebender Ausländer trifft dies erst recht zu. Denn der japanische Staat nimmt bei jeder Einreise meine Fingerabdrücke ab und ein Porträt auf, um sicherer zu sein, dass das reale und das Pass-Ich übereinstimmen. Da macht eine weitere Abgabe von Fingerabdrücken vielen Menschen vielleicht auch nichts mehr aus.

Mir wäre es allerdings lieber, dass die Japaner nicht die Fingerabdrücke, sondern Handvenen zur kontaktlosen Identifizierung nutzen würden. Denn Finger kann man abhacken oder Fingerabdrücke und sogar Finger nachmachen. Wegen der großen Nachfrage nach Ersatzfingern (abgeschnittene Finger von Mitgliedern der Yakuza-Banden) sind Japaner Meister darin, künstliche Silikonfinger herzustellen – sogar mit Fingerabdrücken.

Handvenen hingegen lassen sich nicht so einfach fälschen, da sie von Blut durchflossen sein wollen. Technisch sind die Lesegeräte auch schon sehr ausgereift und inszwischen sogar miniaturisiert. Waren die ersten Geräte, die von meiner Bank an Bankautomaten eingesetzt werden, noch recht groß, sind inzwischen beispielsweise die Leser so klein, dass sie sogar in Notebooks passen oder sich als kleine Einheit per USB an mobile Geräte anschließen lassen.

Grundsätzlich bleibe ich aber dabei: Bargeld ist mir immer noch am liebsten. Es kann mir zwar gestohlen werden. Aber elektronisches Geld kann mir gestohlen bleiben. Denn es macht mich gänzlich zum gläsernen Konsumenten. ()