Atomkommission schlägt "Neuen Entsorgungskonsens" vor

Spätestens 2022 soll der letzte Atommeiler vom Netz – das strahlende Erbe wird aber noch Jahrzehnte Riesensummen verschlingen. Einen Teil der angesammelten Konzern-Milliarden will sich der Staat sichern und so die Steuerzahler schonen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 71 Kommentare lesen
Atomkommission schlägt "Neuen Entsorgungskonsens" vor

(Bild: BGR Hannover)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • dpa
Inhaltsverzeichnis

Der Atomausstieg soll für die Steuerzahler zu keinem unkalkulierbaren Milliarden-Risiko werden und zugleich die angeschlagenen Stromkonzerne nicht erdrosseln. Das geht aus dem Entwurf der Regierungskommission für einen "Neuen Entsorgungskonsens" hervor, den der Staat mit den Atomkonzernen schließen soll. "Dieser Konsens stellt einen Gewinn von Sicherheit für die Unternehmen und die Gesellschaft dar", heißt es in dem Papier, das der dpa vorlag.

Die 19-köpfige Expertenkommission schlägt vor, dass die Unternehmen die Stilllegung und den Rückbau der Atommeiler übernehmen bei unbegrenzter Nachhaftung. Der Staat übernehme die End- und Zwischenlagerung und lege einen von den Konzernen finanzierten Fonds auf. Über die zu überweisende Summe wird wegen strittiger Risikoaufschläge aber bis zuletzt gefeilscht.

Am kommenden Montagabend wollen sich die drei Kommissionschefs, Jürgen Trittin (Grüne), Ole von Beust (CDU) und Matthias Platzeck (SPD), mit den Spitzen der vier Energiekonzerne treffen. Ob eine Einigung gelingt, gilt als offen. Am Mittwoch will die Regierungskommission über den Ausgang der Verhandlungen berichten. Sie soll vorschlagen, wie die Rückstellungen der Konzerne von inzwischen gut 40 Milliarden Euro langfristig gesichert werden können.

"Mit einem neuen Entsorgungskonsens besteht die Chance, endgültig den Streit über die Nutzung der Kernenergie zu beenden", heißt es in dem Entwurf. "Die Kommission erwartet von Betreibern, dass die damit im Zusammenhang stehenden Klagen fallen gelassen werden", wird betont: "Die von den Betreibern angestrebte Neuaufstellung ihrer Unternehmen wird durch einen anhaltenden Rechtsstreit über die Atomenergie eher verhindert als befördert."

Ziel ist es, mit einer Abkopplung der Konzern-Milliarden für Zwischen- und Endlagerung Finanzmittel zu sichern, einen "Totalausfall" zu vermeiden und das Risiko für den Staat zu minimieren. Die Kommission schlägt dazu vor, dass von den Gesamtrückstellungen der Konzerne 19,7 Milliarden Euro (Ende 2014) die Unternehmen für Stilllegung und "unverzüglichen Rückbau" behalten. Auch für eIne "endlagergerechte" Verpackung des Atommülls sollen die Konzerne verantwortlich sein.

Dagegen sollen von Konzern-Rückstellungen 4,7 Milliarden Euro für die Zwischenlagerung sowie 12,4 Milliarden Euro (je Ende 2014) für die künftige Endlagerung an einen staatlichen Fonds überwiesen werden. Unterm Strich also etwa 17,2 Milliarden Euro. Da dieser "Entsorgungsfonds" auf Jahrzehnte angelegt ist, summiert sich der von den Konzernen überwiesene Betrag aber auf eine weit größere Summe.

Der vorgeschlagene Entsorgungsfonds ist eine Wette auf die Zukunft. Denn die Kosten für das Endlager werden voraussichtlich erst ab dem Jahr 2050 anfallen. Das Risiko für den Staat soll aber begrenzt werden – über den noch strittigen "risikogerechten Aufschlag". Die Rede war zuletzt von einem Aufschlag zwischen netto rund 6 Milliarden und 9 Milliarden Euro auf die 17,2 Milliarden Euro. Diskutiert wird aber auch eine "zeitlich und in der Höhe begrenzte Nachhaftung". So sollen mögliche Kostensteigerungen abgedeckt werden. Der Staat werde die übernommenen Rückstellungen sicher und niedrig verzinst anlegen.

Die Kommission schlägt vor, dass die Konzernmittel "in geldlicher Form bis 2022" in den Fonds eingezahlt werden. Der Fonds könnte als Sondervermögen des Bundes oder als öffentlich-rechtliche Stiftung errichtet werden. Die Kommission empfiehlt einen "schlank ausgestalteten" öffentlich-rechtlichen Fonds, der seine Kosten selbst erwirtschaften müsste: "Ein solcher Fonds wäre vor allem gegenüber sachfremden Begehrlichkeiten und Eingriffen besser geschützt als ein Sondervermögen."

Drei AKW sind noch in Deutschland in Betrieb (7 Bilder)

Seit März 1984 ist Block C des AKW im bayerischen Gundremmingen in Betrieb. Block A war von 1967 bis 1977 in Betrieb. Der 1984 ans Netz gegangene Block B wurde am 31. Dezember 2017 abgeschaltet, Block C – ebenfalls 1984 in Betrieb genommen – folgte Ende 2021. (Bild: kkw-gundremmingen.de)

(anw)