EU-Kommission startet Befragung zur Software-Patenten

Die EU-Kommission hat eine Sondierung eingeleitet, um die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Patentierbarkeit von Software zu eruieren.

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Von
  • Christian Rabanus

Die Europäische Kommission hat eine Sondierung zur Patentierbarkeit von Computerprogrammen, so genannten "computer-implementierten Erfindungen", eingeleitet. Hintergrund ist die Befürchtung der EU, dass das Fehlen von EU-einheitlichen Rechtsvorschriften auf diesem Gebiet das Wirtschaftswachstum, die Wettbewerbsfähigkeit und die Binnenmarktentwicklung hemmen könnte. Die Kommission hat betroffene Institutionen und Unternehmen, die Öffentlichkeit und die Mitgliedstaaten aufgefordert, sich bis 15. Dezember 2000 zu einem Sondierungspapier der Kommissionsdienststellen zu äußern. Die Kommission will dann ihre endgültige Position zu der Frage der Patentierbarkeit von Software Anfang 2001 festlegen.

Nach geltendem Recht sind Computerprogramme "als solche" gemäß dem Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) (Artikel 52, Absätze 2 und 3) nicht patentierbar. Allerdings haben die nationalen Patenämter und das Europäische Patentamt (EPA) viele Patente für technische Erfindungen erteilt, bei denen ein Computerprogramm verwendet wird.

Über die Patentierbarkeit von Software ist in letzter Zeit intensiv diskutiert worden. Vor allem große Unternehmen sind der Auffassung, dass Patente auf diesem Gebiet die Innovation fördern könnten, da sie einen angemessenen Schutz für die Investitionen bieten, die die Entwicklung von Software erfordert. Auch das EPA befürwortet die Patentierbarkeit von Computerprogrammen. Aus der mittelständischen Wirtschaft und der Open-Source-Gemeinde kommt dagegen immer wieder Kritik. Aus dieser Ecke wird argumentiert, dass Patente den fairen Wettbewerb untergraben und Innovationen verhindern. Die Sondierung, die unter der Ägide der Generaldirektion Binnenmarkt läuft, soll der Kommission helfen, den besten Lösungsansatz in dieser Frage zu ermitteln und den goldenen Mittelweg zwischen Innovationsförderung und Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs zu finden.

Zur Entscheidung dieser Frage hat die Generaldirektion Binnenmarkt eine Studie erstellen lassen, die die Auswirkung der Patentierbarkeit von Software auf die wirtschaftliche Entwicklung untersuchen sollte. Nach der Interpretation der Kommission legt die Studie eine "Harmonisierung und klarere Fassung der europäischen Patentgesetze, ausgehend vom Status quo", nahe. Das heißt: "Wer Schritte zur Ausweitung des Patentschutzes in der Softwarebranche unternimmt, kann nicht für sich in Anspruch nehmen, dass er sich dabei auf fundierte wirtschaftliche Daten stützt".

Parallel zur Vorbereitung einer Rechtsetzungsinitiative der Europäischen Gemeinschaft wird gegenwärtig an einer Änderung des EPÜ gearbeitet. Im November 2000 wird in München eine Regierungskonferenz stattfinden, auf der auch darüber zu entscheiden sein wird, ob Computerprogramme von der Liste der nach dem EPÜ nicht patentfähigen Sachen zu streichen sind. Eine Mehrzahl der Vertragsstaaten des Übereinkommens (Vertragsstaaten sind alle EU-Mitgliedstaaten sowie Zypern, Liechtenstein, Monaco und die Schweiz) scheint bereit, eine solche Maßnahme zu unterstützen. Eine Reihe von EU-Mitgliedstaaten haben jedoch signalisiert, dass sie eine Initiative der Kommission auf diesem Gebiet einer Änderung der EPÜ vorziehen würden.

Auch die Kommission hält nach eigenen Aussagen eine solche Initiative für unerlässlich, um zu verhindern, dass nationale Gerichte und Patentämter eine Praxis entwickeln, die die Erteilung nicht wünschenswerter Patente ermöglicht. Die Kommission ist davon überzeugt, dass es nur durch eine EU-weite Rechtsetzung möglich werde, die Patentierbarkeit von Computerprogrammen in Europa auf das richtige Maß zu beschränken. (chr)