Modem-Standard V.92 im Dornröschenschlaf
Noch im Sommer letzten Jahres wurde eine verbesserte Modem-Spezifikation verabschiedet, unter anderem für höhere Geschwindigkeiten, doch Produkte lassen auf sich warten.
Das Normungsinstitut International Telecommunication Union (ITU) hat zwar noch im Sommer letzten Jahres mit V.92 eine verbesserte Modem-Spezifikation verabschiedet – unter anderem für höhere Geschwindigkeiten auf analogen Telefonleitungen –, doch anders als bei bisherigen Neuauflagen von Spezifikationen für Analogmodems ist V.92 noch kein Standard, sondern lediglich Papiertiger. Es gibt schlicht noch keine V.92-Geräte zu kaufen.
Der Aachener Modem-Hersteller Elsa beteuert zwar, eigentlich für V.92 gerüstet zu sein, doch da das neue Verfahren bei Internet-Providern kaum auf Gegenliebe stoße, könne man dem Kunden keine Geräte mit neuen Funktionen zumuten, die er gar nicht nutzen könne. Immerhin habe man Geräte für V.92 vorbereitet, und Treiber sollen bei Verfügbarkeit des Dienstes auf dem Web-Server des Unternehmens angeboten werden. Wann damit zu rechnen sei, konnte Firmensprecher Peter Eggers nicht beantworten.
Der wieder auferstandene Modem-Hersteller US Robotics, bis Mitte letzten Jahres für einige Zeit ein Teil des Kommunikationsriesen 3Com, will V.92-Geräte ab April dieses Jahres anbieten. Eine plausible Erklärung für die Wartezeit dürfte darin liegen, dass das Unternehmen praktisch erst seit Dezember letzten Jahres handlungsfähig ist, davor waren wegen der Ausgliederung aus dem 3Com-Verbund wohl keine Entwicklungssprünge zu machen. Immerhin sollen aber die aktuellen, derzeit im Handel angebotenen Geräte allesamt per Flash-Upgrade auf V.92 aufgerüstet werden können.
Arne Pelzer, Vertriebsleiter bei US Robotics, meint, dass die Service-Provider ISDN favorisieren. Nach seinem Eindruck habe die ITU die V.92-Rechnung ohne den Wirt – die Internet-Provider – gemacht. Diese reagierten auf die notwendige Umrüstung ihrer Einwahlrouter eher ablehnend, meint Pelzer. In den letzten jahren wurden die Einwahlpunkte der Provider von V.34 auf V.90 aufgerüstet, um das Maximum der Empfangsgeschwindigkeit von 33,6 kBit/s auf 56 kBit/s zu erhöhen. Pelzer schätzt die Lage aber noch zuversichtlich ein: Wenn einer der Großen mit V.92 anfänge, würden die anderen wohl nachziehen.
V.92 sieht vor, die maximale Datenrate von Surfer in Richtung Provider auf bis zu 48 kBit/s – von Provider in Richtung Sufer bleibt es bei 56 kBit/s. Außerdem soll der Verbindungsaufbau beschleunigt werden. Zudem enthält der Standard die Möglichkeit, das Modem "on hold" zu setzen, wenn ein eingehender Anruf signalisiert wird, sodass man ein Telefonat führen kann und anschließend ohne neuen Verbindungsaufbau weiter surfen kann.
Ein weiteres Protokoll, V.59, soll Störungen zwischen den Modems minimieren und damit für einen möglichst hohen Datendurchsatz sorgen. Weitere Steigerungen der Übertragungsrate möchte die ITU durch das neue Kompressionsverfahren V.44 erreichen: Die von der amerikanischen Hughes Network Systems entwickelte LZJH-Kompression soll die Daten um bis zu 25 Prozent besser komprimieren als das derzeitige V.42bis-Verfahren. Die ITU verspricht sich vom Einsatz all dieser Techniken Download-Raten von bis zu 300 kBit/s. (dz)