Linus Torvalds: "Was Anwender tun, ist niemals falsch."

In einem Interview mit c't geht Linus Torvalds, "Erfinder" von Linux, auf die technische Entwicklung, die Geschichte und die Zukunft des Open-Source-Systems ein.

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Von
  • JĂĽrgen Kuri

In einem Interview mit c't beschreibt Linus Torvalds, "Erfinder" des Open-Source-Systems Linux, die Entwicklung, die zum heutigen Stand des Systems geführt hat und seine weitere Rolle in der Entwicklung. Auch auf die Schwierigkeiten und Verzögerungen beim neuen Kernel 2.4 geht Torvalds im Detail ein. Die Zukunft des Systems sieht Torvalds durch die große Entwicklergemeinde gesichert: "In Wirklichkeit ist Linux ja nicht eine einzige Person."

Angesprochen auf die Bereiche, in denen die interessantesten technischen Entwicklungen für Linux geschehen, meinte Torvalds, bei den meisten Dingen drehe es sich dabei gar nicht um den Kernel: "Natürlich gibt es da spannende Entwicklungen, beispielsweise die Skalierbarkeit – das war technisch extrem interessant. Aber die wirklich faszinierenden Dinge machen andere Leute. Die ganze Aufregung um DVD war sehr interessant, wenn auch vielleicht etwas entmutigend. Und dann natürlich der Desktop und Dinge, die für Unix eigentlich ganz ungewöhnlich sind. Wenn ich beispielsweise Fernsehen gucke, tue ich das mit einem Linux-Rechner, dessen Festplatte als Videorecorder dient. Wenn man so ein Gerät mal benutzt hat, will man nie wieder einen klassischen Videorecorder anfassen. Ich benutze solche Geräte nur noch für Filme, die es nicht auf DVD gibt."

Auch bei mobilen Geräte und drahtlosen Verbindungen sieht Torvalds entscheidende Entwicklungen auf die Branche und Linux zukommen: "Ich habe beispielsweise ein großartiges Handy, einen Laptop und einen Palm. Wenn ich unterwegs bin, benutze ich meinen Laptop, um E-Mail zu lesen; und dann will ich das Handy als Modem einsetzen. Aber das geht nicht; diese Art Kommunikation funktioniert einfach noch nicht. Ich denke, in fünf Jahren werden alle diese Geräte miteinander kommunizieren können. Interessant ist dabei weniger die Technik, sondern die Umsetzung in Anwendungen."

In der letzten Zeit gab es zwar einige Diskussionen um die Kernel-Entwicklung und unterschiedliche Versionen in einzelnen Distributionen, die verschiedene Features (etwa LVM und ReiserFS) mitliefern, obwohl sie noch nicht in den "offiziellen" Kernel aufgenommen wurden. Torvalds kann darin aber kein Problem entdecken, etwa für die Einheitlichkeit von Linux: "Vor allem im letzten Jahr sind neue Gruppen von Anwendern hinzugekommen. [...] Was Anwender tun, ist niemals falsch. Ich kann den Linux-Usern doch nicht vorschreiben, was sie zu tun haben. Meine Ansicht war immer: Was immer die Leute tun wollen, es ist in Ordnung. Ich kann nur Entscheidungen treffen, wie die Architektur aussehen soll, die das ermöglicht, oder Hinweise geben, wie man dasselbe Ergebnis mit einem anderen Ansatz erzielen kann."

Eher amüsiert steht Linus Torvalds all den heftigen Debatten um das "richtige" Betriebssystem gegenüber. Bei Diskussionen um ihre technischen Ideen würden die Leute sehr hitzig und unangenehm, dies sei aber nicht allein typisch für die Open-Source-Gemeinde: "Mac-User sind da sehr ähnlich. Das Internet macht es leicht, einfach drauflos zu reden, und dann kommt es schnell zu Flame Wars. Man kennt die Leute nicht, mit denen man streitet, und dann übertreibt man es leicht. Das ist definitiv nicht nur bei Linux so – wenn man sich all die 'Advocacy Groups' da draußen ansieht... es ist amüsant. Die Auseinandersetzungen zwischen Linux- und FreeBSD-Fans zum Beispiel sind noch viel heftiger, weil sich diese Gruppen gut kennen und wissen, wo es wehtut." Torvalds sieht solche Auseinandersetzungen gelassen: "Die Leute streiten sich einfach gerne. Es ist ein sozialer Wettbewerb, man zeigt so seine Überlegenheit anderen gegenüber. Viele dieser grundlegenden Debatten sind inzwischen völlig vorbei, etwa die Auseinandersetzung um vi versus Emacs."

Das vollständige Interview veröffentlicht c't in Ausgabe 22/2000 (ab dem 23. Oktober im Handel) und online auf der c't-Webseite. (jk)