NSA-Ausschuss und Drohnenkrieg: Verfassungsschutz versorgt US-Partner mit Handynummern

Zwei führende Beamte des Bundesamts für Verfassungsschutz haben verteidigt, dass die Behörde Mobilfunkdaten an US-Geheimdienste weiterleitet. Ein "mono-kausaler" Bezug zu gezielten Tötungen lasse sich nicht herstellen.

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Bundesamt für Verfassungsschutz

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(Bild: BfV)

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Ein unter dem Tarnnamen "Folker Berfuß" eingeführter Gruppenleiter im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat am Donnerstag im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags eingeräumt, dass der Geheimdienst Informationen an US-Partner übermittelt habe, die diese theoretisch im Drohnenkrieg verwenden könnten. Der Zeuge gab zu: "Es kommt vor, dass Handynummern weitergegeben werden."

Die von einem früheren US-Militär vor dem Gremium geschilderte Praxis, dass Drohnen mit Imsi-Catchern aufgerüstet und so mit Kennungen von Mobiltelefonen Zielpersonen orten können, war Berfuß nach eigenen Angaben "zum damaligen Zeitpunkt nicht bekannt", als er noch ein Referat in der für Ermittlungen gegen Islamisten zuständigen Abteilung 6 geleitet habe.

Auch von der Möglichkeit, per Triangulation Handynutzer zu lokalisieren, habe er damals noch nichts gehört gehabt. Der Fall des deutschen Staatsbürgers Bünyamin E., der im Oktober 2010 als radikalislamischer Kämpfer einer US-Drohne zum Opfer fiel, sei ihm nur vom Hörensagen bekannt.

Seiner Auffassung nach habe das BfV gar keine "geolokalisierbaren Daten" besessen, konstatierte Berfuß. Darunter fasste er aber nur "GPS-Daten". Berfuß versicherte, weitergegebene "Schreiben" in Form "eingescannter Stück Papiere" würden mit einem "sogenannten Disclaimer" versehen, dass die enthaltenen Informationen "nur für nachrichtendienstliche Zwecke genutzt werden dürfen".

Details wollte Berfuß öffentlich nicht darlegen, da die "Dienstvorschrift Ausland" als geheim eingestuft sei. Er habe keine Hinweise darauf, dass es sich bei dem Sperrvermerk um reine Dekoration handle, da sonst "viel Vertrauen weg" wäre. Überprüft werde die weitere Handhabe der transferierten Informationen aber nicht.

Der Obmann der Grünen, Konstantin von Notz, wollte wissen, ob die CIA die übermittelten Informationen nicht auch für völkerrechtswidrige Drohnenoperationen einsetzen dürfe, da diese dann ja vermutlich auch "nachrichtendienstlich" seien. Der Zeuge konnte die Frage nicht beantworten. Torsten Akmann vom Bundesinnenministerium meinte, dass der Abgeordnete da "die CIA fragen" müsse: "Drohnentötungen wissen wir nicht positiv." Diese seien für ihn auch nur aus den Medien ersichtlich. Bei nachrichtendienstlichen Operationen gehe es aber allein darum, Informationen zu gewinnen und zu analysieren.

Bei den zunächst per Post verschickten Daten habe es sich nicht um Informationen gehandelt, die das BfV mit seinem laufenden Probebetrieb der umstrittenen NSA-Software XKeyscore gewonnen habe, erklärte der Terrorismusbekämpfer. Überraschend gab Berfuß auch zu Protokoll, dass die Staatsschützer zumindest bis Herbst 2014 überhaupt keine mit XKeyscore herausgefundenen Erkenntnisse an die NSA oder andere US-Geheimdienste transferiert hätten. Die Leiterin der XKeyscore-Projektgruppe beim BfV hatte zuvor ausgesagt, dass man inzwischen alle Vermerke auf Grundlage der gesetzlichen Regelungen mit der US-Seite teile.

Das Werkzeug selbst sei dem BfV bei einem Treffen mit dem damaligen NSA-Chef Keith Alexander im Januar 2011 angeboten worden, rekapitulierte Berfuß. Danach sei umfangreich überlegt worden, ob man die Software nutzen sollte. Herausgekommen sei die "dreiseitige Kooperation" einschließlich des BND.

Der Leiter der Abteilung 6 im BfV, Klaus Rogner, unterstrich im Anschluss, dass XKeyscore "für uns keine Wunderwaffe" oder "Allheilmittel", aber hilfreich beim Überwachen sozialer Medien sei. Die NSA habe die Software wohl nicht aus reiner Nächstenliebe dem Verfassungsschutz überlassen, aber gemäß dem Motto: "Jeder einzelne Mosaikstein ist hilfreich im globalen Terrorkampf". Dass an die USA weitergegebene Handydaten "ursächlich für gezielte Tötungen" gewesen sein könnten, wies der 50-Jährige ausdrücklich zurück.

Von einer Diskussion im BfV über den Fall Bünyamin E. oder vergleichbare Drohnenschläge wollte Rogner nichts gehört haben. Der Grüne Hans-Christian Ströbele bezweifelte dies und mahnte den Abteilungsleiter: "Gehen Sie in sich." Ihm sei berichtet worden, dass es bei den Staatsschützern durchaus ein Thema gewesen sei, "ob man sich mit der Nummernweitergabe der Beteiligung an Mord schuldig macht". Der Linke André Hahn bohrte weiter: "Aber wir wissen, dass Daten zu Personen übermittelt wurden, die jetzt tot sind." Rogner konnte hier trotzdem "keinen unmittelbaren Zusammenhang" sehen und bekräftigte, dass das BfV seine Praxis nicht geändert habe.

[Update 29.04.2016 – 14:15 Uhr] Im Zusammenhang mit den Fragen über die weitergegebenen Handydaten als Grundlage für gezielte Tötungen der USA, wurde im Ausschuss auch auf den c't-Artikel verwiesen, der das NSA-Programm Skynet erläutert. Er fand nach Angaben von Beobachtern nicht nur Interesse bei den Fragenden, sondern auch dem Leiter der Regierungsdelegation.

Lesen Sie den gesamten Artikel bei c't:

  • Skynet: Data Mining für den Drohnenkrieg

(kbe)