Printed Electronics Europe: Gedruckte Elektronik für Medizin, Sport und Umwelt

Smarte Kleidung, optimal angepasste Schuhe, schnüffelnde Technik für unterwegs: Elektronik zum Drucken auf flexible Träger mausert sich vom Forschungsobjekt zum Massenprodukt.

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Gedruckte Elektronik für Medizin, Sport und Umwelt
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Inhaltsverzeichnis

Der Medizinbereich zählt zu den bevorzugten Einsatzgebieten für gedruckte Elektronik. Das zeigte sich auch auf der von IDTEchEx organisierten Printed Electronics Europe in Berlin. So gelten Glukose-Sensoren auf Einweg-Teststreifen zur Blutzuckerermittlung dank ihrer sehr simplen Struktur derzeit als wichtiges Einsatzgebiet für gedruckte Elektronik – der globale Markt für solche Sensoren beläuft sich auf etwa 6 Milliarden US-Dollar.

Die Plastik-Elektronik eignet sich auch für körpernahe Sensoren. Diese werden meist im Tintendruckverfahren auf einen flexiblen Träger aufgebracht und reißen auch beim Dehnen nicht. Das Fraunhofer ISC zeigte beispielsweise, wie sich ganze Sensorenmatten für die Druck-Erfassung nutzen lassen. Nächster logischer Schritt ist das Einweben der Elektronik in Kleidung.

Diskutiert wird noch, ob es überhaupt nötig ist, sämtliche Elektronik auf dehnbare Minidicke zu schrumpfen. Alternativ könnte es genügen, nur die Trägerstoffe nebst Zuleitungen dehnbar zu machen und die Schaltungen als diskrete Bauteile darauf aufzusetzen. Besonders bei großflächigen Anwendungen fallen die kleinen Bauteile nicht ins Gewicht, ist sich beispielsweise Dr. Peter Harrop, Chairman des Kongressveranstalters IDTechEx, sicher.

Ein Problem der smarten Kleidung: Wenn die Hersteller von "waschbar" sprechen, meinen sie häufig nur, dass die Kleidung Wasserkontakt standhält. Mehr als 1000 Waschgänge bei moderaten Temperaturen versprechen sie indes kaum. Dennoch sei der Bereich "Electronic Fabrics" für Investoren in den vergangenen Jahren hochinteressant gewesen, berichtete Harrop.

In der Ausstellung konnte man einige Beispiele smarter Kleidung bewundern. Etwa bei Novacentrix: Der Hersteller von Maschinen für die Aushärtung gedruckter Elektronik zeigte am Stand ein T-Shirt von Eurecat zum Spielen von "Simon says…" – hierzulande bekannt unter "Ich packe meine Koffer und nehme mit …". Kleine LEDs in dem mit Sensorflächen bedruckten T-Shirt ermöglichen das Merkspiel am T-Shirt. Novacentrix liefert die leitende Tinte zum Aufdrucken der Leiterbahnen und Sensorflächen.

Auf die Vorteile gedruckter Sensoren für Anwendungen in Medizin und Sport ebenso wie in der Robotik setzt das israelische Start-Up FeeIT. Die von einer Doktorandengruppe an der Uni Haifa gegründete Firma nutzt für ihre dehn- und druckbaren Sensoren den piezzoresistiven Effekt: Die Elektronenbeweglichkeit im leitfähigen Grid ändert sich, wenn es gedehnt respektive gedrückt wird. Die Auflösung der FeelIT-Sensoren liegt unter 1 Millimeter, sie können Druck von wenigen Milligramm bis einigen Kilogramm erfassen und eignen sich dank ihres geringen Energiebedarfs auch für mobile Anwendungen, erklärte FeelIT. Am Stand zeigte das Unternehmen eine Roboterhand, die dank eingeflochtener Sensorpads nicht nur greifen, sondern auch fühlen kann.

Printed Electronics Europe (14 Bilder)

Der Flitzer Nuna 7S hat bereits ganz Australien durchquert. Die Li-Ionen-Akkus in solchen Solarfahrzeugen leiden bei vermeintlich optimalen Bedingungen (Sonne) unter der Hitze.
(Bild: Ulrike Kuhlmann, heise online)

Zwar bewegt sich immer noch vieles auf Forschungs- und Entwicklungsniveau, doch es gibt bereits diverse Unternehmen, die die Drucktechnik für Sensoren, Aktuatoren oder hybride Systeme zur Massentauglichkeit gebracht haben. Und es entstehen erste Produktionslinien für gedruckte organische Elektronik, etwa bei Isorg. Das französische Unternehmen hat zudem gemeinsam mit FlexEnable den ersten Fingerabdrucksensor auf Plastiksubstrat entwickelt. Mit ihm können biometrische Daten – neben dem Fingerabdruck auch den Verlauf der Blutgefäße in den Fingerkuppen – auf einer 8,6 cm × 8,6 cm großen aktiven Fläche mit über einer Millionen Pixel Auflösung erfasst werden.

Kooperationspartner FlexEnable aus Cambridge ist Spezialist für die Entwicklung von organischen Transistoren (OTFT) und unter anderem für die Backplane in den ePaper-Displays der Dresdner Firma PlasticLogic verantwortlich. In der Ausstellung zum zweitägigen IDTechEX-Kongress präsentierte FlexEnable ein zum Armband gebogenes LCD. Das transmissive Display mit 4,7 Zoll Diagonale hat eine Pixeldichte von 130 dpi. Das LCD selbst ist nur 0,3 Millimeter dünn, mit Backlight sind es gerade mal 1,35 Millimeter. Die Elektronenbeweglichkeit der organischen Backplane sei höher als bei TFTs aus amorphem Silizium, erklärte das Unternehmen.

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PragmatIC erreicht mit seiner druckbaren Elektronik nach eigenen Angaben noch deutlich kleinere Strukturen. Das ebenfalls im englischen Cambridge beheimatete Unternehmen zeigte heise online beispielhaft ein bedrucktes Stückchen Plastik, auf dem sich 300.000 TFTs versammeln – es handele sich um einen Cortex-M-Prozessor. PragmatIC nutzt IGZO-Technik für seine Transistoren und druckt sie auf einen dünnen Plastikwafer. Aus diesem werden die Chips mit einem Lasercutter herausgetrennt und auf eine Rolle für die Pick&Place-Bestückung transferiert. Die Chips seien im Vergleich zur herkömmlichen Siliziumelektronik zwar noch arg groß, räumte PragmatIC gegenüber heise online ein, aber viel temperaturstabiler als organische Schaltungen.

Einem ganz anderen Einsatzzweck dienen die Exponate von Agil: Das Start-up aus Santa Clara will Scheiben auf Knopfdruck einfärben. Solche smarten Gläser gibt es zwar schon, etwa aus bistabilen LCDs oder SPD-Material (Suspended Partikel Devices), wie es beispielsweise Daimler für seine Dachfenster im Auto nutzt. Allerdings benötige der electrochrome Film von Agil viel geringere Spannungen als LCD oder SPD. So genügten maximal 1,2 Volt, um den Film und damit die Glasscheibe einzufärben; der Energiebedarf sei mit etwa 100 Milliwatt pro Quadratmeter entsprechend gering.

Die nur etwa 300 Mikrometer dünne electrochrome Schicht wird zwischen zwei Gläser gepackt oder auf Plastik laminiert und dann auf die Scheibenoberfläche aufgebracht. Sie könne auch hohe Temperaturen aushalten, erklärte der Hersteller. Ihre Tönung ist einstellbar, zur Ansteuerung benötigt man je nach Scheibengröße an zwei Seiten oder umlaufend Elektroden. Der Umschaltvorgang, den Agil am Stand an einem Glas vorführte, dauerte nur wenige Sekunden.

Ein weiteres Einsatzgebiet von kompakten, sparsamen Sensoren liegt in der Erfassung von Umweltdaten – die Luftverschmutzung soll jederzeit und für jeden zugänglich angezeigt werden. Da die Belastung vor allem in großen Städten zunimmt, werden Systeme entwickelt, die in Bussen, an Haltestellen oder auch an Armbändern laufend über die Höhe der CO2-Belastung aufklären.

Gedruckte Sensoren auf dünnen flexiblen Trägern in Kombination mit Energy Harvesting, also der Gewinnung von Energy aus der unmittelbaren Umgebung, werden künftig eine große Rolle spielen, ist sich Peter Harrop sicher. Dabei werde beispielsweise Energie aus den vorhandenen Mobilfunknetzen genutzt. Eine Alternative stellte das Start-Up PiezoSkin vor, das mit piezoelektrischen Fähnchen, die im Fahrtwind von Autotunneln oder U-Bahn-Schächten wehen, kleine Energiemengen zum Betrieb kompakter Gassensoren erzeugen will. Hier ist zwar noch einige Entwicklungsarbeit bis zur Massentauglichkeit erforderlich. Interessant sind solche Ansätze gerade im Zusammenspiel mit gedruckter Elektronik aber allemal.

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(uk)