re:publica 2016: Greenpeace will Teile von TTIP-Papieren veröffentlichen

Greenpeace will Teile des Verhandlungstextes des umstrittenen Freihandelsabkommens TTIP ins Internet stellen. Zeitgleich wird die Umweltorganisation auf der re:publica eine Analyse der Dokumente präsentieren.

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TTIP, TISA, Freihandelsabkommen, Europa, USA

Melanie und Michael aus Thüringen während der TTIP-Demo in Hannover. Zehntausende waren gegen TTIP und CETA auf die Straße gegangen.

(Bild: Sascha Steinhoff)

Lesezeit: 4 Min.
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Greenpeace Niederlande wird am heutigen Montag umfangreiche Auszüge des bislang weitgehend geheimen Verhandlungstextes des transatlantischen Handelsabkommen TTIP veröffentlichen. Das kündigte die Organisation am Sonntag an. Aus Abschriften geheimer Verhandlungsdokumente, die der Süddeutschen Zeitung, WDR und NDR vorliegen, gehe hervor, so die SZ, dass die US-Regierung Europa bei den Verhandlungen deutlich stärker und weitreichender unter Druck setze als bisher bekannt.

Greenpeace hatte den Medien insgesamt knapp 250 Seiten zur Verfügung gestellt. Diese entsprächen etwa der Hälfte des gesamten Verhandlungstextes und zeigten die Version des Textes "vor der vergangene Woche abgeschlossenen 13. Verhandlungsrunde". Die Analyse der Dokumente werde Greenpeace um 11 Uhr auf einer Pressekonferenz im Rahmen der re:publica in Berlin präsentieren. Zeitgleich wird Greenpeace Niederlande die TTIP-Dokumente vollständig im Internet veröffentlichen.

Greenpeace kritisiert, dass Europa durch das Handelsabkommen deutlich schwächere Umweltstandards drohen. Das bislang in Europa geltende Vorsorgeprinzip, das Produkte nur erlaubt, wenn sie für Mensch und Umwelt nachweislich unschädlich sind, drohe durch das in den USA angewandte Risikoprinzip ersetzt zu werden. Dadurch dürften in Europa auch hoch umstrittene und bislang in vielen Ländern nicht zugelassene genmanipulierte Pflanzen und Lebensmittel so lange angebaut und konsumiert werden, bis ihre Schädlichkeit nachgewiesen sei.

"Was bislang aus diesen Geheimverhandlungen an die Öffentlichkeit drang, klang wie ein Albtraum. Jetzt wissen wir, daraus könnte sehr bald Realität werden", sagt Greenpeace-Handelsexperte Jürgen Knirsch. Mehrere mit den Verhandlungen vertraute Personen bestätigten den Medien, dass es sich bei den vorliegenden Dokumenten um aktuelle Papiere handelt. Greenpeace ist nach eigenen Angaben im Besitz der Originale.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung droht Washington damit, Exporterleichterungen für die europäische Autoindustrie zu blockieren, um im Gegenzug zu erreichen, dass die EU mehr US-Agrarprodukte abnimmt. Die Dokumente offenbaren den Angaben zufolge zudem, dass sich die USA dem dringenden europäischen Wunsch verweigern, die umstrittenen privaten Schiedsgerichte für Konzernklagen durch ein öffentliches Modell zu ersetzen. Sie haben stattdessen einen eigenen Vorschlag gemacht, der bisher unbekannt war.

Mit der Veröffentlichung der TTIP-Unterlagen würden die Bürger erstmals ungefiltert Einblick in die Verhandlungen zwischen USA und Europa erhalten, schreibt die Zeitung weiter. Seit Beginn der Gespräche vor knapp drei Jahren ist die Öffentlichkeit vor allem auf Vermutungen angewiesen, worüber beide Seiten wirklich reden. Auch deshalb wachse der Widerstand gegen TTIP. Während die EU ihre Vorschläge veröffentlicht, beharren die USA auf Geheimhaltung ihrer Positionen.

Die USA setzen auch auf gentechnisch veränderte Lebensmittel, die in Europa weitgehend verboten sind. "Es ist sehr interessant zu sehen, was die USA fordern", zitiert die Zeitung Klaus Müller, Vorstand des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, zu den Dokumenten. "Es bestätigen sich in den Texten bisher so ziemlich alle unsere Befürchtungen bezogen auf das, was die US-Amerikaner bei TTIP in Bezug auf den Lebensmittelmarkt erreichen wollen", sagte Müller.

US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatten bei ihrem Treffen in Hannover am Sonntag vergangener Woche zur Eile bei den TTIP-Verhandlungen gemahnt. Merkel betonte, das Freihandelsabkommen sei aus europäischer Perspektive sehr wichtig für das Wirtschaftswachstum in Europa. Obama brachte zwar seine Hoffnung zum Ausdruck, bis Anfang 2017 die Verhandlungen zu beenden. Er ging aber nicht von einer Ratifizierung des Abkommens aus. Das liege auch am US-Wahlkampf. Einen Tag vor dem Besuch Obamas hatten in Hannover Zehntausende gegen TTIP demonstriert.

Hannover: Impressionen von der TTIP Demonstration 2016 (20 Bilder)

Demonstration am Opernplatz

(Bild: Sascha Steinhoff)

TTIP Demo Hannover - So denken Demonstranten über die Pläne von Barack Obama und Angela Merkel (21 Bilder)

Katharine und Nele aus Hildesheim

"Uns stört die Intransparenz von TTIP und die geplante Heruntersetzung der Verbraucherstandards. Wenn sie nichts zu verheimlichen hätten, dann könnten sie es ja offen legen."
(Bild: Sascha Steinhoff)

(mit Material der dpa) / (kbe)