re:publica: Schlagabtausch zu Geoblocking

Bedeuten die Pläne der EU-Kommission zur Einschränkung des Geoblockings bei Videostreams eine Chance oder das unvermeidliche Ende des europäischen Films? Piraten-Abgeordnete Reda will das ungeliebte Blocking gar ganz abschaffen.

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re:publica: Schlagabtausch zu Geoblocking

Maximilian Strotmann (2.v.l) sieht in der Lockerung des Territorialprinzips eine Chance, Dan Maag (2.v.r) prophezeit jedoch das Ende der europäischen Filmindustrie.

(Bild: heise onlline / Torsten Kleinz)

Lesezeit: 4 Min.
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  • Torsten Kleinz
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"Wir wollen nichts kaputtmachen", beteuerte Maximilian Strotmann aus dem Büro des EU-Kommissars Andrus Ansip auf der re:publica in Berlin. Die Pläne des Politikers, das Geoblocking abzuschaffen, waren immer wieder zurechtgestutzt worden – derzeit werde nur noch debattiert, dass Nutzer Serien aus ihrem Heimatland für einen sehr beschränkten Zeitraum auch in einem Urlaubsland streamen dürften. Es werde debattiert, ob diese Portabilität für 14 Tage erlaubt sein sollte oder nur für 10 Tage.

Wie stark der Widerstand gegen die Änderung des Lizenzgeschäftes ist, demonstrierte Filmproduzent Dan Maag, der ab Sommer mit einer neuen Plattform den Lizenzverkauf für europäische Filme vereinfachen will. Für ihn ist eine Abkehr vom Territorialprinzip gleichbedeutend mit dem Ende jeglicher europäischer Filmproduktion, samt seiner sieben Millionen Arbeitsplätze. "Ist es das wert, nur damit ein Opa auf Mallorca seine Serien gucken kann?", polemisierte Maag.

Für Strotmann ist es ein Zeichen der Unvernunft, auf den Maximal-Positionen zu beharren So zeige der Erfolg von Piraterie-Seiten, dass es einen enormen Bedarf nach Filmen gebe, die auf legalem Wege nicht erhältlich seien. So habe er vergeblich nach einer Kaufoption für Filme von Jacques Tati gesucht und schließlich den Stream von einer spanischsprachigen Seite angesehen. "Ich hätte dafür zwei oder drei Euro bezahlt", erklärte Strotmann. Doch diese Option habe es nicht gegeben. Dass es hauptsächlich um unabhängige kleine Filmmacher gehe, bezweifelte der Vertreter der EU-Kommission: "Die am lautesten schreien, sind die ganz Großen", sagte er. Noch laufe die Anhörungsphase. Im September will die EU-Kommission ihre Pläne vorstellen.

Der Kernpunkt des Streits: Das derzeitige Distributionssystem für Filme und Fernsehinhalte ist auf Nationalstaaten fixiert. Die Befürchtung der Gegner einer Lockerung: Ohne zugesicherte Exklusivität in einem nationalen Markt würden die bisherigen Abnehmer keine Lizenzen mehr erwerben. Das hieße: Produzenten könnten einen Film nur noch ausschließlich an einen Abnehmer weltweit vermarkten.

Ob das Geoblocking der europäischen Filmwirtschaft hilft, ist umstritten. In vielen Verträgen wird es von den großen US-Studios vorgeschrieben – Brüssel ermittelt hier wegen möglicher Verletzungen des Wettbewerbsrechts.

Sebastian Kocks, Ressortleiter Medienrecht bei RTL Deutschland zeichnete ein gemischtes Bild. So verzichte RTL bei Eigenproduktionen meist auf Geoblocking. Dennoch sei die Nachfrage aus dem europäischen Ausland verschwindend gering. Insofern stehe der Konzern dem derzeit diskutierten Vorschlag der zeitlich eingeschränkten Portabilität offen gegenüber.

Eine komplette Abschaffung des Territorialprinzips sieht aber auch Kocks kritisch. So habe die von der Kritik hoch gelobte Serie "Deutschland 83" hierzulande vergleichweise wenige Zuschauer gehabt. Erst durch den Verkauf von Lizenzen ins Ausland habe sich die Produktion rentiert. Sollte diese Einnahmequelle wegfallen, hätten es deutsche Produktionen künftig wohl noch schwerer als heute schon. Zudem hätten kleine Anbieter das Nachsehen: Eine Mediengruppe wie RTL, die in zehn Ländern tätig ist, könne eine weltweite Lizenz besser verwerten als ein Regionalsender.

Die Europaabgeordnete der Piraten Julia Reda will in Kürze eine Kampagne für ein komplettes Ende des Geoblockings in die Welt setzen. Über Jahrzehnte hätten sich europäische Politiker bemüht, dass sich die Völker Europas besser verstehen. Durch das Aussperren von Internetnutzern aus bestimmten Ländern werde jedoch das Gegenteil erreicht. Zudem sorge das System für immer neue Auswüchse. So sei die Serie "Dr Who" auf Netflix für britische Kunden gesperrt worden, um die DVD-Verkäufe nicht zu gefährden.

Reda möchte das Territorialprinzip weitgehend aufheben und Lizenzkäufern lediglich auferlegen, Inhalte in anderen Märkten nicht gezielt zu bewerben. Unter endgeoblocking.eu will die Europapolitikerin Ende Mai eine Kampagne starten, um die Stimmen der Nutzer in den Entscheidungsprozess einzubringen. (anw)