Das Zonensystem in der Bildanalyse

Mit Bildbewertung zu besseren Fotos: Das Zonensystem dürfte vielen aus der analogen Schwarzweißfotografie bekannt sein. Man kann es auch erfolgreich zur Bildanalyse einsetzen und sich so fotografisch weiterentwickeln.

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Von
  • Thomas Brotzler
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Mit dem Instrument der Bildbewertung können Fotografen ihr Können weiter vorantreiben. Dazu starten sie mit einer Bildanalyse und gehen anschließend über zur Bildinterpretation. Bei der Analyse beschreibt man zunächst systematisch die Eigenschaften eines Bildes beziehungsweise Fotos. Komposition, Tonwerte, Farben, Struktur und Spannungsbögen stehen hierbei im Fokus. Die Bildinterpretation fügt alle Punkte der Bildanalyse zusammen. Im Ergebnis lässt sich dann feststellen, ob im Bild die Absichten oder Botschaften des Fotografen klar erkennbar sind und in wie weit er dafür die verwendeten Mittel überzeugend eingesetzt hat. Einen ausführlichen Beitrag zum Thema Bildbewertung finden Sie in der Ausgabe 3/2016 der c't Fotografie.

Ein Teilaspekt der Bildanalyse untersucht die Tonwerte eines Fotos. Hier geht darum, zu beschreiben, wie häufig Schatten, Mitten und Lichter im Bild vorkommen und wie sie sich verteilen. Eine gute Hilfestellung und Veranschaulichung bietet dabei das Zonensystem, welches von Fred R. Archer (1889–1963) und Ansel E. Adams (1902–1984) nach Vorarbeiten von Ferdinand Hurter (1844–1898) und Vero Charles Driffield (1848–1915) entwickelt wurde. In der analogen Schwarzweißfotografie beschreibt es ein technisches Verfahren zur optimalen Übertragung des Kontrastumfangs vom Negativ aufs Fotopapier.

Das Zonensystem setzt sich aus elf Tonwertbereichen zusammen, die mit römischen Ziffern von 0 bis X bezeichnet werden. Die Unterteilung folgt hierbei nicht den optischen Gegebenheiten, denn die Tonwerte im Bild verlaufen ja kontinuierlich von Schwarz nach Weiß und weisen keine natürlichen Grenzen auf. Das geniale Konstrukt besteht vielmehr darin, dass die jeweils summierten beziehungsweise gemittelten Werte eines Tonwertbereichs eine Verdoppelung gegenüber dem linksgelegenen Bereich darstellen, somit also jeweils den Unterschied eines ganzen Blendenwertes markieren.

Die Abbildung zeigt die Konstruktion des Zonensystems mit einer Bündelung von elf Tonwertbereichen (0 bis X).

In der Abbildung sind auch die Werte der Lichtreflektion (Neutralgrau mit 18% als wichtiger Referenzwert) aufgeführt sowie die Umrechnungen in gängige Farbsysteme am PC (RGB, L*a*b und HSB). Wichtig für das Verständnis ist, dass sich die einzelnen Zonen sowohl durch ihre Helligkeitswerte ("Reinstes Schwarz … Fast Schwarz … Sehr dunkles Grau …") als auch durch den Grad der Tonwertmodulation und Strukturzeichnung beschreiben lassen.

Die Tonwertmodulation beschreibt dabei für die einzelnen Zonen, ob der Betrachter mit bloßem Auge Helligkeitsunterschiede ausmachen kann. Dies ist in den Zonen 0 und X nicht, in den Zonen I und IX geringfügig, in den Zonen II und XIII deutlich und in den Zonen III bis VII in vollem Umfang gegeben. Anders ausgedrückt erstreckt sich der Bereich der vollen und deutlichen Tonwertmodulation auf die Zonen II bis VIII, wie die Abbildung oben zeigt.

Hier ist das Zonensystems in das von der Bildbearbeitung her bekannte Histogramm übertragen.

In Ergänzung dazu beschreibt die Zeichnung (auch als Durch- oder Strukturzeichnung beschrieben) für die einzelnen Zonen, ob sich in der Betrachtung die feinen Binnenstrukturen der Objekte abzeichnen. Dies ist in den Zonen 0, I, IX und X nicht, in den Zonen II und XIII geringfügig und erst in den Zonen III bis VII in vollem Umfang gegeben. Anders ausgedrückt beschränkt sich der Bereich der vollen Durchzeichnung auf nur fünf Zonen (III bis VII), wie die Abbildung mit der Verteilungskurve zeigt.

Für die Farbfotografie lässt sich das Zonensystem ebenfalls anwenden, da auch farbige Strukturen einen definierten Helligkeitswert haben. Um dies zu verdeutlichen, wandle ich in meinen Tonwertskizzen Farbbilder regelmäßig in Graustufen um.

Das Zonensystem wirkt auf den ersten Blick kompliziert, ist es in der Praxis aber nicht. Sehr schön kann man sich das Zonensystem veranschaulichen, indem man sich typische Motivbeispiele für die einzelnen Zonen vor Augen führt:

Motivbeispiele für die Zonen
Zone 0 Tiefste Schatten
Zone I Tiefe Schatten
Zone II Halboffene Schatten
Zone III Offene Schatten, dunkle Materialien
Zone IV Schatten bei besonnten Porträts oder Landschaften, dunkle Steine oder Laub
Zone V Klarer blauer Himmel, dunkler kaukasischer Hauttyp, grauer Stein, verwittertes Holz, Graukarte mit 18 % Lichtreflektion
Zone VI Heller kaukasischer Hauttyp, heller Stein, Schatten in sonnendurchfluteter Schneelandschaft
Zone VII Sehr helle Haut, hellgraue Objekte, Schnee in seitlicher Beleuchtung
Zone VIII Hellste Materialien mit gerade noch erkennbaren Strukturen
Zone IX Glänzende Oberflächen, Schnee im flachen Tageslicht
Zone X Reinstes Licht


Demnach ist etwa der helle kaukasische (also europäische) Hauttyp gewöhnlich am besten in Zone VI aufgehoben, während Schnee im flachen Tageslicht seine größte Wirkung in Zone IX entfaltet – in dunkleren Zonen erschiene er hingegen unangenehm grau.

Nach diesen etwas längeren Herleitungen zum Zonensystem wird es hier noch einmal an einem Landschaftsbeispiel erläutert, so wie es für die Bildanalyse sinnvoll ist. Zunächst misst man die einzelnen Zonen aus und versieht sie mit den entsprechenden Ziffern. Obendrein führt man sie zu hellen und dunklen sowie zu kontrastreichen und kontrastarmen Arealen zusammen. Sodann offenbart sich die "innere Funktionsweise" des Bildes.

Erläterung des Zonensystem am Beispiel einer Landschaft

(Bild: Thomas Brotzler)

Im konkreten Beispiel bildet das kontrastreiche Areal der vorderen Felsformation das Hauptmotiv und zieht so die Aufmerksamkeit beziehungsweise den Blick auf sich. Der Mittelgrund weist eine Kaskade nach vorne hin dunklerer, nach hinten hin hellerer Areale auf und schafft so über den fast drei Viertel des Bildes überspannenden Hell-Dunkel-Kontrast Raumtiefe. Der Blick verliert sich schließlich nicht im Himmel, sondern endet in den dunkleren und wiederum kontrastreicheren Arealen des oberen Himmelsbereichs, die somit den hintergründigen Gegenpol der vordergründigen Felsformation darstellen. (pen)