Internet per TV soll gesellschaftsfähig werden

Das Internet boomt. Am Fernseher dagegen, jahrzehntelang das Unterhaltungsmedium Nummer eins, ist diese Entwicklung bislang fast spurlos vorbei gegangen. Nun will die Unterhaltungsindustrie das "Defizit" aufholen.

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Von
  • Renate Grimming
  • dpa

Das Internet boomt und zieht mit seinem Unterhaltungs-Angebot immer mehr Deutsche an ihren PC-Schreibtischen in das weltweite Datennetz. Am Fernseher dagegen, jahrzehntelang das Unterhaltungsmedium Nummer eins, ist diese Entwicklung bislang fast spurlos vorbei gegangen. Nun will die Unterhaltungsindustrie das "Defizit" aufholen. "Schon in wenigen Jahren wird das Multimedia-TV dem Computer auf dem Unterhaltungssektor den Rang ablaufen", sagte Roland Raithel von Loewe bei einem Gespräch mit dem High Tech Presseclub in Hamburg.

Dabei geht es nicht einmal mehr um Zukunftsmusik. Das Elektronikunternehmen aus dem nordbayrischen Kronach hat bereits vor zwei Jahren das weltweit erste internetfähige Fernsehgerät auf den Markt gebracht. Die Verknüpfung von TV-Angebot und Internet-Zugang realisierte Loewe in Partnerschaft mit dem ZDF. Der Benutzer kann sich über die Fernbedienung durch die TV-Kanäle klicken oder sich direkt ins Internet einwählen.

Die Integration eines echten, unlimitierten Internet-Zugangs in den Fernsehgeräten sieht Lothar Kerestedjian vom Elektronikkonzern Panasonic jedoch als verfrüht an. "Der Schwachpunkt besteht zur Zeit vor allem in der schlechten Bildqualität der Geräte", sagte Kerestedjian. Bei der klassischen Bildauflösung von 72 dpi könnten Internet-Inhalte nicht eins zu eins übernommen werden. "Der Bildaufbau einer heute normalen Web-Seite mit Grafik und Animationen dauert über eine Set-Top-Box rund eine halbe Minute", sagte Kerestedjian. Das sei viel zu lang.

Die verfügbaren Multimedia-Fernseher sind nach Meinung von Kerestedjian allenfalls "gute Image-Produkte", aber weit entfernt vom Massenmarkt. Selbst Internet-Boxen hätten noch nicht das Interesse der Kunden geweckt. "Von vielen Elektronik-Märkten heißt es, die stehen wie Blei", sagte auch Peter Hahn von Philips. Der Produktmanager des niederländischen Elektronikkonzerns rechnet damit, dass sich internetfähige Fernseher in den kommenden fünf Jahren einen breiten Markt erobern werden. Das weltweite Datennetz boome derzeit vor allem durch sinkende Kosten. "Das Internet wird in wenigen Jahren zum Standardbestandteil eines Fernseher gehören", sagt Hahn. Bereits auf der nächsten Internationalen Funkausstellung in Berlin werde Internet-TV das Thema Nummer eins sein.

Die Entwickler arbeiten unterdessen an vielen Lösungen, um das begehrte Datennetz in die Wohnzimmer zu holen. Panasonic bietet eine Settop-Box an, mit der sich der Fernsehzuschauer Funktionen wie E-Mail, Online-Shopping und Homebanking auf die Mattscheibe holen kann. Ein integriertes Modem sorgt für den nötigen Rückkanal, über den der Zuschauer Daten versenden und bestimmte Sendungen anfordern kann. In Zusammenarbeit mit Sendern wie ZDF, ARD und RTL hat das Unternehmen bereits eine Reihe von Sonderdiensten entwickelt. "Wir haben in diesem Jahr einen interaktiven Tatort ausgestrahlt, bei dem der Zuschauer selbst auf Verbrecherjagd gehen konnte", erläuterte Kerestedjian. Auch eine interaktive Version der Sendung "Verstehen Sie Spaß" sei mit im Programm.

Parallel arbeitet Panasonic an der Entwicklung neuer Fernseh-Techniken. "Mit Bildröhren der nächsten Generation in Kombination mit Plasma- oder LCD-Bildschirmen wird reales Web-TV vermutlich im nächsten Jahr realisiert werden können", sagte Kerestedjian. Auch Philips will im kommenden Jahr mehrere Lösungen auf den Markt bringen. "Neben einer Internet-Box wird es auch TV-Festplatten sowie Fernseher mit integriertem Zugang geben", sagte Hahn. Herkömmliche Fernseher sollen sich aber auch weiterhin problemlos nachrüsten lassen. Die Entwicklungen sowohl von Elektronikkonzernen als auch von Fernsehsendern, Satellitenbetreibern und Breitband-Unternehmen gingen in viele verschiedene Richtungen. "Was sich am Markt durchsetzen wird, wird am Ende der Verbraucher entscheiden", sagte Hahn. (Renate Grimming, dpa) (jk)