Dicke Luft im Kino

Wenn ein Film spannend wird, verändert sich die Zusammensetzung der von den Zuschauern ausgeatmeten Luft. Das haben Forscher aus Mainz festgestellt, und es könnte zur Grundlage für die objektivere Bewertung von Medieninhalten werden.

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Von
  • Sascha Mattke

Manchmal kann man „die Spannung riechen“ oder „es liegt etwas in der Luft“ – solche Redensarten haben offenbar tatsächlich eine physiologische Grundlage: Wie Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz jetzt herausgefunden haben, lässt sich anhand der von Kinobesuchern ausgeatmeten Luft feststellen, ob sie gerade spannende oder lustige Szenen sehen. Nutzen ließe sich dieser Effekt zur Optimierung von Filmen und Werbespots, aber auch in der biologischen und psychologischen Forschung.

Dass Menschen unterschiedliche Gerüche produzieren ebenso wie wahrnehmen, weiß jeder, der schon mal einen getroffenen hat. Relativ wenig aber wurde bislang erforscht, woraus genau die Duftnoten bestehen und welche Signale sie an ihre Empfänger senden. Dabei ist das Potenzial auch im medizinischen Bereich gewaltig: So haben Schweizer Forscher bereits Mikrosensoren entwickelt, die eine frühe Krebsdiagnose mittels Atemanalyse ermöglichen sollen.

Die Mainzer Forscher aber konzentrierten sich statt auf individuelle Krankheiten erst einmal auf kollektive Emotionen. Für ihre Studie arbeiteten sie mit einem Multiplex-Kino zusammen, in dem sie die aus den einzelnen Vorführsälen gesaugte Abluft mit Massenspektrometern auf ihre Bestandteile analysieren durften. Alle 30 Sekunden gab es eine Messung, bei der jeweils die Konzentration von Kohlendioxid und mehr als 100 flüchtigen organischen Verbindungen erfasst wurde.

Um Korrelationen mit dem Geschehen auf der Leinwand herstellen zu können, ließen die Forscher zur Vorbereitung außerdem Freiwillige die unterschiedlichen Filme ansehen und dabei festhalten, welche Szenen sie beispielsweise spannend, lustig, geheimnisvoll oder lustig fanden. Weil diese Kategorien subjektiv sind, wurde solche Einordnungen nur dann übernommen, wenn sie bei mindestens zwei Dritteln der Film-Bewerter übereinstimmten.

Anschließend hieß es messen, und nach 108 Vorführungen von 16 verschiedenen Filmen vor insgesamt 9500 Zuschauern sowie intensiven Datenauswertungen mit Unterstützung von Informatikern der Mainzer Universität lagen die Ergebnisse vor. Demnach gehen mehrere Inhaltskategorien mit charakteristischen Veränderungen an der ausgeatmeten Luft einher. Die deutlichsten Zusammenhänge lassen sich bei Spannung und Humor feststellen.

„Es scheint, als ob wir eindeutig messen können, ob Spannung in der Luft liegt“, sagt Jonathan Williams, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Chemie. Insbesondere die chemische Signatur des Fantasy-Films „Die Tribute von Panem“ sei sehr eindeutig gewesen: Wenn die Heldin gegen Ende des Films um ihr Leben kämpft, stiegen die Werte für Kohlendioxid und Isopren deutlich an. Die Erklärung dafür könnte schlicht darin liegen, dass Zuschauer bei spannenden Szenen schneller atmen, so dass mehr sie mehr von diesen Stoffen abgeben.

Auch Szenen, in denen es nicht um Leben und geht, sondern um Humor, ließen sich anhand der Luftanalysen identifizieren, ohne den Film dazu sehen zu müssen. Allerdings können die Forscher dazu bisher lediglich sagen, dass das Massenspektrogramm bei solchen Szenen auffällig und eindeutig ist, jedoch nicht, welche exakten chemischen Bestandteile es hat. Für die Inhaltskategorien „Jagd“ und „Romantik“ wiederum ließen sich noch gar keine charakteristischen Zusammensetzungen der ausgeatmeten Luft ermitteln.

Dass ausgerechnet Spannung und Humor die eindeutigsten Atem-Signaturen liefern, so spekulieren die Forscher, könnte damit zusammenhängen, dass diese evolutionär gesehen von Vorteil sein können: Sie könnten als Warn- bzw. Entwarnungssignal für Artgenossen dienen (wobei in der Studie nicht untersucht wurde, ob und wie diese Signale wahrgenommen werden).

Festhalten lässt sich jedenfalls: „Menschen reagieren in ihren Atem-Emissionen auf audiovisuelle Hinweise.“ Diese Erkenntnis könnte zur Grundlage für eine objektivere Beurteilung von Medieninhalten werden. Beispielsweise werden wichtige Kinofilme schon heute vor dem offiziellen Start oft Testzuschauern vorgeführt, um noch Änderungen daran vorzunehmen, wenn sie schlecht ankommen – möglicherweise werden Probeseher also irgendwann nicht mehr Fragebögen ausfüllen müssen, sondern es genügt eine Analyse ihrer gesammelten Atemluft.

(sma)