Die Unheiler

Unser Reporter hat sich als Krebspatient ausgegeben und acht Alternativpraxen besucht. Was er erlebt, ist schockierend: Die empfohlenen Therapien sind meistens sehr teuer, unnütz und manchmal sogar lebensgefährlich.

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Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Hristio Boytchev

Hallo, mein Name ist Niko Scholze, ich bin 33 Jahre alt und habe Krebs. Genauer: Ein Hodgkin-Lymphom, einen Tumor, der die Lymphknoten befällt. Vor einem Jahr habe ich eine Chemotherapie gemacht. Der Krebs verschwand, doch nun ist er zurückgekehrt, ungewöhnlich für diese Art von Tumor, aber es kommt vor. Wobei es mir gut geht, ich habe keine Symptome. Mein Arzt drängt auf eine neue Chemotherapie, höher dosiert.

Das ist zum Glück alles nur ausgedacht. In Wirklichkeit heiße ich Hristio Boytchev, bin Wissenschaftsjournalist und gesund. An Krebs leide ich zum Schein, um Deutschlands Alternativmediziner auf die Probe zu stellen. Was raten Geistheiler und Neugermanische Doktoren, Schamanen und Heilpraktiker einem, der mit einem aggressiven Tumor zu ihnen kommt?

Alternative Medizin boomt. Die Deutschen geben dafür geschätzt mehrere Milliarden Euro im Jahr aus. Weitere Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu jeder zweite Krebspatient davon in irgendeiner Form Gebrauch macht. Dennoch wissen Behörden und Ärzte erstaunlich wenig darüber, was abseits der Krankenhäuser passiert.

Wir – meine vorgebliche Studienfreundin Claudia Ruby, tatsächlich ist auch sie Wissenschaftsjournalistin, und ich – haben uns daher auf den Weg gemacht zu acht Heilern, die den Ruf haben, Krebs auch ohne Schulmedizin heilen zu wollen. Claudia Ruby hat die Recherche verfilmt, für ihren Dokumentarfilm „Krebs – das Geschäft mit der Angst“. Sie hat die Besuche organisiert, den Diagnosebrief, den ich immer mitführe, genauso wie eine DVD mit Computertomografien. Darauf sieht man, dass der Tumor jetzt auch die Milz befallen hat.

Auf der Reise werde ich viel Widersprüchliches und Wirres über mich hören, werde Gedichte vorgelesen bekommen und mich einer Geistheilung unterziehen. Und ich werde eine Ahnung davon bekommen, wie es ist, Angst zu haben. Die Angst davor, todkrank zu sein – und eine Entscheidung fällen zu müssen, wem ich glauben soll.

(grh)