Tödliche Gene

Mithilfe der Gentechnik können die Menschen erstmals die Malariamücke ausrotten. Aber dürfen wir das auch?

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Antonio Regalado

Malaria tötet eine halbe Million Menschen jedes Jahr, vor allem Kinder im tropischen Afrika. Die Ausrottung der Seuche würde in den nächsten 15 Jahren schätzungsweise mehr als 100 Milliarden Dollar kosten. Man bräuchte Moskitonetze für jedermann, Zehntausende Kisten voller AntiMalaria-Medikamente und zig Millionen Liter Insektizide. Warum nicht stattdessen nur einen Kübel voller genveränderter Moskitos?

Am Imperial College in London herrschen in einem Raum hinter schweren Stahltüren feuchtwarme 30 Grad. In kleinen Gazekäfigen hängen die Stechinsekten, ein Warnschild weist sie als „Gene Drive“-Moskitos aus.

Der rätselhafte Begriff heißt so viel wie „Genantrieb“ und bezeichnet eine Methode, durch die Gene dazu gebracht werden, sich deutlich stärker zu verbreiten als normal. Sie gilt unter Experten als die derzeit mächtigste Form der Erbgutveränderung. Denn mit ihr lassen sich unter Umständen ganze Ökosysteme neu gestalten. Gewöhnlich wird ein Gen auf die Hälfte aller Nachkommen vererbt, mit Gene Drive dagegen auf 99 Prozent. Entsprechend rasant verbreitet sich so ein „eigennütziges Gen“ unter sich schnell vermehrenden Tieren wie Moskitos.

Für die Londoner Forscher liegt genau hierin der neue Ansatzpunkt gegen Malaria. Ihr Gen macht Moskitoweibchen unfruchtbar, die den Krankheitserreger auf den Menschen übertragen. Dank Gene Drive würde es sich innerhalb von nur elf Generationen, also nach nur einem Jahr, in der gesamten Moskitopopulation verbreiten – und sie auslöschen. Im Freiland angewendet, könnte die Technologie zur Ausrottung der Malaria-Moskitos führen und die Übertragung der Krankheit stoppen. Wenn es gelingt, warum nicht auch Aedes aegypti, den Überträger des Denguefiebers, oder Zika-Mücken auf diese Weise eliminieren?

Das „Versuchstier“ der Londoner, die Stechmücke Anopheles gambiae, wurde als Teil eines Projektes namens „Target Malaria“ kreiert. Geleitet vom Imperial College, beteiligen sich 16 Institutionen daran, darunter auch drei afrikanische Länder: Mali, Burkina Faso und Uganda. Mit 44 Millionen Dollar finanziert die Bill & Melinda Gates Foundation die Arbeit – das ist mit Abstand die größte Summe, die bislang in ein Gene-Drive-Projekt floss.

Von 3500 Moskitoarten verbreiten etwa 30 Malaria. Den meisten Schaden in Afrika richten drei Unterarten von Anopheles gambiae an. „Auf diese drei zielen wir ab“, sagt Andrea Crisanti, ein italienischer Parasitologe und Gentechniker, der die Insekten am Imperial College mit dem eigennützigen Gen präpariert hat. Geplant ist, die so modifizierten Anopheles gambiae in Afrika südlich der Saharazone zu verbreiten. „Aber ich gebe zu, dass die Gene-Drive-Methode zu erheblichen Spannungen führen wird“, sagt Crisanti.

Denn damit sind Risiken verbunden, mit denen sich bislang noch keine Gesellschaft auseinandersetzen musste. Welche Folgen hat die Eliminierung der Moskitos auf das Ökosystem? Was passiert, wenn das eigennützige Gen artübergreifend auf andere Insekten überspringt? Und insbesondere: Welches Land, welche Institution, welcher Mensch hat das Recht, Veränderungen in der Natur hervorzurufen, die möglicherweise die gesamte Erde beeinflussen?

(inwu)