LGs Virtual-Reality-Brille 360 VR hat grundlegende Schwächen

Auch LG will auf der Virtual-Reality-Welle reiten und bietet die Brille "360 VR" an, die nur zusammen mit dem Smartphone LG G5 funktioniert. Im Test stellt sich das Gerät nicht nur wegen der grauenvoller Ergonomie als Total-Flop heraus.

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LG 360 VR ist die schlechteste aktuelle VR-Brille

(Bild: LG)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Hannes A. Czerulla

LG schlägt mit der Virtual-Reality-Brille 360 VR in die gleiche Kerbe wie Samsung Gear VR und Google Cardboard: Die preiswerten Brillen brauchen keinen teuren Gaming-Rechner, sondern nur ein Smartphone, das die meisten Nutzer sowieso schon besitzen. Im Gegensatz zu den anderen beiden Brillen stellt sie sich allerdings als übler Fehlschlag heraus.

Das Grundkonzept der 360 VR wirkt erst mal schlüssig: Zwar arbeitet die Brille nur mit dem High-End-Smartphone LG G5 zusammen, hat aber eigene besonders empfindliche Bewegungssensoren, zwei Bedienknöpfe und – im Gegensatz zu Gear VR und Cupboard – eigene Displays. Das Smartphone übernimmt die Aufgabe des Rechners und man verbindet es via USB-C-Kabel mit der Brille. Hier fangen die konzeptionellen Probleme an: Da das Handy nicht wie bei der Konkurrenz in die Brille eingespannt ist, muss man es in der Hand behalten und das USB-Kabel baumelt währenddessen munter umher. Der Touchscreen dient zwar als Bestätigungsknopf, doch als touch- oder bewegungssensiblen Controller funktioniert er nicht. Den Akku kann man auch nicht gleichzeitig laden, da die Brille den einzigen Anschluss belegt.

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Sobald man die 360 VR aufsetzt, treten die nächsten Probleme treten auf: Die filigranen Ohrbügel drücken auf die Hörknochen und halten nur wegen ihres hohen Anpressdrucks – schon nach wenigen Minuten wird es unangenehm. Der Sichtschutz um die Linsen, der die Augen eigentlich von der Umgebung abschotten soll, verdient diese Bezeichnung nicht. Er steht bis zu einem Zentimeter weit vom Gesicht ab und lässt viel Umgebungslicht in die Brille. Unten kann man problemlos aus der Brille hinaus schauen. Ein Mittendrin-Gefühl kommt so nie auf.

Auch Fehlsichtige werden Probleme mit der 360 VR haben: Zwar kann man die Linsen auf verschiedene Dioptrienwerte justieren. Dafür muss man die Brille aber jedes Mal abnehmen. Fehlsichtige setzen also die 360 VR auf, sehen alles unscharf, setzten die Brille ab, justieren die Linsen, setzen die Brille auf, sehen immer noch alles unscharf und wiederholen den Vorgang immer und immer wieder bis ein scharfes Bild zu sehen ist. Die Gear VR beispielsweise kann man anpassen, während man sie auf dem Kopf hat.

Doch selbst, wenn die Linsen korrekt eingestellt sind, möchte man im Zusammenhang mit der 360 VR nicht von Schärfe sprechen. Nicht ohne Grund zeigen teure VR-Brillen wie die HTC Vive Auflösungen von bis zu 1080 × 1200 pro Auge. LG begnügt sich mit 960 × 720. Schon auf den höher auflösenden Konkurrenten stören so manchen technikaffinen Nutzer die wahrnehmbaren Bildpunkte und Gitterstrukturen; auf der LG 360 VR treten die einzelnen Pixel noch deutlich irritierender hervor.

Blick in die Brille

(Bild: LG)

Einzig die Nasenauflage stellt keine ergonomische Katastrophe dar – die ist dank eines Drahtgestells anpassbar und mit weichem, rutschfestem Gummi bestückt.

Das bisherige App-Angebot ist ein Witz: Außer vorinstalliertem YouTube-Player, einer Galerie-App und Demofilmchen bietet der Hersteller keine Software oder Spiele an – jede Pappbrille hat mehr zu bieten. Echte Virtual-Reality-Inhalte, also interaktive Echtzeit-Apps, gibt es schlicht nicht; und es zeichnet sich bislang auch nicht ab, dass sich der 360-VR-Appstore noch maßgeblich füllt.

Zum Vergleich: Für die rein mechanischen VR-Smartphone-Halterungen (ab 5 Euro) gibt es sowohl in Androids Play Store als auch in Apples Appstore inzwischen hunderte von Apps, viele davon sehr gelungen. In Sachen Mittendrin-Gefühl sind etliche der Standard-VR-Smartphone-Apps denen der LG 360 VR meilenweit überlegen.

Die LG-Brille schafft zudem auch kein besseres Headtracking als konventionelle Smartphones in VR-Halterungen – die Kopfbewegungen werden stark verzögert übertragen, was schnell Übelkeit erzeugt.

Während Samsung mit der Galaxy Gear VR für 100 Euro eine brauchbare, komfortable Smartphone-VR-Brille anbietet, hätte sich LG die 360 VR sparen können. Apropos Sparen: Die schlechteste VR-Brille der aktuellen Generation kostet 280 Euro. (hcz)