Kommentar: Warum sind Hakenkreuze in Videospielen eigentlich keine Kunst?

Die Zensur von Nazi-Symbolik in Videospielen ist nicht mehr zeitgemäß, findet Fabian Scherschel.

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Kommentar: Warum sind Hakenkreuze in Videospielen eigentlich keine Kunst?

Ausschnitt aus der internationalen Version von Hearts of Iron IV mit retuschierten Hakenkreuzen. In der deutschen Version wurden Bilder und Erwähnungen von Adolf Hitler ganz entfernt.

(Bild: Paradox Interactive)

Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Fabian A. Scherschel

Verfassungsfeindliche Kennzeichen werden in Videospielen strikt zensiert – anders als in Unterhaltungsfilmen im Kino oder im Fernsehen, wo Nazi-Symbolik eingesetzt werden darf, wenn sie Kunst oder Bildung dient. Die Ansicht, dass Spiele im Gegensatz zu Filmen nicht der Kunst oder der Bildung dienen, ist nicht mehr zeitgemäß.

Ein Kommentar von Fabian A. Scherschel

Fabian A. Scherschel schrieb von 2012 bis 2018 als Redakteur täglich für heise online und c't, zuerst in London auf Englisch, später auf Deutsch aus Hannover. Seit 2019 berichtet er als freier Autor und unabhängiger Podcaster über IT-Sicherheit, Betriebssysteme, Open-Source-Software und Videospiele.

Ein aktuelles Beispiel: Heute erscheint Hearts of Iron IV. Für jemanden, der über ein Dutzend Semester Geschichte studiert hat, ist das ein äußerst interessantes Spiel. Es hat sich offensichtlich zum Ziel gesetzt, Militärstrategie und Diplomatie im Zweiten Weltkrieg möglichst genau nachzubilden. Leider hat der Publisher aber nicht nur alle Hakenkreuze, sondern in vorauseilendem Gehorsam auch die Portraits deutscher Nazi-Größen, allem voran Adolf Hitlers, aus der Bebilderung der Szenarien entfernt. Das zerstört die historische Atmosphäre des Spiels und steht in keinem Verhältnis zum Umgang mit der selben Materie in Filmen.

Schließlich ist man in Kino und Fernsehen seit Jahrzehnten prominent in Szene gesetzte Nazi-Uniformen und Charaktere gewöhnt. Sowohl in Werken wie "Der Untergang" und "Das Boot", die sich einer möglichst historischen Darstellung verschrieben haben, als auch in eher albernen Titeln wie "Jäger des verlorenen Schatzes" oder "Inglourious Basterds". Diese Werke dienen demnach der Kunst und Aufkärung, ein detailliertes Grand-Strategy-Spiel aber nicht.

Zwar scheint sich unter Juristen langsam die Meinung durchzusetzen, dass Videospiele auch Kunst sein können, ältere Gerichtsurteile verneinen dies aber. Und da Publisher, wenn es um Geld geht, natürlich auf Nummer sicher gehen wollen, wird trotzdem zensiert.

Dabei habe ich schon als Kind so viel durch Videospiele gelernt. Mein Interesse an Politik und Geschichtswissenschaft hat mir nicht etwa die Grundschule vermittelt, sondern Strategiespiele. Und einen Zusammenhang zwischen den lose im gymnasialen Lehrplan verteilten Geschichtsepochen hat in meinem Kopf sowieso erst Sid Meier's Civilization hergestellt. Es wird höchste Zeit, dass die Gesellschaft würdigt, was gute Videospiele zu leisten vermögen und ihnen das gleiche Maß an Kunstfreiheit einräumt, wie den Produkten der Filmindustrie. (fab)