NSA-Skandal: Britischer Geheimdienst kam mit der Überwachungs-Auswertung nicht nach

Während die britische Regierung mehr Überwachungsbefugnisse fordert, wird nun bekannt, dass der Inlandsgeheimdienst MI5 im Jahr 2010 zu viele Daten sammelte, um die noch auszuwerten. Eventuell hatte das sogar bereits einen Toten zur Folge.

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Überwachung in Großbritannien

(Bild: Crystian Cruz, CC BY-ND 2.0)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Martin Holland

Der britische Inlandsgeheimdienst MI5 (offiziell Security Service) hat bereits 2010 intern gewarnt, dass deutlich mehr Überwachungsdaten gesammelt würden, als ausgewertet werden könnten. Das berichtet das US-Onlinemagazin The Intercept unter Berufung auf bislang unveröffentlichte Dokumente aus Snowden-Material. Daraus geht hervor, dass der Geheimdienst die Regierung vor "geheimdienstlichem Versagen" ("intelligence failure") warnte, weil die vielen gesammelten Daten nicht ausgewertet werden könnten. Das heißt, der MI5 könne potenziell lebensrettende Informationen nicht auswerten.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Die Veröffentlichung fällt in eine Zeit, in der in Großbritannien über eine Festschreibung und Ausweitung der gesetzlichen Befugnisse für Geheimdienste diskutiert wird. The Intercept weist nun darauf hin, dass drei Jahre nach der internen Warnung zwei islamistische Terroristen in London einen britischen Soldaten köpften. Eine Untersuchung habe danach ans Licht gebracht, dass die beiden dem MI5 bekannt gewesen waren. Dort seien aber wichtige Hinweise auf ein anstehendes Verbrechen übersehen worden. Nun stelle sich die Frage, ob die Überflutung mit Überwachungsdaten in dem Fall ein Problem gewesen sei.

In einem anderen Dokument, aus dem das US-Magazin zitiert, werden auch Zahlen zu dem Missverhältnis zwischen Überwachung und Auswertung genannt. In einem Zeitraum von sechs Monaten im Jahr 2009 seien im Rahmen eines Überwachungsprogramms namens "Preston" mehr als fünf Millionen Kommunikationen abgefangen worden. Auf 97 Prozent davon habe nie jemand auch nur einen Blick geworfen, konstatieren die internen Prüfer. Trotzdem hätten britische Regierungen in den vergangenen Jahren immer wieder versucht, die Überwachungsbefugnisse auszuweiten.

Der britische Auslandsgeheimdienst GCHQ wiederum hat im Rahmen eines Programms namens "Milkwhite" Teile seiner umfangreichen Sammlung an abgegriffenen Kommunikations-Metadaten an andere Behörden weitergegeben, zitiert The Intercept aus einem weiteren Dokument. Demnach gingen diese Informationen darüber, wer mit wem und wann kommunizierte, an den MI5, die Londoner Polizei, das Finanzamt, die Behörde zum Kampf gegen organisierte Kriminalität, die nordirische Polizei und eine "obskure schottische Überwachungseinheit namens Scottish Recording Centre". Das ist auffällig, soll doch der GCHQ eigentlich ausländische Kommunikation überwachen, trotzdem kommen dabei aber offenbar auch genügend Briten zusammen.

Kurz vor diesen neuerlichen Enthüllungen rund um das Vorgehen britischer Geheimdienste hatte bereits die Veröffentlichung eines Briefwechsels für Aufsehen gesorgt. Die Bürgerrechtler von Privacy International hatten die Freigabe dafür erzwungen und sehen damit eine zu enge Beziehung zwischen Geheimdiensten und ihren Aufsehern als bewiesen an. In dem Briefwechsel lässt sich der für die Telekommunikations-Überwachung zuständige britische Aufseher von der Regierung überzeugen, weniger strenge juristische Grundlagen für eine Massenüberwachung zuzulassen, berichtet der Guardian. (mho)