Medienforum NRW: Neuer Streit über Digitalradio DAB+

Streitthema in Köln: Sollte das Digitalradio endgültig als Verlust abgeschrieben werden und man bei UKW bleiben?

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Die Diskutanten auf dem Medienforum NRW

Die Diskutanten auf dem Medienforum NRW.

(Bild: heise online / Torsten Kleinz)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Torsten Kleinz
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Fünf Jahre nach Aufnahme des Sendebtriebs des neuen Digitalradio-Standards DAB+ reicht die Abdeckung immer noch nicht, um ein Abschaltdatum für das klassische UKW-Radio abzusehen. Auf dem Medienforum NRW in Köln diskutierten Branchenvertreter am Donnerstag kontrovers zur Frage, ob das Projekt ein Fehlschlag ist.

Die neue Debatte über den Standard hatten im April bereits zwei Schlüsselfiguren in der Medienpolitik des Landes eingeleitet. In einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung zogen Jürgen Brautmeier, Direktor der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) und Marc Jan Eumann, Staatssekretär für Europa und Medien in der Staatskanzlei des Landes eine negative Zwischenbilanz: Gerade Mal in zehn Prozent der Haushalte sei ein DAB+-fähiges Gerät vorhanden. Der Standard habe auch keine überzeugenden Vorteile, der eine Umsetzung auf alle Ebenen ermögliche.

In Köln versuchte Willi Steul, Intendant des Deutschlandradios und einer der eifrigsten Digitalradio-Verfechter, diese Vorwürfe zu entkräften. International sei es auf dem Vormarsch. Dass dennoch viele Hörer in Deutschland lieber bei UKW blieben statt auf ein neues DAB+-Gerät zu kaufen, liege unter anderem an der Politik. "Wir brauchen ein klares Signal, dass UKW eine auslaufende Technik ist." Allerdings wollte sich Steul selbst nicht mehr auf ein Datum festlegen. Der Intendant hatte im vergangenen Jahr 2025 als geeignetes Enddatum ins Spiel gebracht – rückte aber von diesem Termin inzwischen ab.

Insbesondere die privaten Lokalradios verweigern sich der Umstellung bisher. "Wir brauchen nicht nur eine technische Reichweite, wir brauchen eine reale Nutzerschaft", betonte Klaus Schunk, Stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Verbands Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT). So stehe es für viele private Rundfunksender derzeit nicht zur Debatte, ihr UKW-Programm parallel auch auf DAB+ zu verbreiten. Damit die im Verband organisierten Unternehmen die Umstellung in Betracht ziehen könnten, bräuchten sie Planungssicherheit. Die sei bisher nicht gegeben. Auch eine Übergangsfinanzierung durch Steuer- oder Gebührengelder lehnte er ab.

Prinzipiell für die Umstellung sprachen sich die Vertreter der ARD aus. Valerie Weber, Hörfunkdirektor des WDR sieht das Projekt DAB+ auch als eine Prestigefrage: "Wir können nicht sagen, dass wir das einzige Medium bleiben, das nicht konvergent sein will." Fakt sei, dass DAB+ bessere Qualität liefere und zudem mehr Daten übertragen könne. Zudem ließen sich durch die erhöhte Zahl an Programmplätzen Hörerwünsche besser erfüllen, ausdifferenzierte Programme, die zum Beispiel nur Schlager oder nur Klassik senden, einfacher realisieren.

Die Vielfalt ist jedoch ein wunder Punkt: Staatssekretär Eumann argumentierte, dass der ARD-Rundfunk mit derzeit 67 Radioprogrammen plus den drei Radioprogrammen unter dem Dach des Deutschlandradios schon eine enorme Kostenbelastung für die Beitragszahler seien. Im Gegensatz dazu funktioniere das Geschäftsmodell der Privatradios in Nordrhein-Westfalen mit zirka 1000 Beschäftigten unter den jetzigen Bedingungen im Digitalfunk nicht. Er sehe keine Veranlassung, diese Branche in die Arbeitslosigkeit zu schicken.

Steul argumentierte, dass die Abschaltung von UKW jedoch gerade die Kosten senken könne. So könne sein Haus alleine durch die Abschaltung der UKW-Verbreitung pro Jahr 13 Millionen bis 14 Millionen Euro an Gebührengeldern einsparen, die ARD-Sender zirka 20 Prozent ihrer Sendekosten.

Bei der Konkurrenz von den privaten Radiosendern verfängt das Argument aber nicht. So sieht Schunk im Gegensatz zu der öffentlich-rechtlichen Konkurrenz für sein Unternehmen keine Ersparnisse durch DAB+: Die Zuteilung der Sendegebiete ist gerade für Lokalradios ungünstig und verursacht hier sogar Mehrkosten. Das Duale System mit der eingespielten Aufteilung zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Radiosendern funktioniere schon seit einigen Jahren nicht mehr. Er forderte eine Festlegung, welche Bereiche die öffentlich-rechtlichen Sender in Zukunft abdecken sollten.

Staatssekretär Eumann schlug sich auf die Seite der Privatsender. Zwar befürwortet er, die bundesweiten Multiplexe für DAB+ beizubehalten, im regionalen und lokalen Bereich sieht er jedoch keinen sinnvollen Einsatz der neuen Digitalfunktechnik. (anw)