Fintech: Kleine Haie

Größe ist bei Banken nicht mehr alles. Aggressive Gründer mit viel Kapital im Rücken zeigen ihnen, wohin bei der Digitalisierung die Reise geht.

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Von
  • Angela Froitzheim
  • Ulf J. Froitzheim

Der Name war kurz, bündig, prägnant: "ClickandBuy". So simpel, dachte sich der IT-Unternehmer Norbert Stangl, müsse der Bezahlvorgang im Online-Shop sein, nicht so umständlich und riskant wie die Banküberweisung mittels PIN und einer Liste mit 50 TANs im Schreibtischfach. Doch was vor 15 Jahren die innovative Idee eines Quereinsteigers war, ist bald Geschichte.

Im Mai schaltet die Telekom, seit 2010 glücklose Eignerin der ClickandBuy International, den Kassierdienst ab. Der Hamburger Otto-Konzern hatte mit seinem Luxemburger Ableger Yapital weniger Geduld. Nach vier Jahren nahm er Europas "erstes bargeldloses Cross-Channel-Payment"-System kürzlich vom Netz. An Tausenden von Kassen in Rewe-Supermärkten hätten die Kunden damit testen können, ob das Bezahlen per QR-Code auf dem Smartphone etwas für sie ist. Nur machte das fast niemand.

Wenn es dumm läuft, floppt als Nächstes paydirekt. Im Gegensatz zu ClickandBuy und Yapital stammt dieses neue digitale Bezahlverfahren von den traditionellen Profis in Sachen Geldverkehr: Volksbanken, Privatbanken und Sparkassen haben sich zusammengerauft, um ein bequemes und sicheres Standardsystem zu schaffen, bei dem Kunden direkt im Onlineshop die Abbuchung des Rechnungsbetrags freigeben können.

Fokus: Fintech

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 Erstens gibt es aber etwas Ähnliches längst: PayPal und Sofortüberweisung. Zweitens kauft heute jeder zweite Online-Kunde auf Rechnung oder per Lastschrift, braucht also nichts Neues. Drittens steht paydirekt für einen weiteren deutschen Alleingang. Dieser begann, viertens, zur Unzeit: Als die ersten Banken im Herbst ihre Kunden noch sehr vage über die Pläne informierten, segnete das Europäische Parlament eine Richtlinie ab, die den in der EU tätigen Zahlungsdienste-Anbietern schon 2017 einen neuen gesetzlichen Rahmen setzen und manches Geschäftsmodell infrage stellen wird. Unter anderem wollen die Brüsseler Verbraucherpolitiker Transaktionsgebühren deckeln oder abschaffen.

Dass die Revolution an der echten oder virtuellen Ladenkasse – wenn sie denn kommt – nicht gerade von Deutschland ausgehen wird, ist kein Wunder. Einerseits hängen die Menschen nirgendwo mehr an Scheinen und Münzen als hier. Andererseits ist die viel geschmähte IBAN-Überweisung im einheitlichen europäischen Zahlungsraum (SEPA) besser als ihr Ruf – jedenfalls verglichen mit den papierenen Scheckheften, die US-Amerikaner noch heute oft zücken müssen, um Rechnungen zu begleichen.

In der internationalen Finanzwirtschaft gilt "Payment" als eines der spannendsten Themen. Fortschritte beim bargeldlosen Bezahlen beflügeln die Fantasie von Digitalisierungsstrategen in Bankmetropolen wie New York und London ebenso wie im Silicon Valley. "Früher ging es darum, an den Bezahltransaktionen Geld zu verdienen", erklärt Key Pousttchi, Professor für Wirtschaftsinformatik und Digitalisierung an der Uni Potsdam. "Heute ist das Bezahlen nicht mehr der Zweck, sondern Mittel zum Zweck, Daten zu sammeln." Wo früher Banken und Kreditkartenunternehmen unter sich blieben, mischen heute Händlerkonsortien und IT-Konzerne wie Apple, Google oder Samsung mit, vor allem aber eine kaum überschaubare Schar von hoch motivierten Neulingen, die an einer Zukunft ohne Portemonnaies, Bargeld und Plastikkarten basteln.

Hinter der Gründerszene stehen potente Geldgeber. Laut einer Accenture-Studie pumpten Investoren allein 2014 gut zwölf Milliarden Dollar in mehr als 700 "Fintechs", mehr als dreimal so viel wie im Jahr davor. Die von "financial technology" abgeleitete Bezeichnung ist irreführend: Viele der Jungunternehmer wollen den Banken nicht als IT-Dienstleister technisches Know-how verkaufen, sondern ihnen Kunden abluchsen. Und zwar genau an den Stellen, wo die Banken schwächeln oder eine Marktchance sausen lassen. Weil beispielsweise ihre IT nicht flexibel genug ist, um Normalsparern ohne horrende Gebühren Zugang zum Kapitalmarkt zu verschaffen oder um ein Girokonto mit Apps aufzuwerten, die aufschlüsseln, wofür eigentlich immer das ganze Gehalt draufgeht.

"Wenn es darum geht, neue Business-Funktionalitäten anzubieten oder Trends zu setzen", sagt der Frankfurter Finanzwissenschaftler Andreas Hackethal, "haben die Banken mit ihren komplexen Systemen, die mit der Zeit entstanden sind, einen Wettbewerbsnachteil." Nach dem Motto "Unbundling the banks" versuchen die Fintech-Start-ups in immer mehr Tätigkeitsfelder alteingesessener Institute vorzudringen: Zahlungsabwicklung, Privat- oder Firmendarlehen, Bonitätsprüfung, Konto- und Depotführung, Hypothekenvermittlung, Sparpläne.

Entstanden ist eine Gründerbewegung, die neue Räume erobert, manchmal jedoch auch Züge eines neuen Wilden Westens trägt. Denn seit der Finanzkrise nutzen die Newcomer zwar die Ressentiments, die sich die traditionellen Banken selbst eingehandelt haben – aber nur fürs Marketing. Wirklich besser als die traditionellen Häuser sind viele nicht. Zieht man das Gerede von der Disruption ab, bleiben bisweilen erschreckend unseriöse Angebote übrig. Am deutlichsten wird das im Kreditgeschäft, wo die Angreifer insbesondere in den USA schon weit gekommen sind. Kunden locken die Fintechs mit schnellem Geld – Entscheidung binnen Minuten, Überweisung morgen. Doch der Preis ist ein Risiko, das nur wenige Anleger überschauen.

Das Konzept des Crowd- oder Marketplace Lending etwa wird gern im "Sendung mit der Maus"-Stil mit dem Prinzip vom Geben und Nehmen verklärt: Wer etwas Geld übrig hat, leiht es jemandem, der knapp bei Kasse ist, und darf sich auf Zinsen freuen, die im Prozent- und nicht im Promillebereich liegen. Da keine Bank mitverdient, haben beide Seiten etwas davon. Alles klingt fair, sozial, eben typisch Peer-to-Peer. Doch auch junge Online-Darlehensmakler arbeiten nicht gemeinnützig, sondern streben ganz traditionell nach Profitmaximierung.

Kreditmakler sind fürs Finanzwesen, was Uber fürs Taxigewerbe ist oder Airbnb für die Hoteliers: Die disruptive Innovation steckt weniger in Algorithmen als im Geschäftsmodell. Bevor der Kreditnehmer einen Cent sieht, zwacken Plattformen wie Lending Club und Prosper bis zu fünf Prozent des Darlehensbetrags für sich ab. Anders als Banken tragen sie nicht das unternehmerische Risiko, sondern bürden es Kleinspekulanten auf, die sich mit einem Mix aus Gier und Naivität an die neue Anlageform herantasten. Man kann sein Risiko streuen, indem man sein Investment in Kleinbeträge splittet und auf Dutzende Kreditnehmer verteilt. Aber schon eine Ausfallquote von 1:10 lässt die Realverzinsung von 15 auf 3,5 Prozent abstürzen.

Die unkomplizierte Kreditvergabe funktioniert nur, weil Onliner-Geldverleiher normalerweise keine Sicherheiten verlangen; die Zielgruppe besitzt selten welche. Sie begnügen sich mit einer kurzen Bonitätsabfrage bei der Kreditrating-Agentur. Je höher das Ausfallrisiko, desto höher der Zins. Bei Privatkrediten in den USA endet die Skala bei 36 Prozent. In der Schweiz würden sich Geldverleiher damit strafbar machen: Alles ab 15 Prozent gilt in der Bankenrepublik als krimineller Zinswucher.

Noch üppigere Renditen werfen unbesicherte Überbrückungskredite für Kleingewerbetreibende am Rand des finanziellen Abgrunds ab. OnDeck, ein auf dieses heikle Marktsegment spezialisiertes Fintech mit Investoren von Peter Thiel über Google Ventures bis zu Goldman Sachs, kassiert im Schnitt 43 Prozent Zinsen im Jahr. Selbst das lässt sich toppen, etwa von Kreditech, einem 2012 gegründeten Unternehmen aus Hamburg, das 2014 zu Deutschlands "Fintech-Start-up des Jahres" gekürt und 2015 auf dem Burda-Event DLD für die "Digital Innovation of the Year" gefeiert wurde. Die unter anderem von den Samwer-Brüdern mit viel Kapital ausstaffierte Firma besitzt keine deutsche Banklizenz, darf aber in schwach regulierten Märkten wie Russland, Polen, Spanien oder Mexiko agieren. In Polen kosten die Kurzzeitkredite für Privatkunden ein Prozent Zinsen pro Tag, in Mexiko fast zehn Prozent pro Woche. Offiziell ausgewiesener effektiver Jahreszins: 2334 bis 6231 Prozent.

Wie die Hamburger begnügen sich bisher alle Fintech-Gründer mit einzelnen, lukrativ erscheinenden Marktsegmenten wie Darlehen und Zahlungsverkehr. Ein bekannter Finanzier will höher hinaus. "Ich würde mein Leben dafür geben, eine disruptive Bank zu finanzieren", twitterte Marc Andreessen, Web-Urgestein und prominenter Fintech-Investor, schon 2014. "Ich will die pure Software-Bank ohne physische Infrastruktur, und obendrauf eine vollständige API für Finanz-Apps."

Dank dieser API, also einer klar definierten Schnittstelle für die Datenübergabe, könnte der Kunde problemlos Funktionen nutzen, die seine virtuelle Bank nicht selbst anbietet. Wie aus einem Legokasten könnte er seine Wunschbank zusammenbauen. Im Extremfall würde Wirklichkeit, was sich die Visionäre der Kryptowährung Bitcoin schon lange erhoffen. Statt Menschen gäbe es beispielsweise nur noch die Blockchain, um Transaktionen abzuwickeln.

Die Gründung einer radikal spartanischen Vollbank mit Sitz in der Cloud wäre weniger ein technisches als ein regulatorisches und betriebswirtschaftliches Problem. Banken benötigen nicht nur staatliche Lizenzen (siehe Kasten unten), sie unterliegen im geschäftlichen Alltag zudem umfangreichen gesetzlichen Vorgaben, die an die Existenz natürlicher Personen als Verantwortliche anknüpfen. Die "pure Software-Bank" à la Andreessen ließe sich nicht als virtuelles Unternehmen verwirklichen. Sie bräuchte ein Hauptquartier mit Managern, die man notfalls vor den Kadi ziehen könnte.

Zudem wäre das Re-Engineering aller relevanten Geschäftsprozesse nach dem neuesten Stand der IT, der Gesetze und der Datensicherheit ein so aufwendiges Projekt, dass diese Bank rasch einen nennenswerten Marktanteil gewinnen und halten müsste, damit ein Wagnisfinanzierer auf seine Kosten käme. Da ihr primäres Alleinstellungsmerkmal aber der Verzicht auf Komfort- und Kostentreiber wie eigene Rechenzentren, Geldautomaten, teures Beratungspersonal und konsequenterweise jegliche Servicehotline wäre, dürfte die Zahlungsbereitschaft der Kontoinhaber mit der von Ryanair-Passagieren vergleichbar sein. Eine Panne, die das Vertrauen ankratzt, könnte sich diese Billigbank nicht erlauben. Dank der API könnten Kunden so leicht wie nie zuvor zur Konkurrenz wechseln.

Ein Angreifer, der die etablierten Vollbanken überflügeln wollte, bevor sie sich dagegen wehren können, wäre ohnehin spät dran. "Die Fintechs haben den notwendigen Innovationsschub in die Branche gebracht", meint Sven Korschinowski, Bankenexperte bei der Unternehmensberatung KPMG. Nun tun immer mehr Vorstände der etablierten Banken, was IT-Fachleute schon lange fordern: Sie machen die digitale Erneuerung zur Chefsache. Jamie Dimon, Chef des New Yorker Bankriesen JPMorgan Chase, erklärte seinen Aktionären, dass er Wettbewerber nicht nur an der Wall Street sieht, sondern auch in Kalifornien: "Silicon Valley kommt."

Auch John Cryan, neuer Boss der Deutschen Bank, macht sich keine Illusionen darüber, dass er in zeitgemäße IT investieren muss. "Wir haben lausige, schrecklich ineffiziente Systeme", klagte der Brite, als er nach der ersten Einarbeitung vor die Presse trat. Francisco González, CEO der spanischen Banco Bilbao Vizcaya Argentaria, drehte im März 2015 gar den Fintech-Spieß um und verkündete: "BBVA wird in Zukunft eine Softwarefirma sein." Das ist mehr als Kampfrhetorik von Managern, die sich in die Ecke gedrängt fühlen. Experten wie Stephan Paxmann sind sich sicher, dass die großen Banken die Kurve kriegen, wenn sie jetzt investieren. Allein die Deutsche Bank habe für die digitale Transformation eine Milliarde Euro eingeplant, sagt der Mitinhaber der Frankfurter Unternehmensberatung TME. Selbst mit dem Blockchain-Prinzip des Bitcoin experimentieren etablierte Banken bereits.

Schon einmal haben die Finanzinstitute gezeigt, dass sie sich neu erfinden können. Lange bevor sie zu Zielscheiben für schöpferische Zerstörer wurden, waren Banken die IT-Pioniere schlechthin. Vor mehr als einem halben Jahrhundert brachten sie die erste Welle der Digitalisierung ins Rollen. Mit der Umstellung von handschriftlich geführten Sparbüchern und Lochkarten-gesteuerten Addiermaschinen auf EDV gelang ihnen ein radikaler Schritt, neben dem selbst die pfiffigsten Ideen der Fintechs wie Bagatellen wirken: Statt den Beschäftigten Bargeld in Lohntüten auszuhändigen, konnten Arbeitgeber ihnen das Gehalt nun überweisen. Dazu brauchten die Arbeitnehmer Girokonten.

So schufen Banken und Sparkassen neue Bedürfnisse und sich selbst einen Markt. Sie verdienten an Kontoführungsgebühren und erfanden den Dispokredit für Arbeitnehmer. Nicht zuletzt etablierten die Banken mit der Kombination aus überziehbarem Gehaltskonto, maschinenlesbaren Euroschecks und "Einzugsermächtigungen" (Vorläufer des Lastschriftverfahrens) das erste große IT-gestützte Kundenbindungskonzept. Die Bankverbindung zu wechseln war irgendwann zu mühsam.

Die lausige Effizienz der Systeme, die John Cryan wurmt und den Fintechs Auftrieb gibt, ist nichts anderes als die Schattenseite der frühen Erfolge. Die Hardware wurde turnusmäßig erneuert, doch die CEOs und CIOs verdrängten die naheliegende Frage nach der Zukunftsfähigkeit der Software. Eine Tätigkeit nach der anderen wurde computerisiert, als gebe es kein Morgen. Der Blick in den Rückspiegel war Luxus, "never touch a running system" wurde zum geflügelten Wort. Wenn sie die laufenden Systeme doch anfassen mussten, fanden sie nicht die Zeit, ihre Eingriffe systematisch zu dokumentieren. "Legacy" heißt dieser Wirrwarr heute, Hinterlassenschaft. Zwei Drittel der IT-Kosten, hat die Unternehmensberatung CSC ausgerechnet, gehen bei den Banken für Wartung und Compliance drauf – "ein nicht zu rechtfertigender Aufwand an Mitarbeiterstunden und Geld", warnt CSC-Deutschland-Chef Claus Schünemann.

Aber die Legacy-Systeme sind nicht nur teuer im Unterhalt, sondern auch gefährlich langsam: Während der Finanzkrise von 2008 mussten Bankvorstände, die einen Überblick über ihre aktuellen Risiken benötigten, tagelang warten, bis die Informationen aus einer Vielzahl von Quellen aggregiert waren. Der internationale Ausschuss für Bankenaufsicht in Basel hatte deshalb "global systemrelevante" Banken bereits verdonnert, bis Ende 2015 ihre IT auf Vordermann zu bringen. Bald dürfte sich erweisen, wer es nicht geschafft hat. Gleichzeitig bringen auch Verbraucherschützer die Branche in Zugzwang. Die neue Brüsseler Zahlungsdienste-Richtlinie "PSD II" legt zum Beispiel das lukrative Geschäft mit Transaktionsgebühren trocken: Händler müssen ab 2017 nur noch 0,3 Prozent des Kreditkartenumsatzes abführen. Und sie dürfen ihrerseits den Endkunden keinen Zuschlag mehr aufbrummen, wenn diese im Laden oder Onlineshop eine bestimmte Zahlungsweise wählen.

Daher müssen alle Mitspieler ihre Geschäftsmodelle neu kalkulieren. Die neuen Regeln erleichtern zudem den Wettbewerb. "Die EU wird die Banken zwingen, Schnittstellen zu öffnen, über die andere Anbieter auf Kontodaten zugreifen können", erklärt Ökonomieprofessor Hackethal. Das kann ein sogenannter Zahlungsauslösedienstleister sein, der das Inkasso für einen Onlineshop erledigt, aber auch ein Dienstleister, der Endverbrauchern eine App bereitstellt, über die sie Konten bei mehreren Banken verwalten können.

Die Barrieren für den Markteintritt sinken also. Ziemlich sicher ist daher, dass Fintechs die Branche weiter in Bewegung halten. Sicher ist aber genauso, dass sie sich einen wirklichen Konfrontationskurs zu den etablierten Banken kaum werden leisten können. "Bestimmte Transaktionen wickeln Kunden nur ab, wenn sie es mit einem großen Markennamen zu tun haben", erklärte der Investor und frühere AWD-Chef Carsten Maschmeyer im "manager magazin". 90 Prozent der rund 200 deutschen Start-ups blieben auf der Strecke. Ein Teil der Überlebenden werde Partnerschaften mit Banken eingehen.

Verschiedene Institute suchen schon den Kontakt zur Szene. An allen wichtigen Finanzplätzen sponsern internationale Branchengrößen Innovation Labs, in Deutschland tut sich etwa die Commerzbank mit ihrem "Maincubator" hervor. Bei Geschäftsideen, die eine Banklizenz erfordern, gibt es bereits symbiotische Kooperationen. Das Berliner Start-up Number26 etwa kann ein Girokonto für die Smartphone-Generation anbieten, weil die Konten de jure von der Münchner Wirecard Bank geführt werden. Diese arbeitet als sogenannte "White Label"-Bank, die selbst im Hintergrund bleibt und den Endkundenkontakt dem Geschäftspartner überlässt. Für etablierte Institute, deren Schwerpunkt im Privatkundengeschäft liegt, läuft es hingegen eher darauf hinaus, Fintech-Entwicklungen einzukaufen und unter eigenem Namen zu vermarkten. Banken bieten ihren Kunden etwa "Robo Advisors" an: Die virtuellen Ratgeber wenden sich an Anleger, die für klassische Vermögensberater nicht reich genug sind, aber gern am Kapitalmarkt teilhaben würden (siehe Kasten unten).

Sehr wenig kommt bislang von den mehr als 400 Sparkassen und über 1000 Genossenschaftsbanken. Sie hatten aus Wirtschaftlichkeitsgründen seit den 90er-Jahren die IT-Kompetenz sukzessive an Gemeinschaftsrechenzentren abgegeben. Nun verfügen die im Landrats- und Handwerkskammermilieu verwurzelten Vorstände und Aufseher kaum noch über Know-how in Sachen effizienter und kundenfreundlicher Banking-Software.

Aber selbst bei ihnen beginnen sich die Zeiten zu ändern. Die Sparkasse Oberpfalz Nord in Weiden etwa betreibt das Smart-Banking-Portal s@on (www.sk-on.de). Die Kundenansprache gleicht den Auftritten der Fintechs und Onlinebanken – mit einem Unterschied: Es gibt einen persönlichen Berater. Der Kunde trifft ihn in einem "virtuellen Besprechungszimmer"; die Webcam im PC oder die Selfie-Linse im Tablet genügt. Bei seiner Filiale vorbeifahren muss er nicht mehr, was in der dünn besiedelten Oberpfalz eine zeitraubende Zumutung sein kann.

Dass diese Kombination von Innovation und Tradition aus einer der abgelegensten Gegenden Bayerns kommt, ist kein Zufall. Wenn junge Leute bisher aus der Provinz in die Großstadt zogen, verlor die Sparkasse Oberpfalz Nord sie als Kunden. Jetzt ist zumindest ein Umzug kein Grund mehr, ihr untreu zu werden. Und das sichert dem Institut viel eher die Zukunft als ein paar Onlinehändler im Landkreis, die ihren Kunden vielleicht irgendwann paydirekt als sechste Zahlungsoption anbieten. (bsc)