RTFM: "Die Telefonsoftware ist der Tod des Netzes"

Vor 20 Jahren schrieb c't übers "Telefonieren via Internet" - ein Trend aus den USA, der die Gemüter vieler c't-Leser erhitzte.

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Zurück in die Zukunft: Telefonieren übers Internet (c't 6/96)
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Achim Barczok

Das israelische Unternehmen VocalTec versuchte in den 90er Jahren etwas Unerhörtes: Mit Internet Phone" – übrigens angeblich damals auch gerne "iPhone" genannt – brachte das Unternehmen 1995 eine VoIP-Anwendung für PCs heraus. Das war im Juni 1996 Anlass für c't, die neue Technik genauer in Augenschein zu nehmen und die unterschiedlichen Programme vorzustellen.

Internet-Telefonie a la 1996 (7 Bilder)

WebPhone

Netspeak kostete damals knapp 50 Euro - immerhin bot die Firma Netspeak auch eine Demoversion an.
(Bild: c't)

Die Einschätzung aus c't von damals:

"Die Technik ist inzwischen weit fortgeschritten, und Telefonieren über Datennetze dürfte bald zu den Standardanwendungen gehören. Doch die amerikanischen Telefongesellschaften machen jetzt mobil, weil sie eine breite Akzeptanz der neuen Technik befürchten." (aus c't 6/96)

RTFM

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In den USA gab es eine große Gegenbewegung der Mobilfunk-Provider, die bei der FCC (US Federal Communication Commission) Sturm liefen, um Internet-Telefonie zu verbieten. Die c't vermutete, dass ein Verbot sich auch auf andere Bereiche auswirken könnte.

"Mit einer Sperre der Internet-Telefonie wäre die derzeitige Goldgräberstimmung im Cyberspace empfindlich beeinträchtigt. Entwicklungen, die gewohnte Techniken auf das Internet adaptieren, gibt es genug. Sie alle wären wahrscheinlich hinfällig, wenn sich die Aktivitäten im Internet ausschließlich am wirtschaftlichen Wohlergehen der Telefongiganten orientierten. Und so hoffen die Anwender und Produzenten gleichermaßen, daß kein neues Monopol die Entwicklung bremst. Negative Beispiele, wie schädlich das staatlich verordnete Sichern von Einnahmequellen sein kann, gibt es auch schon genug." (aus c't 6/96)

Ein Sprecher der Telekom sah die Bedrohung durch VoIP damals eher entspannt:

"Er hält die Nachteile in puncto Erreichbarkeit der Teilnehmer und Sprachqualität für zu groß, als daß sie die Mehrzahl der Kunden in Kauf nähmen, um billiger zu telefonieren. Im Gegensatz zu den Direktverbindungen im Telefonnetz garantiere das heutige Internet nicht die erforderliche Bandbreite." (aus c't 6/96)

Der Pressesprecher sagte dem Internet den totalen Zusammenbruch voraus, falls eine breite Masse darüber telefonieren wird.

Die Sorge, dass Internet-Telefonie das Internet kaputt macht, teilten auch einige c't-Leser, wie Auszüge aus den ein Heft später abgedruckten Leserbriefe zeigen:

"Das Internet wird immer mehr für irgendwelchen Blödsinn mißbraucht. Man kann unmöglich das Netz so ausbauen, daß jeder Benutzer über das Netz telefonieren kann." (aus c't 7/96)

"Zu Ihrem Bericht möchte ich sagen, daß es ein Ausnützen einer Struktur ist. Zur Zeit sind die Internet-Dienste noch günstig, aber wie lange noch? Die Anwender solcher Software sind in meinen Augen Schmarotzer. Die Gebührenstruktur kann so nicht funktionieren. Die Telefonsoftware ist der Tod des Netzes." (aus c't 7/96) (acb)