Gensequenzierung im All

In Vorbereitung auf künftige Mars-Missionen plant die NASA erste DNA-Tests im Weltraum.

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Von
  • Antonio Regalado

Mitte Juli ist es soweit: Dann soll eine Falcon-9-Rakete von Cape Canaveral zur internationalen Raumstation ISS abheben, die erstmals eine kompakte Gensequenziermaschine mit an Bord hat.

Was zunächst nicht ungewöhnlich klingt (die Technik ist bekanntlich schon lange ausgereift), erweist sich bei näherem Hinsehen als interessante Neuheit: Bislang kam nämlich noch niemand auf die Idee, DNA im All zu decodieren. Das könnte bei längeren Missionen eine durchaus praktische Anwendung sein – etwa, wenn es hoffentlich eines Tages zum Mars geht. Dann könnte die Crew nähere Untersuchungen gleich vor Ort durchführen, wenn ein Astronaut erkrankt oder beispielsweise plötzlich ein merkwürdiger außerirdischer Schimmelpilz im Raumschiff auftaucht.

"Derzeit nutzen wir Zellkulturen in der ISS und schicken sie dann zurück zur Erde, doch bei einer Reise zum Mars kann man nicht einfach eine Probe versenden", erläutert der NASA-Chemiker Aaron Burton, der das Experiment leitet. Die NASA sei außerdem daran interessiert, zu untersuchen, ob sich die Mikroorganismen im Magen eines Menschen verändern, während er im All unterwegs ist.

Das DNA-Sequenzierungsgerät, das in den Weltraum geschickt wird, ist außerdem recht speziell: Es handelt sich um den sogenannten MinION, der klein genug ist, um in eine Jackentasche zu passen. Das System saugt DNA zur Analyse durch klitzekleine Nanoporen.

Das Gerät stammt vom britischen Hersteller Oxford Nanopore, der mit seinem Produkt die Ära des "Ubiquitous Sequencing" einleiten will. Künftig soll DNA von Mikroorganismen quasi überall sequenziert werden können – egal ob in der Kanalisation, der U-Bahn oder im Dschungel.

Für die Firma ist der ISS-Versuch ein PR-Coup. Es gibt sogar einen hübschen NASA-Patch für das Projekt. Einen weiteren Grund dafür, dass die NASA auf den MinION setzt: Der Transport größerer Maschinen wäre (viel) teurer. Jedes zusätzliche US-Pound, das zur ISS geht, kostet rund 10.000 Dollar "Fracht" (entspricht 0,45 Kilogramm).

Christopher Mason, Biophysiker am Weill Cornell Medical College in New York, der bei dem Versuch beteiligt ist, meint, die Beförderung des 100-Gramm-Geräts koste 2000 Dollar. Die meisten normalen Sequenzierungsmaschinen haben die Größe eines kleinen Kühlschranks und wiegen zwischen 27 und 55 Kilo. Das würde allein an Transportkosten über eine Million Dollar verschlingen.

In der Schwerelosigkeit flog der MinION bereits mit – es gab Versuche im sogenannten Vomit Comet, einem NASA-Flugzeug, das als Simulator für die Mikrogravitation dient. "Das war eine technische Demonstration, um sicherzustellen, dass das System funktioniert", sagt Mason, der hofft, "merkwürdige" Organismen, die in der ISS oder gar auf Astronauten wachsen, künftig per DNA-Analyse charakterisieren zu können.

Die ISS-Experimente werden von der Astronautin und Virologin Kate Rubins durchgeführt, die Anfang Juli zur ISS fliegt. Es ist ihr erster Weltraumaufenthalt. Sie soll die DNA eines Virus, das Bakterium E. coli sowie Mäuse-DNA sequenzieren.

Obwohl das MinION-Gerät selbst sehr klein ist, braucht ein Benutzer zusätzlich einen Rechner und eine Internet-Verbindung. Zudem sind weitere Materialien notwendig, um die DNA-Proben vorzubereiten. Diesen Schritt will die NASA aber umgehen, indem die Proben in eingefrorenem Zustand in Spritzenform mitgenommen werden. Menschliche DNA will man dagegen (noch) nicht untersuchen – aus Gründen des Datenschutzes.

Sobald dann eines Tages eine NASA-Mission zum Mars unterwegs ist, kann ein Sequenzierungsgerät wie der MinION auch noch zu einem anderen Zweck dienen: Zur Suche nach unbekanntem Leben im All. (bsc)