Soziologe: Kirche im Internet wirkt lächerlich

Professor Reimer Gronemeyer, Theologe, Soziologe und ehemals evangelischer Pfarrer, hält Kirche im Internet für unchristlich und lächerlich.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 454 Kommentare lesen
Lesezeit: 2 Min.
Von
  • dpa

Wenn die Kirchen sich nur auf das Internet konzentrieren, geben sie sich der Lächerlichkeit und Unchristlichkeit preis. Darauf hat der Soziologe und frühere evangelische Pfarrer, Professor Reimer Gronemeyer von der Universität Gießen, am Montag in Frankfurt hingewiesen. In einer Veranstaltung der evangelischen Kirche unter dem Motto "Das Netz kommt – die Person geht" warnte Gronemeyer vor einem Zug zur Entkörperlichung als "bedrohlichem Grundzug unserer Zeit". Seelsorge im Internet etwa sei ihm ein Graus, denn so verliere die christliche Botschaft ihren Adressaten. Das einzige aber, was die Menschen an der Barbarei hindere, sei das "Antlitz des anderen".

Der Blick der Christen und der Kirche auf das Netz bedeute eine "Rücknahme der Inkarnation", das heißt der Körperlichkeit des Christentums, hob Gronemeyer hervor. Die "wunderbare Geschichte der christlichen Nächstenliebe" drohe damit zu zerfallen. Die Menschen würden sich von allen Traditionen lösen, um der "letzten Tugend" der Flexibilität zu frönen. Verinnerlichung, Subjektivität und Charakter als vom Christentum überlieferte Tugenden würden sich zunehmend verflüssigen und in einer Zeit der rasanten äußeren Beschleunigung untergehen.

Moral sei nicht mehr verinnerlicht, sondern werde an Maschinen abgegeben. Orientierungslosigkeit werde als Voraussetzung für Innovation- und Modernisierungsfähigkeit verlangt, warnte Gronemeyer. Begriffe wie Gerechtigkeit, Freiheit, Solidarität oder gemeinwohl seien von der Informationsgesellschaft in das 20. Jahrhundert zurückverwiesen. Damit werde das Christentum seit 2000 Jahren "erstmals ernsthaft in Frage gestellt". Die Existenz des christlichen Individuums ist damit Gronemeyer zu Folge "auf das höchste gefährdet" und kirchliches Handeln werde einerseits so aussichtslos, andererseits so notwendig wie nie zuvor. (dpa) / (jk)