#20JahreHO

Zukunft des Journalismus: Von der Absicht, eine Paywall zu errichten

Seit 20 Jahren arbeiten Webdienste daran, dass Leser für Artikel im Netz Geld bezahlen. Bisher ist das noch kein großes Geschäft, doch das könnte sich ändern. Das schreibt Markus Schwarze von der Rhein-Zeitung, die komplett hinter einer Paywall steht.

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Statue eines Zeitungslesers

(Bild: Asio otus CC-BY-SA 3.0)

Lesezeit: 17 Min.
Von
  • Marcus Schwarze
Inhaltsverzeichnis
#20JahreHO - Rückblicke und Ausblicke

heise online feiert Geburtstag und lässt kluge Köpfe in einer Artikelreihe nachdenken: Über das, was in 20 Jahren Technikentwicklung passiert ist - und über das, was in den nächsten Jahrzehnten kommen wird. Alle Artikel und Infos zu "20 Jahre heise online" versammelt die Themenseite zum Jubiläum:

Die Kunst des Einfachen ist eine besondere. Als wir beim Verlag Madsack in Hannover die erste Internet-Präsenz für die Hannoversche Allgemeine Zeitung aufsetzten, erschien sie unter der Adresse www.niedersachsen.com/mol/haz/index.html. Als Startseite, wohlgemerkt. Mit dem Wissen von heute erscheint solch eine komplizierte Adresse natürlich fremd. Sie weist aber noch zwei Jahrzehnte später den Weg.

Den Zugang zu beschleunigen, und sei es zunächst nur durch eine Vereinfachung der Adresse, in diesem Fall recht schnell HAZ.de, hat niemand besser als Amazon vorgemacht. Der patentierte Ein-Klick-Kauf dient als Blaupause für alles Verkaufen von Inhalten im Internet. Die gar nicht mal so triviale Mechanik setzt den Käufer in den Mittelpunkt: Wenn er einmal etwas auf Amazon bestellt hat, wird er künftig über Cookies, Mails und personalisiert ausgespielte Webinhalte darauf konditioniert, mit nur einem Klick weitere Güter zu kaufen. Amazon kennt die Auslieferungsadresse, die Bankverbindung fürs Bezahlen, sogar zuletzt aufgesuchte Artikel – da liegt es nahe, dem Kunden den Kauf mit so wenig Aufwand wie möglich näher zu bringen. Dass bei diesem "Retargeting“ Fragen des Datenschutzes auf der Strecke bleiben, erkennt jeder leicht, wenn er am Arbeitsplatz Werbung für just jene Bohrmaschine angezeigt bekommt, die er am Wochenende am Heimrechner aufgerufen hatte.

Ein Artikel von Markus Schwarze

Marcus Schwarze, Jahrgang 1969, hat seit 20 Jahren die Entwicklung des World Wide Webs begleitet – anfangs als Volontär, Redakteur und Ressortleiter für das Thema Internet und Computer bei der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“, inzwischen als Leiter Digitales und Mitglied der Chefredaktion bei der „Rhein-Zeitung“ in Koblenz.

Auch Apple hat gezeigt, wie es geht: Als Musik im platzsparenden Dateiformat MP3 aufkam und die Musikindustrie von Tauschbörsen wie Napster angegangen wurde, schuf Apple das unmöglich Erscheinende. Obwohl die Musikdateien vielfach frei erhältlich waren, stellte Apple die gleiche Musik in seiner App bereit – und mehr und mehr Nutzer ließen es sich gefallen, dafür bequem auf dem Handy ein paar Cent zu bezahlen. Die rechtliche Sicherheit beim Download dieser Songs war das eine, die für viele als besonders einfach empfundene Handhabe der zweite Grund.

Die Kröte, die die Musikindustrie dafür schlucken musste, hieß Entbündelung. Nicht mehr komplette Alben, auch einzelne Musiktitel wurden plötzlich erhältlich. Die Sorge vor der Kannibalisierung hat sich seitdem bewahrheitet. Die Musikindustrie verlor durch die Digitalisierung, anfangs per CD und dann iTunes, weltweit gut drei Viertel ihres Umsatzes. Erst seit 2014 setzt eine Kehrtwende ein. Treiber dahinter ist das Streaming, eine Art Neubündelung der einst entbündelten Inhalte in Form einer Flatrate. Im vergangenen Jahr 2015 wuchs der deutsche Musikmarkt erstmals seit langer Zeit wieder mit einem Plus von 4,6 Prozent. Die Verluste vergangener Jahrzehnte kompensiert das noch lange nicht, aber es ist ein Neubeginn.

An einem solchen Neubeginn arbeitet seit fast zwei Jahrzehnten auch die Medienbranche. Bei den lokalen und regionalen Tageszeitungen sinkt die Auflage – nicht so dramatisch wie die Verkäufe in der Musikindustrie –, aber eben auch Jahr für Jahr um ein bis vier Prozent. Dabei kommt man von einer hohen Verbreitung: Immer noch gut 12,29 Millionen Zeitungen werden täglich im Abonnement zugestellt, weitere 3,43 Millionen regelmäßig am Kiosk verkauft.

Die Digitalisierung hat die Branche nicht erst seit dem Aufkommen des Internets voll erfasst. Bereits mit dem Erfolg des PCs als Arbeitsgerät wurden in allen Zeitungshäusern Content-Management-Systeme und der sogenannte Ganzseitenumbruch am Computer eingeführt. Als jedoch das World Wide Web seinen medialen Siegeszug um die Welt antrat, galt der freie Zugang als das Mantra: "Information wants to be free“, lautete ein geflügeltes Wort von Technikaktivisten bereits 1985. Die Kosten für Informationen und Nachrichten sind seitdem stetig gesunken. Und so entschieden die Vorreiter der Medien im Web, Spiegel Online etwa oder die taz, ihre Nachrichten kostenlos bereitzustellen. Die Hoffnung lag auf der Online-Werbung, die mit den gratis vertriebenen Artikeln vertrieben wurde.

Zu einem durchschlagenden Erfolg ist diese Online-Werbung aber nicht geworden. Auf manchen Verlags-Websites verstören aggressive Overlay-Anzeigen und automatisch startende Videos die Leser mehr und verstecken die eigentlichen Inhalte.

Schon eher auf einen grünen Zweig kommen die Verlage durch ihre E-Paper-Angebote. Trotz Social Media und E-Mail-Newslettern von fast jedem Vereinspressesprecher gibt es offenbar im Digitalen weiterhin und sogar stark wachsend einen Bedarf an zusammengestellten, abgeschlossenen und auf ein überschaubares Tagespaket begrenzten Inhalten. Beim BDZV registrierten sie zuletzt deutlich mehr als eine halbe Million Abonnements für E-Paper-Abos – Tendenz 2016: stark steigend.

Hintergrund dürfte die Durchdringung des Lesermarktes mit passenden Lesegeräten sein. iPad und Android-Tablets waren da für viele ältere Leser nur der Einstieg. Die Jüngeren, die mit dem Smartphone aufwachsen, erstarken als Klientel: Es kommt vor, dass uns bei der Rhein-Zeitung Jugendliche und Mittzwanziger nach dem Zugang zur komplett für Abonnenten und Käufer vorbehaltenen Website Rhein-Zeitung.de fragen; schließlich verfügen die Eltern mit ihrem Print-Abo über die Berechtigung. Und da wir die Site passwortgeschützt an fünf Browser auf verschiedenen Geräten binden, bekommt der bezahlte Zugang wieder einen besonderen Wert. Perfekt ist das System nicht. Aber wir verschenken unsere Inhalte nicht mehr. Und wenn wir gelegentlich eine Breaking News veröffentlichen und sie auch bei Facebook und Twitter anreißen, eilen uns mittlerweile eigene Abonnenten zur Hilfe gegen Kritiker, die an unsere Bezahlschranke stoßen.

662 verschiedene Zeitungswebsites listet der Bundesverband deutscher Zeitungsverleger auf. So gut wie jede Zeitung vertreibt darüber hinaus eigene Apps – und stellt sie in der Regel ihren Abonnenten, häufig gegen Aufpreis, zur Verfügung. Von den 351 Zeitungen mit ihren 1528 lokalen Ausgaben haben gut ein Drittel Paywalls installiert. Nur wenige, sechs, haben ihr Angebot wie wir komplett hinter eine Paywall gelegt.

Die überwiegende Zahl der Modelle umfasst sogenannte Premium-Bereiche oder ein "Metered Model“. Wie "Premium“ funktioniert, hat Axel Springer vorgemacht: Marktführer Bild.de platziert mehr und mehr Texte unter einer Marke Bildplus. Die früher nicht unbedingt fürs Abonnementgeschäft bekannte Kaufzeitung setzt dabei auf besonders exklusive Inhalte wie Videozusammenfassungen von Bundesligaspielen 40 Minuten nach Abpfiff. Axel Springer zählt nach eigenen Angaben 310.000 digitale Abonnenten für Bild und rund 74.000 für die Welt. Eine Jahr zuvor waren es noch 260.000 beziehungsweise 60.000 Abonnenten. Springer-Chef Mathias Döpfner betont, dass die digitalen Aktivitäten mittlerweile 62 Prozent der Gesamterlöse ausmachen.

Das andere weit verbreitete Modell ist das "Metered Model“. Abgestuft nach Intensität der Nutzung wird der User immer häufiger mit der Bezahlschranke oder einer Vorstufe davon konfrontiert, je häufiger er die Website besucht. Bei der Main-Post aus Würzburg zum Beispiel sind fünf Artikel und Fotostrecken im Monat frei. Hat man dann "5 von 5 Inhalten“ gelesen, bekommt der Nutzer "Produkte“ angeboten, sie heißen "MP Web“ (12,99 Euro/Monat), "MP Digital“ (20,99 Euro/Monat) und "Tagespass“ (1,79 Euro/24 Stunden). Andere Medien wie Focus Online ermuntern ihre Leser zum Like per Facebook, bevor der Artikel sichtbar wird. Verbreitet ist auch die Methode, Leser zunächst zum Registrieren zu bringen und dann eine begrenzte Zahl an Beiträgen freizuschalten.

Artikel derart zu umzäunen, ist technisch nicht trivial. Bei manchen Bezahlschranken im Netz reicht es, den Browser zu wechseln, schon steht ein weiteres Kontingent an "Metered Model“-Artikeln bereit. Andere Dienste schalten ihre Artikel frei, sobald als sogenannter Referrer Google, Facebook oder Twitter erkannt werden. Insbesondere Google ist manchem Publisher als verweisende Quelle wichtig, damit die eigenen Seiten weiterhin von der Suchmaschine verschlagwortet und gefunden werden. Wer die Mechanik verstanden hat, braucht dann allerdings nur nach dem gerade aufgerufenen, von der Paywall gesperrten Artikel zu googeln, um ihn doch kostenlos zu bekommen.

Die vielen Umgehungsmöglichkeiten haben denn auch uns bei der Rhein-Zeitung bewogen, das komplette Angebot hinter die Paywall zu setzen. In der Folge haben wir rund 25 Prozent unseres Traffics verloren. Seitdem bedienen wir fast ausschließlich registrierte Kunden (Abonnenten) und Käufer von Zugangspässen. Die harten Geschäftszahlen veröffentlichen wir regelmäßig im Blog. Zwei Kennzahlen stechen dabei hervor: Zum einen haben sich mittlerweile knapp 39.000 Abonnenten eine Registrierung zugelegt. Bei einer Auflage von 170.000 ist können wir da sicher noch bei einigen Abonnenten Überzeugungsarbeit leisten, um ihnen den Zugang zu Rhein-Zeitung.de schmackhaft zu machen, den sie ohne Mehrkosten erhalten.

Zum anderen hat sich von den unterschiedlichen Zugangspässen unseres Angebots ausgerechnet (neben dem E-Paper) das teuerste als das am besten laufende entpuppt. Der Jahrespass zu 10,90 Euro/Monat wird von 545 Kunden genutzt. Insgesamt wurden zuletzt monatlich bei der Rhein-Zeitung mehr als 3100 Zugangspässe verkauft oder genutzt. Unsere Kritiker halten diesen Zahlen entgegen, dass sie für sich genommen kaum das Personal einer kompletten Online-Redaktion gegenfinanzieren. Andererseits verbreitert so das klassische Abonnementgeschäft in der Verlagsbranche zumindest den Spalt in der Tür des Digitalen. Die Einnahmen durch Contentverkauf überflügeln inzwischen die Einnahmen durch verkaufte Werbung. Werbung hat durch Adblocker einen zunehmend schweren Stand.

Dabei beschränkt sich das Angebot der Verlage längst nicht mehr auf die eigene Website. Neben den Apps für iOS und Android haben viele Medien Mechaniken entwickelt, ihre Inhalte bei Diensten wie Blendle, iKiosk (Axel Springer) und Readly zweitzuverwerten. Die Geschäftsmodelle reichen

  • vom simplen digitalisierten Kiosk, in dem man eine Zeitungs- oder Magazinausgabe einzeln kauft oder digital abonniert (iKiosk), über
  • die Flatrate von 9,99 Euro pro Monat für zuletzt 1617 Magazine wie Hörzu, Das neue Blatt oder GameStar (bei Readly), bis hin zum
  • komplett atomisierten Nachrichtenkiosk, in dem aus Hunderten von Zeitungen und Magazinen Einzelartikel verkauft werden (Blendle).

Blendle hat sich dabei in den vergangenen zwei Jahren einen festen Platz in der deutschen Verlagslandschaft erobert. Mit dabei sind unter anderem Spiegel, Süddeutsche Zeitung, FAZ, Zeit, Tagesspiegel, Stern und Welt sowie zahlreiche regionale Tageszeitungen. Der ursprünglich in den Niederlanden gestartete Dienst expandiert inzwischen die USA und erschließt dort unter anderem die New York Times, Washington Post, das Wall Street Journal und das Time Magazine.

Hintergrund für den Erfolg der Niederländer dürfte der besonders einfache Zugang zu den Artikeln sein: Auf blendle.com erhält jeder neue Nutzer zunächst 2,50 Euro als Guthaben geschenkt. Einzelartikel kosten je nach Gusto des beteiligten Verlags 1 Euro-Cent (beispielsweise für eine Fünf-Zeilen-Meldung bei der Rheinischen Post) bis zu 1,99 Euro für die Titelgeschichte des Spiegels. Bei Blendle hat man solche Texte häufig schneller gekauft, als einem lieb ist, nämlich durch – genau –: einen einzelnen Klick à la Amazon.

Sympathiepunkte verlieren die Macher um Marten Blankesteijn dennoch nicht, denn solche Artikel können bei Nichtgefallen zurückgegeben werden. Die Rückgaberate liegt bei der Rhein-Zeitung bei rund 30 Prozent, weitere 30 Prozent werden vom kostenlosen Anfangsguthaben "bezahlt“. "Zu kurz" lautet dabei eine ganz häufige Begründung für die Rückgabe, ebenso erhält der Leser sein Geld zurück, wenn er den Artikel innerhalb von zehn Sekunden wieder schließt. Lange, ausführliche Texte mit ordentlicher Strukturierung funktionieren im Digitalen besser als kurze, das haben die vergangenen 20 Jahre gezeigt.

Was die Verlage mit diesen Experimenten verdienen, behalten viele für sich. Bei der Rhein-Zeitung bleiben die Einnahmen überschaubar. Der beste Artikel, ein ausführliches Stück über die Dating-Plattform Tinder, verkaufte sich 153-fach, zum Preis von 49 Euro-Cent. In manchen Monaten kommt aber auch nicht mal eine dreistellige Zahl an Verkäufen insgesamt zusammen. Gut laufen Artikel meist nur dann, wenn sie über Social Media und einem sehr ansprechend gestalteten Newsletter von Blendle hervorgehoben werden. Demnächst soll auch auf Einzelportalen der beteiligten Zeitungen ein Blendle-Button sichtbar werden, um das Geschäft anzukurbeln. Immerhin: Überregional interessante Themen finden via Blendle Käufer, die sich vermutlich sonst nicht für unsere Themen interessieren.

Auf dem eigenen Portal verkaufen sich hingegen exklusive lokale und regionale Nachrichten am besten, zu jenen Themen, die es fast nur bei der Regionalzeitung gibt: Lokalsport, Blaulicht-Nachrichten, Insolvenzen von Firmen aus der Gegend. Schnell zu sein gehört dabei nicht nur zur Berufsehre der Onliner, sondern schlägt sich in den Verkaufsstatistiken wieder. Zunehmend interessant für die Verkäufe werden dabei auch Inhalte, die anderswo paradoxerweise kostenlos erhältlich sind. So erhielten wir Zehntausende nur unseren Abonnenten vorbehaltene Zugriffe auf einen Artikel, der einen eingebetteten Facebook-Post enthielt – aus den Zehntausenden von Kommentaren bei Facebook zum gewitterbedingten "Rock am Ring"-Abruf hatte die Redaktion genau den einen ausführlichen Kommentar gefunden, der Versäumnisse der Veranstalter mit einem mächtigen Satz auf den Punkt brachte: "Ihr habt mit unserem Leben gespielt“.

Hinzu kommt Video. Kaum ein Mediengenre erlebt eine größer steigende Verbreitung. Facebook spielt Videoinhalte massiv bevorzugt aus, und so können selbst nichtige Inhalte inzwischen mehrere zehntausend Leser erreichen. Das eine Stunde live übertragene Video einer angekündigten Pressekonferenz zu Rock am Ring, die sich dann verzögerte, lockte Tausende Nutzer an – obwohl es ein leeres Podium zeigte. Später ließ sich das gigabyteschwere Video leicht einbetten und mit dem Hinweis, dass ab Minute 45:23 die relevanten Redner sprechen und überhaupt etwas passiert, sogar monetarisieren. Die Ereignisse live und vor Ort zu verfolgen und in Form der zwei Hauptformate Liveticker/Social Media und abgehangene Zusammenfassung darzustellen, wird für Redaktionen zunehmend zur Pflicht.

Hinzu kommen auch weiterhin fremde Quellen. Aus dem Immer-Mehr und Meer an Veröffentlichungen bei Social Media zu destillieren, zu kuratieren und vor allem zu verknappen, bleibt auch künftig neben der Produktion eigener Inhalte einer der Hauptleistungen von Redaktionen. Das Große groß, das Kleine klein oder gar nicht – das Schnelle schnell und das Wichtige ausführlich, gut abgehangen erklärt und von mehreren Spezialisten ergänzt ein paar Arbeitsschichten später: So geht "Online“ 2016.

In Zukunft wollen die großen Unternehmen aus den USA, aber auch Samsung verstärkt bei Bezahldiensten im Netz mitmischen. Google nimmt mal eben 150 Millionen Euro in die Hand und finanziert interessierten Verlagen die Entwicklung neuer News-Anwendungen mit bis zu 70 Prozent der Kosten. Ziel der Digital News Initiative ist auch die Entwicklung eines besser funktionierenden Ökosystems für journalistische Inhalte. Facebook hat mit den besonders schnell ladenden "Instant Articles“ eine Tür zu Monetarisierungsmöglichkeiten über verbessert ausgespielte Werbung geöffnet. Und Apple weist den Weg mit einem Fingerabdrucksensor, der die lästige Anmeldung beim Kaufen von digitalen Gütern reduziert – derzeit vorwiegend für Apps und Musik. Von dort zu Einzelartikeln ist es nur ein Gedankensprung. Schon heute können Eltern ihrem Nachwuchs den Kauf kostenpflichtiger Apps freischalten, sofern sich die Familie digital im Apple-System digital vernetzt hat.

Handy-Hersteller Samsung entwickelt gemeinsam mit hochkarätigem Personal aus dem Springer-Konzern die News-App Upday, die auf allen Samsung-Handys prominent installiert wird und für die im zweiten Halbjahr 2016 eine Pay-Strategie ansteht. Ähnliche Versuche hatte Google bereits mit seinem Play Kiosk und diversen Partnern aus der Verlagsbranche unternommen, ohne dabei allerdings groß den Markt aufzurollen. Nebenbei entwickeln auch die Banken eigene neue Bezahllösungen (Paydirekt), die vor allem mit den Zahlungsabwickler Paypal konkurrieren soll.

Knüpft man die Trends weiter, dürfte in Zukunft derjenige das Rennen machen, der den besonders einfachen Kauf rigoros weiter vereinfacht – großartige Zeiten für Programmierer, die mehr als nur ein Händchen für leichte Gestaltung und nutzerorientiertes Design haben. Dem Ein-Klick-Kauf von Amazon folgt die Fingerabdruck-Freischaltung auf dem Handy. Websites werden vom Reichweitenmodell Abschied nehmen und auch optisch kenntlich machen, dass es hier nur wenige, aber dafür besonders hochwertige Inhalte zu lesen gibt. Die Klickibunti-Sites und Klickstrecken werden seltener – dafür bleiben Facebook und Co.

Daneben dürften Modelle einer Medien-Flatrate erstarken, die für eine Summe X im Monat die wichtigsten personalisierten lokalen News paart mit den Hintergrundartikeln mehrerer Sonntags- und Wochenmagazine – und zunehmend durch ganz andere Goodies ergänzt wird: Vergünstigungen bei Lieferdiensten für Lebensmittel und Einkäufe beispielsweise. Weniger Journalismus wird es dadurch nicht im Netz geben – aber eine Besinnung auf wenige Marken, die für Qualität stehen. Facebook und Co. sind nicht diese Marken, sie gehören zu den Plattformen, auf denen die Marken agieren. Das mag nicht jedem gefallen, aber daran nicht teilzunehmen, ist auch keine Option. Das Internet, so viel steht fest, geht nicht mehr weg. (axk)