Online-Geld von aller Welt

Jeder kann über das Internet Privatpersonen und Unternehmen Geld leihen. Die Gewinnaussicht ist hoch – aber auch das Risiko, alles zu verlieren.

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Von
  • Sascha Rentzing

Wenn die belgische Firma Fleye einen fliegenden Roboter zum Selbstbauen auf den Markt bringen will oder der Fachbetrieb Energieheld die Erweiterung seiner Internet-Plattform für energetische Gebäudesanierung plant – dann besorgen sie sich das nötige Kapital nicht von der Bank. Sie wenden sich an den Internetschwarm. Auf zahlreichen Plattformen finden Privatpersonen und Unternehmer mittlerweile Geldgeber für Vorhaben jeder Art und Größe. "Die Crowdfinanzierung boomt", sagt Thomas Hüttich von der Investitionsbank Berlin.

Das Institut schätzt, dass Anleger 2015 weltweit rund 30 Milliarden Euro online bereitstellten, doppelt so viel wie 2014. Als Ursprung der Idee gilt das nicht-profitorientierte Crowdfunding. Aus ihm haben sich in den letzten Jahren die gewinnorientierten Arten Crowdlending und Crowdinvesting entwickelt.

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Crowdfunding

Es ist sicherlich die prominenteste Form der Schwarmfinanzierung. Als das Plattenlabel ArtistShare 2003 mit der Idee startete, dass Fans im Voraus die Kosten von Musikalben stemmen, war diese Entwicklung nicht abzusehen. Doch obwohl bei dem Projekt kein finanzieller Gewinn in Aussicht stand, ging das Konzept auf. Bis jetzt haben Fans Geld für insgesamt 60 junge Bands und Künstler aufgebracht, davon haben neun den begehrten Musikpreis Grammy erhalten.

Heute sammeln Crowdfunding-Plattformen wie Kickstarter und Startnext jährlich Milliardenbeträge für Start-ups und Künstler ein. Sie stellen ihre Ideen im Internet vor und bitten um Geld. Wer Interesse hat, steuert eine beliebige Summe bei und bekommt in der Regel ein Dankeschön dafür – eine Autogrammkarte, eines der ersten Geräte. Der Einsatz ist ideell, die Geldgeber interessiert das Produkt, nicht die Rendite.

Crowdlending

Der Internetschwarm übernimmt die Rolle einer Bank. Das Geld muss mit Zinsen in einem bestimmten Zeitraum zurückgezahlt werden. Auxmoney, die größte deutsche Kreditplattform, hat seit ihrer Gründung 2007 bereits eine halbe Milliarde Euro privates Kapital an Privatpersonen und Unternehmen vermittelt. Die Plattform läuft, weil sie Anlegern eine relativ hohe Jahresrendite von bis zu 7,7 Prozent und Kreditnehmern schnell und unbürokratisch Geld verspricht.

Die Geldgeber tragen allerdings das volle Risiko. Die Plattformen fungieren nur als Marktplatz, der Kreditgeber und -nehmer zusammenbringt. Klappt die Rückzahlung nicht, müssen Anleger das geliehene Geld in der Regel abschreiben. Die einzige Ausnahme bildet Smava. Die Plattform teilt die Kreditgeber mithilfe von Daten der Personen und mathematischen Verfahren in Bonitätsklassen ein. Bei Zahlungsausfall wird der Verlust auf die gesamte Bonitätsklasse verteilt. Dafür zwackt Smava einen Teil der monatlichen Tilgung in einen Anlegerpool ab. Dadurch fallen zwar die Zinsen geringer aus, aber das eingezahlte Geld ist geschützt.

Ein wunder Punkt bleibt aber auch hier die Bonitätsprüfung, so zumindest sehen es viele Experten. Die Plattformen operierten im Randbereich eines Kreditmarktes, in dem Kunden mit geringer Kreditwürdigkeit angesprochen würden. Auxmoney hält dagegen. Die Ausfallrate liege bei drei Prozent und unterscheide sich damit kaum von den Ausfallraten der Banken, sagt Sprecherin Julika Röhrich. Investoren halten das Risiko offensichtlich für überschaubar.

Im Oktober gab der niederländische Versicherer Aegon bekannt, bei Auxmoney 150 Millionen Euro in private Kredite zu investieren. Das Investment sei eine strategische Entscheidung in Zeiten konstant niedriger Zinsen. Die Ergebnisse einer mehrmonatigen Testphase hätten Aegons Erwartungen weit übertroffen, heißt es.

Crowdinvesting

Bei dieser Variante kann man Firmen, Immobilien oder Ökokraftwerke mitfinanzieren. So will sich das Start-up TripRebel über die Internetseite Companisto gerade 400 000 Euro beschaffen, um eine Reiseplattform zu etablieren, die auch nachträgliche Preisrabatte erstattet. Arbeitet TripRebel später profitabel, werden Investoren am Erfolg beteiligt. Die Rendite kann üppig ausfallen. Geht ein Start-up etwa an die Börse, erhalten Investoren möglicherweise ein Vielfaches ihres Einsatzes zurück.

Doch auch das Crowdinvesting birgt Risiken. Denn die Kredite werden üblicherweise als sogenannte Nachrangdarlehen behandelt. Im Fall einer Insolvenz werden sie zuletzt bedient. Scheitert ein Projekt, ist die Investition im schlimmsten Fall komplett verloren. Das kommt nicht selten vor. Bisher sind nach Informationen der Finanzberatung Barkow Consulting in Deutschland 30 Unternehmen mit einem Finanzierungsvolumen von 8,1 Millionen Euro pleitegegangen, was einer Ausfallquote von 17 Prozent entspricht. "Wir reden hier von einem hochriskanten Geschäft mit Venture Capital", warnt Geschäftsführer Peter Barkow. (bsc)