Was Strom künftig kostet, könnte undurchsichtiger werden

Das dezentrale Energiesystem stellt die bisherige Kostenstruktur für Strom auf den Kopf. Die Tarife könnten künftig als "Energie-Flatrate" gebucht werden, meinen Experten.

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Was Strom künftig kostet, könnte undurchsichtiger werden
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Von
  • Eva Augsten

In diesem Herbst soll in Deutschland das erste Mehrfamilienhaus entstehen, in dem Mieter für Wohnen, Heizen, Strom und sogar für die anteilige Nutzung eines Elektroautos eine All-inclusive-Miete bezahlen. Sie wird etwa 1,50 Euro pro Quadratmeter mehr kosten als eine normale Kaltmiete. Zehn Jahre lang ist der Preis festgeschrieben. Im Gegenzug sparen die Mieter nach heutigem Stand Nebenkosten von rund zwei Euro pro Quadratmeter.

Zwei Drittel seines Energiebedarfs deckt das Haus mit Photovoltaikpaneelen und thermischen Solarmodulen selbst, berichtet der Entwickler des Konzepts Timo Leukefeld in der neuen Ausgabe Technology Review (jetzt im Handel und im heise shop bestellbar). Insgesamt 15 ähnliche Projekte sind nach Angaben des Freiberger Solarexperten in der Vorplanung, von Banken, Baufirmen oder Energieversorgern.

Für eine solche "Energie-Flatrate" spricht, dass Strom und Wärme aus Wind und Sonne kaum Betriebskosten verursachen. Der Ökostrom braucht stattdessen eine relativ teure Infrastruktur mit Speichern, Steuertechnik und Reservekraftwerken. Niedrige Grundgebühren und hohe Verbrauchspreise wie bisher ergeben daher keinen Sinn mehr. In seiner Kostenstruktur ähnelt das neue Energiesystem eher der Telekommunikation: Ist das Netz bezahlt, verursacht ein zusätzlicher Anruf kaum weitere Ausgaben.

Laut einer Studie des Freiburger Fraunhofer-Instituts ISE wird der Strom dadurch nicht teurer als in einem fossil basierten Energiesystem – jedenfalls dann nicht, wenn man für die konventionellen Kraftwerke steigende Brennstoffpreise, CO2-Abgaben und ohnehin überfällige Investitionen einrechnet.

Doch eines ist bei der Energie anders als beim Telefonieren: Wenn im Dezember wochenlang Nebel über dem Land liegt, wird der Strom deutlich knapper sein als an einem sonnigen Junitag mit einer frischen Brise. "Diese Signale muss auch der Strompreis abbilden", sagt Thies Clausen von der Berliner Denkfabrik Agora Energiewende.

Dass der Verbrauch in Privathaushalten von intelligenten Stromzählern minutiös aufgeschlüsselt und zu unterschiedlichen Tarifen abgerechnet wird, muss aber nicht unbedingt sein. "Die Erfahrung mit Einzelverbindungsnachweisen in der Telefonie zeigt, dass solche Details nur in der Übergangszeit interessant sind", sagt Holger Krawinkel vom Mannheimer Energieversorger MVV. Danach kommt die Zeit der Flatrates – oder genauer gesagt der Pakettarife. Ihr Preis orientiert sich vor allem an der Anschlussleistung, aber auch an der Nutzungsweise: Wer dem Stromversorger seinen Batteriespeicher zur Mitbenutzung anbietet, könnte einen Rabatt erhalten.

Die Gebäudetechnik und das Stromsystem verwachsen so immer enger miteinander. Die Unternehmensberatung Oliver Wyman legt Energieversorgern in einem Report sogar nahe, Stromtarife mit völlig anderen Angeboten zu verknüpfen. Denkbar wäre etwa eine Art Stadt-Abo mit Energieberatung, Internetanschluss und Nahverkehrsticket. Wie viel er für welches Produkt bezahlt, ist für den Kunden dann kaum noch zu überblicken.

Auch bei der All-inclusive-Miete im Sonnenhaus ist eine Nebenkostenabrechnung nur im Ausnahmefall vorgesehen: Wenn die Mieter den haushaltsüblichen Verbrauch deutlich überschreiten. Die Frage, was Strom kostet, lässt sich in Zukunft dann wohl nicht mehr so eindeutig beantworten wie heute.

Mehr zum Thema dezentrale Energieerzeugung lesen Sie in der aktuellen Ausgabe der Technology Review (jetzt im Handel und im heise shop erhältlich). (jle)