Mit Daten gegen Krebs
US-Vizepräsident Biden will den Kampf gegen Krebs deutlich beschleunigen. Damit das gelingt, werden vor allem mehr – und präzisere – Daten gebraucht.
- Mike Orcutt
Mit seinem Krebs-"Moonshot“ (also einem visionären Zukunftsprojekt) will der US-Vizepräsident Joe Biden das Tempo des Fortschritts bei Prävention, Diagnose und Behandlung von Krebs verdoppeln. Dafür werden reichlich neue Daten gebraucht. Also wird es mehr Vereinbarungen über Datenaustausch geben müssen, wie sie beim Cancer Moonshot Summit Ende Juni in Washington zwischen dem National Cancer Institute (NCI) der USA und Foundation Medicine verkündet wurde, einer Biotechfirma, die Tests zur Sequenzierung von Tumor-Genomen verkauft.
Um den Fortschritt voranzubringen, hat Biden deshalb zu mehr Datenaustausch und Zusammenarbeit zwischen Krebsforschern an Universitäten, in der Wirtschaft und in der Regierung aufgerufen. Foundation Medicine etwa wird dem NCI die genetischen "Profile" der Tumore von 18.000 Erwachsenen zur Verfügung stellen. Damit leistet es als erstes Unternehmen einen Beitrag zu den neuen “Genomic Data Commons“ des NCI, einer öffentlichen Datenbank und Analyseplattform für Krebsgenomik.
Datenbank fĂĽr die Krebsforschung
Mit den neuen Daten verdoppelt sich der Umfang der Datenbank, was für das Projekt von Biden und die Precision Medicine Initiative von Präsident Obama von großer Bedeutung ist. Die Daten helfen Forschern dabei, genetische Abnormitäten zu untersuchen, die bei vielen Krebsarten auftreten, und sie könnten auch zur Entdeckung neuer Therapiemöglichkeiten beitragen.
Bislang umfasste die NCI-Datenbank Sequenzierungsinformationen der Tumore von rund 14.500 Krebspatienten und klinische Daten über ihre Reaktion auf Medikamente. Große Datenbanken wie diese können Forschern dabei helfen, die Besonderheiten von Krebsarten besser zu verstehen und Hinweise dazu zu finden, warum manche Tumore auf Medikamente reagieren und manche nicht, und warum manche erst reagieren und dann erneut auftreten.
"Das Verstehen von Krebs steigern"
Die von Foundation Medicine gelieferten Daten sind weniger umfangreich, denn sie enthalten keine Informationen über das Ansprechen auf Medikamente. Trotzdem stellen sie eine "dramatische" Erweiterung der bisherigen Daten-Ressourcen des NCI dar, sagt Louis Staudt, Leiter des NCI Center for Cancer Genomics. Je mehr Daten vorliegen, desto größer ist die Chance, dass etwas Neues entdeckt wird. "Indem wir die Zahl der Patienten mehr als verdoppeln, können wir die Erklärungskraft der Datenbank für das Verstehen von Krebs enorm steigern", sagt Staudt.
Die Idee bei Präzisionsmedizin liegt darin, so viele biologische Informationen wie möglich zu nutzen, um Therapien exakter auf Patienten und ihre Krankheiten abzustimmen. Das Problem dabei ist im Zusammenhang mit Krebs, dass der weitaus mehr als eine einzelne Krankheit darstellt: Es gibt mindestens 200 Arten davon und noch viel mehr Unterarten, die anhand von konkreten Abnormitäten im Tumor-Genom bestimmt werden.
Neue Ziele fĂĽr Medikamente
Manche Patienten haben Tumore mit Abnormitäten, die nur bei einem extrem kleinen Teil der Menschen mit dieser Krebsart vorhanden sind, erklärt Staudt; manchmal gibt es trotzdem Medikamente, die dagegen wirken. Insofern könnten sich ähnlich seltene Veränderungen finden lassen, die bislang nicht entdeckt wurden und sich als neue Ziele für Medikamente eignen könnten. Mehr Patienten in der NCI-Datenbank steigern die Möglichkeiten dafür.
Staudt hofft darauf, dass die Spende von Foundation Medicine ähnliche Entscheidungen von anderen Gruppen mit Datensammlungen inspirieren wird, die von Wert für die Krebsgenomik sein könnten. Durch innovative klinische Studien will das NCI zudem auch selbst neue Daten generieren; bei NCI Match etwa geht es darum, gezielte Therapien bei großen Gruppen von Patienten zu testen, deren Tumore bestimmte Abnormitäten aufweisen.
Daten bereitstellen, um Präzisionsmedizin zu beschleunigen
Ideal wäre eine Datensammlung, die sowohl große Mengen an Sequenzierungsinformationen von Patienten als auch detaillierte klinische Informationen enthält, insbesondere über die Behandlungserfolge, sagt Clifford Hudis, CEO der American Society of Clinical Oncology. Dazu müssten Ärzte aber ihre Eintragungen in Krankenakten verbessern, und die Daten müssen computerlesbar sein.
Kompliziert wird diese Art der Informationskonsolidierung jedoch durch Bedenken in Zusammenhang mit der Privatsphäre von Patienten und durch Gesetze über Datenaustausch. Zudem werden kommerzielle Unternehmen nicht immer bereit sein, ihre Daten zur Verfügung zu stellen. Foundation Medicine hat sich nach eigenen Angaben in diesem Fall dazu entschieden, um die Präzisionsmedizin "zu beschleunigen". "Vielleicht gibt uns das etwas Starthilfe", sagt Hudis.
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