Schweiz: Referendum gegen verschärfte Überwachung wohl doch gescheitert

In der Schweiz wird es wohl doch nicht zu einer Volksabstimmung gegen das Gesetz zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (Büpf) kommen. Offenbar fehlen 5000 beglaubigte Unterschriften.

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Schweiz: Referendum gegen verschärfte Überwachung wohl doch gescheitert

Der Schweizer Nationalratssaal

(Bild: parlament.ch)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Tom Sperlich

Ein breit aufgestelltes Komitee hat in den letzten 100 Tagen weit über 50.000 Unterschriften gegen eine von den beiden Häusern des Schweizer Parlaments bereits beschlossene Verschärfung der Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs gesammelt. In dem Referendumskomitee engagieren sich u.a. verschiedene politische (Jung-)Parteien wie Grüne, Jusos oder Piraten sowie Firmen und Organisationen wie Swico (Wirtschaftsverband der Schweizer ICT-Branche), Digitale Gesellschaft, Chaos Computer Club Schweiz und viele andere.

An und für sich reichen 50.000 gesammelte Unterschriften zur Lancierung eines Referendums (Volksabstimmung) in der Schweiz. Sie müssen von den zuständigen Gemeinden jedoch noch beglaubigt werden. Gestern lief die Einreichungsfrist bei der Bundeskanzlei in Bern aber ab und es konnten nur gut 45.000 beglaubigte Unterschriften vorgelegt werden. Die Gründe für das vermutlich endgültige Scheitern sind vielfältig, berichten Medien. Sie reichen von Streit im Referendumskomitee, ungenügender Organisation und damit verlorener Zeit bis hin zum permanent schlechten Wetter, was das Sammeln der benötigten Unterschriften im öffentlichen Raum stark erschwert habe.

Somit kann das revidierte «Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs» (Büpf), wie von den eidgenössischen Räten verabschiedet, voraussichtlich in Kraft treten. Die verschärfte Überwachung kommt also, ohne dass das Stimmvolk darüber abstimmen kann. Mit sich bringt sie (nebst der ohnehin bereits existierenden sechsmonatigen Vorratsdatenspeicherung) den Strafverfolgungsbehörden etwa die Erlaubnis Trojaner in Computer und Smartphones einzuschleusen (um bspw. Skype-Gespräche mitzuhören), Antennensuchläufe (Rasterfahndung) durchzuführen oder IMSI-Catcher einsetzen. Die Gegner halten das für unverhältnismässig und gefährlich. Büpf schränke die Grund- und Freiheitsrechte ein.

Über das Thema Überwachung wird das Schweizer Stimmvolk dennoch bald abstimmen. Das neue Nachrichtendienstgesetz (NDG), dass dem Schweizer Nachrichtendienst (des Bundes – NDB) mehr Kompetenzen einräumt, wurde vom Parlament Ende 2015 beschlossen. Ein Referendumskomitee sammelte Anfang 2016 genügend beglaubigte Unterschriften dagegen. Man wendet sich in diesem Referendum vor allem gegen Schlüsselwort-Überwachung von ins Ausland führenden Datenverbindungen (die sogenannte "Kabelaufklärung") sowie das Eindringen in ausländische Computersysteme und Netze und anderes mehr.

Auch Büpf lässt sich vielleicht noch etwas zurechtstutzen, wie die "Digitale Gesellschaft“ hofft. Der Verein legte auf juristischem Weg Beschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung ein. Derzeit wird darüber am Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen verhandelt, so die Digitale Gesellschaft. Man sei auch bereit, die Beschwerde nötigenfalls bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg weiterzuziehen.
(axk)