Start-ups in den USA haben seltener Erfolg

Ist das Silicon Valley wirklich so innovativ, wie viele glauben? Tatsächlich haben es Start-ups zunehmend schwer, gegen etablierte Anbieter zu bestehen.

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US-Wirtschaft: Goliath gewinnt

(Bild: Yann Kebbi)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • James Surowiecki
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In den großen Städten könnte man leicht auf die Idee kommen, die USA seien ein Land der Start-ups. So hat sich im Silicon Valley die Zahl der Seed-Finanzierungen von 2007 bis 2012 mehr als verdoppelt. Einige Wirtschaftsforscher erzählen hingegen eine andere Geschichte: Das Unternehmertum in den USA sei in Wirklichkeit auf dem absteigenden Ast, und zwar schon seit Jahrzehnten. Das berichtet das Magazin Technology Review in seiner neuen Ausgabe (jetzt im Handel oder im heise shop bestellbar).

Korrekt ist: Die Zahl der Neugründungen ist insgesamt gefallen. Ein großer Teil davon fällt allerdings unter die "Subsistenz-Wirtschaft" – Gründer, die gar kein großes Unternehmen aufbauen wollen, sondern Spaß oder finanzielle Unabhängigkeit haben oder ihr eigener Chef sein möchten. Die Daten zeigen, dass in den vergangenen Jahren weniger Firmen aus diesen Motiven gegründet wurden.

Ein kleiner Teil der neuen Unternehmen aber ist von Anfang an auf Wachstum ausgelegt. Geleitet werden sie von "transformativen" Entrepreneuren, die sich an Jeff Bezos oder Elon Musk orientieren. Diese Firmen meinen wir üblicherweise, wenn wir von Start-ups sprechen. Sie haben in der Vergangenheit stets "überproportional große Beiträge" zur Entstehung neuer Arbeitsplätze geleistet, wie der Ökonom John Haltiwanger und andere Forscher gezeigt haben.

Auf solche Gründungen kommt es also am stärksten an, wenn man verstehen will, welche Bedeutung Start-ups für Volkswirtschaft und Innovationen haben. Laut einem Bericht der Kauffman Foundation vom Mai werden Start-ups dieser Art derzeit häufiger gegründet als in den vergangenen Jahren. Eine neue Arbeit der MIT-Ökonomen Scott Stern und Jorge Guzman hat sich ebenfalls auf "hochwertige" Start-ups mit ambitionierten Wachstumsplänen konzentriert. Kennzeichen sind beispielsweise Patentanmeldungen oder ein Firmenname, in dem der Gründer nicht vorkommt. Bei ihnen sei keinerlei Rückgang der Gründungszahlen festzustellen, und 2014 habe es sogar "das zweithöchste Level beim Wachstumspotenzial aller Zeiten" gegeben.

Der Haken dabei: Unternehmen mit Wachstumsambitionen werden heute zwar nicht seltener gegründet als früher, haben allerdings seltener Erfolg. Stern und Guzman formulieren es so: "Die Zahl der neuen Ideen und das Potenzial für Innovationen nehmen zu, doch die Fähigkeit der Unternehmen, bedeutend und systematisch größer zu werden, scheint abzunehmen." Es werden also nach wie vor viele Bäume gepflanzt, aber sie wachsen nicht mehr so in den Himmel.

Über die Gründe äußern sich Stern und Guzman nicht. Eine Erklärung allerdings drängt sich auf: die zunehmende Macht etablierter Konzerne. Man sollte meinen, in der Wirtschaft von heute stünden Großunternehmen stets kurz davor, vom Thron gestoßen zu werden. Tatsächlich gibt es Branchen, in denen das so war – etwa der Buchhandel oder das Musikgeschäft.

Doch die Ökonomen Ian Hathaway und Robert Litan dokumentieren in ihrer Studie der Brooking Institution 2014, dass sich die US-Wirtschaft in den vergangenen 30 Jahren stärker konzentriert hat, und zwar in fast jedem Sektor. "Es ist zunehmend vorteilhaft geworden, ein etablierter Anbieter zu sein, und weniger vorteilhaft, als Neueinsteiger zu agieren", schreiben sie. Selbst im Technologiesektor gibt es einen auffälligen Kontrast zwischen den wilden 90er-Jahren, als in vielen Branchen zahlreiche Akteure um Marktanteile kämpften, und der von Google, Amazon und Facebook dominierten heutigen Welt.

Kurzfristig mag all das kein großes Problem sein. Schließlich investieren Google, Amazon und Facebook massiv in Forschung und Entwicklung, und sie scheinen an ehrgeizigen Zukunftsprojekten interessiert zu sein. Außerdem stellen sie weiterhin rasch neue Mitarbeiter an. Langfristig aber braucht die US-Wirtschaft mehr Start-ups, die den Sprung zu schnellem Wachstum schaffen – weil sie die entscheidende Rolle für die Schaffung neuer Jobs spielen und weil sie dazu beitragen, technische Innovationen voranzubringen. (jle)