Klarnamenzwang schützt nicht vor Hasskommentaren

Anonymität abzuschaffen führe nicht automatisch dazu, dass Hass-Stürme aus dem Netz verschwinden, meinen Schweizer Soziologen. Stattdessen könnten sie dann sogar zunehmen.

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Klarnamenzwang schützt nicht vor Hasskommentaren
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Ein Anonymitätssverbot im Web dürfte "Shitstorms" nicht verhindern, sondern möglicherweise sogar anheizen. Davon gehen Forscher der Universität Zürich aus, nachdem sie 500.000 sozialpolitische Kommentare aus rund 1600 Online-Petitionen der deutschen Plattform openpetition.de zwischen 2010 und 2013 ausgewertet hatten. Dabei habe sich ergeben, dass die Verfasser von Hasskommentaren, die unter ihrem vollen Namen posten, häufiger sind als anonyme Hasskommentatoren.

Ausgangspunkt von Katja Rost, Lea Stahel und Bruno S. Frey vom Soziologischen Institut der Uni Zürich war die Annahme, dass Anonymität die Hemmschwelle senke und Hasskommentare begünstige. Die drei Soziologen haben aber nach eigenen Angaben herausgefunden, dass Hasskommentatoren zunehmend mit vollem Namen agieren.

Zu den Motiven, warum die Hasskommentatoren ihren Namen preisgeben, schreiben die Forscher, Hasskommentare seien oft Reaktionen auf Verletzungen einer sozialen Norm anstatt rein persönlicher Racheakte. Diese Online-Hasser rechtfertigten ihren Protest als moralische Pflicht und meinten, sich für eine gerechte Sache einzusetzen, also müssten sie sich nicht verstecken. Sie müssten auch nicht damit rechnen, dass ihr Verhalten geahndet werde.

Auch könnten Hasskommentatoren die Mitmenschen in ihren sozialen Netzwerken leichter überzeugen und mobilisieren, wenn sie mit ihrem richtigen Namen auftreten. Sie signalisierten dadurch Risikobereitschaft und erarbeiten sich so einen Vertrauensbonus. Dies könne ihren sozialen Status erhöhen, da sie sich in digitalen Netzwerken wie Facebook in "Freundeskreisen" bewegen, in denen ihre Äußerungen dank "Shares" und "Likes" widerhallen. (anw)