Theranos versucht ein Comeback

Die in Misskredit geratene Medizin-Unternehmerin Elizabeth Holmes gibt nicht auf: Bei einer Konferenz präsentierte sie eine neue Version ihrer Technologie für dezentrale Bluttests – ließ aber viele Fragen offen.

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Von
  • Ryan Cross
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Anfang August präsentierte Elizabeth Holmes, CEO des umstrittenen Bluttest-Anbieters Theranos, die Technologie ihres Unternehmens einem Publikum, vor das sie sich bislang noch nie gewagt hatte: den Teilnehmern einer medizinischen Konferenz.

Bei ihrem Vortrag erklärte Holmes, ihr Unternehmen habe ein raffiniertes "miniLab" entwickelt, das anhand eines Tropfen Bluts aus der Fingerspitze eine Reihe von Tests vornehmen könne, unter anderem auf den Zika-Virus. Ihr Publikum bestand aus skeptischen Wissenschaftlern, Ärzten und Laborkräften bei der American Association for Clinical Chemistry in Philadelphia.

Schon der Auftritt von Holmes auf der Konferenz war umstritten. Denn ihr Unternehmen, das nach eigenen Angaben Bluttests revolutionieren will, hat laut US-Bundesbehörden ungenaue Tests vermarktet und potenziell Patienten gefährdet. Holmes, die zwischendurch schon als der nächste Steve Jobs galt, wurde für zwei Jahre verboten, ein klinisches Labor zu führen; gegen diese Entscheidung kann sie noch Widerspruch einlegen.

Ihr neues Mini-Labor bezeichnete Holmes als das Ergebnis von mehreren Jahren geheimer Forschung. Es sei eine "einheitliche Plattform" für eine große Bandbreite an Testarten mit geringen Blutmengen. Der Test auf den Zika-Virus sei der US-Gesundheitsbehörde FDA zur Genehmigung vorgelegt worden. "Wir haben dieses Treffen gewählt, um einen wissenschaftlichen Austausch zu beginnen", erklärte Holmes. "Wir wollten unsere Erfindung vorstellen."

Die Unternehmerin schien die Konferenz als Chance für einen Neustart für Theranos zu sehen und sprach von einem "Wendepunkt". Statt jedoch wie erwartet Daten über die Genauigkeit der früheren Tests zu präsentieren, stellte sie die "neueste Version" der Testvorrichtung vor. Bei der Beschreibung der Technologie dahinter verwies sie erneut auf unbewiesene Durchbrüche von früher.

Mit dem neuen Mini-Labor, so Holmes, könnten Labortests "dezentralisiert" und an vielen Standorten vorgenommen werden. Das System werde über das Internet kommunizieren und so eine zentrale Verifikation der Ergebnisse ermöglichen. Auf die Frage, ob Theranos das Gerät anderen Wissenschaftlern zur Verfügung stellen werde, antwortete Holmes, genau daran arbeite sie derzeit.

"Wir wissen, dass es viele Fragen über die Vergangenheit gibt, und wir werden im richtigen Forum darauf reagieren", sagte sie.

Noch vor einem Jahr wurde Theranos von Anlegern mit 9 Milliarden Dollar bewertet und behauptete, Dutzende von diagnostischen Tests an einem einzigen Blutstopfen aus dem Finger und für einen Bruchteil der Kosten von normalem Laboren vornehmen zu können. Die Technologie werde Bluttests demokratisieren, behauptete Holmes, die mit 19 ein Studium an der Stanford University abgebrochen hatte.

Von 2013 an eröffnete Holmes mehr als 40 Wellness-Zentren in der Gegend um Phoenix im US-Bundesstaat Arizona, die meisten davon in Walgreen-Drogerien. Außerdem setzte sich Holmes für ein Gesetz ein, das Patienten den Kauf von medizinischen Tests ohne Rezept erlauben sollte. Dies könne einen Beitrag zur Prävention leisten.

Bald aber äußerten Forscher Zweifel an den Behauptungen von Theranos, die durch keinerlei wissenschaftliche Veröffentlichung gedeckt waren. So ist es bis heute – auch nach der einstündigen Präsentation von Holmes, bei der sie unter anderem ein Video des Mini-Labors in der Praxis zeigte.

Ernsthaft begannen die Probleme von Theranos im vergangenen Oktober, als das Wall Street Journal einen kritischen Bericht veröffentlichte: Die Technologie des Unternehmens – ein Gerät, das damals Edison hieß und offenbar der Vorgänger des Mini-Labors war – funktioniere nicht richtig, und Theranos habe Proben verdünnt, um sie auf normalen Laborgeräten durchzuführen.

Die einzige im Peer-Review-Verfahren geprüfte Publikation zu den Ergebnissen des Theranos-Bluttests stammt von Joel Dudley von der Icahn School of Medicine. Sie entstand ohne Beteiligung des Unternehmens, indem Dudley 60 Freiwillige fand, die neben dem Theranos-Test mit Blut aus der Fingerspitze normale Bluttests an sich vornehmen ließen.

"Wir waren geradezu geschockt, als wir feststellten, dass es keine Daten über Theranos gab“, sagt Dudley. Die Theranos-Ergebnisse hätten sich von denen der Standard-Tests unterschieden, "allerdings weniger deutlich, als man glauben könnte". Trotzdem kamen die Behörden zu dem Schluss, das Theranos-Labor werde so schlecht geleitet, dass es Patienten gefährden könne.

(sma)