Indizierung von Computerspielen - sinnvoll oder nicht?

Auf der Jahrestagung der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften ging die Auseinandersetzung um die Auswirkungen von Ballerspielen und Ego-Shootern weiter.

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Von
  • Dörte Tewes
  • dpa

Spätestens seit dem Massaker in Littleton (USA) sorgen Gewalt verherrlichende Computerspiele immer wieder für Diskussionen. Zwar sind Spiele wie Doom oder Quake – Lieblingsspiele der Amokläufer von Littleton – in Deutschland für Jugendliche und Kinder verboten. Die deutsche Gesetzeslage macht es den Vertreibern solcher Spiele allerdings leicht: Wenn die zuständige Bundesprüfstelle ein Spiel verboten hat, sind manchmal schon zehntausende Exemplare über den Ladentisch gegangen, im Fall von Quake III waren es 120.000.

"Wir dürfen erst indizieren, wenn die Produkte auf dem Markt sind", erklärte die Vorsitzende der zuständigen Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften am heutigen Donnerstag bei der Jahrestagung der Behörde in Nürnberg. "Die Spielfreaks wissen natürlich vorher, wann welche Extremspiele rauskommen und die Verleger sind clever genug, die Erstauflage so hoch zu bemessen, dass es trotz Indizierung in der Kasse klingelt", ergänzte der Leiter der nordrhein-westfälischen Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz, Jürgen Hilse. Daher erwische die Bundesprüfstelle mit ihrer Indizierung nur die Spitze des Eisberges.

Erschwerend wirkt zudem die illegale Vervielfältigung von Spielen. Auf diese Weise werden Spiele trotz eines Verbots verbreitet. Außerdem entsteht der Branche Millionenschaden. Der Geschäftsführer des Verbandes Unterhaltungssoftware Deutschland (VUD), Hermann Achilles, beziffert den jährlichen Raubkopien-Schaden mit 500 bis 800 Millionen Mark. Angesichts der hohen Entwicklungskosten von zwei bis zehn Millionen Mark pro Spiel stehe die Branche unter Druck.

Nicht alle Computerspiele seien brutal und aggressionsfördernd, betonen Verbandsvertreter wie auch Jugendschützer. "Viele Spiele haben auch positive Folgen. Sie schulen das strategische Denken, den Umgang mit Stress-Situationen und die Konzentration", sagte Kinder- und Jugendschützer Hilse. Man dürfe nicht alle Computerspiele in einen Topf werfen und ihnen den schwarzen Peter zu schieben. Vielmehr müssten die Folgen des intensiven Computerspielens differenziert untersucht werden. Wichtig sei auch, dass Kinder nicht vernachlässigt vor ihrer Konsole hingen, sondern Eltern sich in den Alltag ihrer Zöglinge einmischten.

Auch die Wissenschaftler, die sich mit den Auswirkungen von Gewalt verherrlichenden Spielen beschäftigen, wehren sich gegen allzu einfach Erklärungen. Der Zusammenhang zwischen Aggressivität und Computerzockerei werde von unzähligen Komponenten beeinflusst, sagte die Sozialpädagogin Heike Esser. Für die Frage nach den Wirkungen seien unter anderem das familiäre Umfeld, die Anzahl der Spielstunden und der Realitätsgrad eines Spieles wichtig. "Je realer und glaubwürdiger ein Spiel sei, um so eher findet eine Übertragung in die Wirklichkeit statt", erklärte sie. Ein Negativbeispiel seien die so genannten Ego-Shooter, bei denen der Spieler nicht mehr eine Bildschirm-Figur steuert, sondern quasi selbst zum Akteur wird. Szenerie, Waffen und Geräusche wirkten dabei extrem realistisch.

Gegen solche Spiele per Indizierung vorzugehen sei auch noch sinnvoll, wenn die entsprechenden Datenträger schon vergriffen seien, sagte der Jugendschützer Hilse. Es diene zumindest als Signalwirkung für die Hersteller. Am effektivsten könnten allerdings die Eltern ihre Kinder vor den Folgen von Gewalt verherrlichenden Computerspielen schützen. Eine Broschüre, die Hilse für das Bundesfamilienministerium geschrieben hat, beschreibt die gängigsten Spiele und die dahinter stehende Technik. Das Hobby ihrer Kinder soll Eltern so nicht länger ein Rätsel bleiben. (Dörte Tewes, dpa) (jk)