DNS: Internet-Rootzone wird im Oktober aus US-Aufsicht entlassen

Nach 18 Jahren unilateraler US-Aufsicht über die zentrale Rootzone gibt jetzt die US-Regierung grünes Licht für die Privatisierung.

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Internet Rootzone wird im Oktober privatisiert

(Bild: dpa, Frank Rumpenhorst)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Monika Ermert
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Ab 1. Oktober 2016 soll die zentrale Rootzone des Domain Name Systems vollständig in der Hand der Selbstverwaltung Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) liegen. Das hat nun der Chef der National Telecommunications and Information Administration (NTIA), Lawrence Strickling angekündigt. In einem Brief an den frisch gebackenen Chef der ICANN, Göran Marby ließ Strickling wissen, die Übergabe sei ausgemachte Sache, "sofern kein wichtiger Hinderungsgrund mehr auftaucht".

2014 hatte die US-Regierung ihre Absicht verkündet, sich aus der besonderen Aufsichtsrolle für die DNS-Rootzone zurückzuziehen. Sie ist ein Herzstück der zentralen Infrastruktur der Netzkommunikation, das "globale Grundbuch", in dem die Top Level Zonen von .ac über .de bis .zw eingetragen sind. Im März 2014 hatte die durch die Enthüllungen Edward Snowdens unter Druck geratene US-Regierung eingewilligt, ihre Rolle als Wächter über Änderungen im zentralen Rootzone-File und damit über die Internet Assigned Numbers Authority (IANA) abzugeben. Zu den IANA-Aufgaben gehören auch die Vergabe von IP-Adressblöcken an die regionalen IP-Adressverwaltungsstellen und das Führen einer Registry, in der Protokollnummern für Internetprotokolle verzeichnet sind.

Im Juni, nach gut zwei Jahren Vorbereitungszeit hatte Strickling der ICANN bereits bescheinigt, dass die Pläne für die künftige Aufsicht über die zentralen Infrastrukturaufgaben durch die ICANN, beziehungsweise deren Selbstverwaltungsgremien, den Anforderungen der NTIA genügen. Zur Bedingung gemacht hatte die USA insbesondere Staatsferne und verbesserte Transparenz und Rechenschaftslegung durch die mit einem 113 Millionen-Haushalt gar nicht mehr kleine Selbstverwaltung.

Am vergangenen Freitag lieferte die ICANN-Spitze den entscheidenden Zwischenbericht zur Umsetzung der notwendigen Reformen ab. Die Eintragung einer Tochter, "Public Technical Identifiers" (PTI) für den Betrieb der drei zentralen Datenbanken (Root, IP-Adresspool, IP-Protokollnummern) ist abgeschlossen. Vereinbarungen mit den "Kunden", den IP-Adressverwaltungsstellen und der Internet Engineering Task Force, sind getroffen. "Zu 65 Prozent" abgeschlossen ist die Abtretung der Markenrechte an "IANA", die künftig vom IETF Trust gehalten werden. Bis 30. September soll auch das abgeschlossen sein, versicherte die ICANN der NTIA. Postwendend kam daraufhin der Bescheid aus Washington: Die US-Verwaltung werde sich zum 30. September aus ihrer IANA-Rolle zurückziehen.

Genauso rasch wie Strickling, der die geplante Übergabe auf jeden Fall vor den US-Wahlen im kommenden November über die Bühne bringen will, reagierten am Mittwoch US-Gegner der Übergabe. Der konservative Think Tank TechFreedom kritisierte Stricklings Schritt scharf, sprach von einem klaren Verstoß gegen geltendes Recht und drängte gar auf strafrechtliche Ermittlungen.

Die NTIA soll laut Tech Freedom einen Beschluss des Kongresses verletzt haben, laut dem die NTIA keine Haushaltsmittel für die Übergabe der IANA verwenden darf. Die Evaluierung der für die Übergabe in Gang gesetzten ICANN-Reformen und die gestrige Entscheidung hätten aber sehr wohl Haushaltsmittel verschlungen, wetterte die Organisation und sprach von einem Affront gegen den Kongress.

Einige republikanische Abgeordnete hatten sich bis zuletzt für eine Verzögerung der Übergabe stark gemacht, unter anderem unter Hinweis darauf, dass auch der Einfluss autokratischer Regierungen auf die Selbstverwaltung durch die Übergabe wachse. Strickling versuchte die Kritiker zu besänftigen.

Kritik gibt es aber auch noch von anderer Seite. Ein Bestandteil der notwendigen Vorbereitungen bestand in einem Vertragsabschluss zwischen der ICANN und dem US-Telecomkonzern VeriSign. Dieser betrieb unter einem eigenen Vertrag mit der US-Regierung das technische Backend für den Server, über den die täglichen Änderungen des Rootzonefiles eingespielt werden. 300.000 Dollar jährlich erhält VeriSign für den Dienst, den der Konzern bislang kostenlos erbrachte.

Dieser Betrag stört kaum jemanden. Kritik hagelt es aber, weil die ICANN VeriSign eine Verknüpfung seiner Rolle als .com-Registry und der Aufgaben als Rootzone-Backend zugestanden hat. Anders als andere Registries kann VeriSign nach wie vor die Preise für .com stetig steigern. Andererseits genießt der Konzern allerlei Sonderkonditionen beim .com-Betrieb. Anders als für seine Wettbewerber unterliegt sein Vertrag nicht automatisch den Vorgaben, die die ICANN-Selbstverwaltungsgremien beschließen. Mitbewerber Donuts kritisiert die ICANN, sie bleibe in ihrer Aufsichtsrolle über VeriSign zaghaft, obwohl es mit 143 Millionen Domains sechsmal so viele hält wie die Konkurrenz zusammen.

Diskussionen über den ICANN-VeriSign Vertrag könnte es auch noch in anderer Hinsicht geben, unterstreicht US-Wissenschaftler Milton Mueller. Der Vertrag erlaube es der US-Regierung auch in Zukunft noch, der ICANN die Rootzone per Gesetz zu entziehen, und zwar via gesetzlicher Verpflichtung gegenüber VeriSign. Die Frage der rechtlichen Anbindung der Rootzonen-Aufsicht bleibt also auch für das kommende Jahr und weitere Reformen der ICANN ein heißes Eisen. (anw)