Taser: Polizei soll Elektroschock-Pistolen bekommen

Seit vielen Jahren gibt es in Deutschland Forderungen, auch normale Streifenpolizisten mit Tasern auszurüsten. Einiges spricht dafür, vieles dagegen. Nun will der Berliner Innensenator vorpreschen.

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Taser: Polizei soll Elektroschock-Pistolen bekommen

(Bild: dpa)

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Von
  • Andreas Rabenstein
  • dpa

Die Berliner Polizei soll mit Elektroschockwaffen, sogenannten Tasern, ausgestattet werden. Innensenator Frank Henkel (CDU) will die Pläne dazu am morgigen Mittwoch, zweieinhalb Wochen vor der Abgeordnetenhauswahl in Berlin, offiziell vorstellen. Das sagte ein Senatssprecher am Dienstag der dpa. Henkel, der auch CDU-Spitzenkandidat ist, hatte Polizeipräsident Klaus Kandt angewiesen, die Einführung dieser umstrittenen Distanzwaffen zu organisieren, wie die Berliner Zeitung berichtete.

Mit Tasern können kleine Metallpfeile über mehrere Meter Entfernung auf Menschen geschossen werden. Die Pfeile hängen an Drähten, über die elektrische Hochspannung übertragen wird. Durch elektrische Schläge werden Menschen kurzzeitig außer Gefecht gesetzt.

Wie weit die Pläne der Berliner Polizei, Taser anzuschaffen, fortgeschritten sind, war am Dienstag noch unklar. Der Kauf der mehr als tausend Euro teuren Geräte müsste vermutlich ausgeschrieben werden. Das könnte länger dauern. Nach den aktuellen Umfragen spricht viel dafür, dass in einigen Monaten eine linke Koalition in Berlin regiert und der Innensenator nicht mehr von der CDU kommt. Das Vorhaben könnte dann schnell wieder gestoppt werden.

In Staaten wie den USA tragen viele normale Streifenpolizisten Elektroschock-Pistolen. In Deutschland ist das Thema sehr umstritten. Die Spezialeinsatzkommandos (SEK) in vielen Bundesländern verwenden die Taser schon länger. Angreifer sollen damit gestoppt werden, ohne dass die Polizei schießen muss. Streifenpolizisten in Deutschland sind damit üblicherweise nicht ausgestattet, auch wenn das seit vielen Jahren immer wieder von konservativen Politikern und Polizeivertretern gefordert wird.

Die Berliner CDU erwartet von Elektroschockern eine bessere Abwehrmöglichkeit für Polizisten. Auch die konservative Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) hält die Taser für sinnvoll, weil die Angriffe auf Polizisten seit Jahren zunehmen und zahlreiche Beamte verletzt werden. Es gebe Situationen, in denen Pfefferspray nicht ausreiche, Schusswaffen aber nicht erforderlich seien. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) bewerten den Einsatz eher zurückhaltend.

Nach Angaben des Berliner Polizeijustiziar Oliver Tölle haben SEKs in der Hauptstadt Taser seit 2001 nur selten verwendet. Dabei sei es hauptsächlich darum gegangen, drohende Selbstmorde zu verhindern, schilderte er vor einigen Jahren im Rahmen einer Debatte in Mecklenburg-Vorpommern. Die Geräte seien nur in ganz wenigen Fällen sinnvoll einsetzbar. Wenn ein Täter jemanden unmittelbar mit einem Messer oder einer Schusswaffe bedrohe, sei der Einsatz nicht ratsam. Die genaue Wirkung des Elektroschocks sei nicht vorhersehbar.

Die Berliner Grünen befürchten einen Missbrauch der Geräte und werfen Henkel Wahlkampftaktik vor. Die Fraktionsvorsitzende Ramona Pop sagte am Dienstag: "Das ist eine letzte Verzweiflungstat von Frank Henkel. Er sollte sich lieber um die Grundausstattung der Polizisten kümmern, um Schießstände und Schutzwesten."

Kritiker der Waffen, darunter die Menschenrechtsorganisation Amnesty International, weisen daraufhin, dass der Elektroschock für Menschen mit schwachen Herzen gefährlich bis tödlich sein kann. In den USA soll es schon zahlreiche Todesopfer gegeben haben. Die Hemmschwelle für Polizisten, die Taser einzusetzen, sei niedrig. Außerdem erforderten die Geräte viel Training, weil die Pfeile nur ein Mal abgeschossen werden können und treffen müssen. Sonst wird die Zeit knapp, um noch die die Pistole zu ziehen.

In England starb kürzlich ein Ex-Fußballprofi nachdem die Polizei einen Elektroschocker einsetzte. Dalian Atkinson (48) erlitt etwa eineinhalb Stunden nach dem Polizeieinsatz einen Herzstillstand. Das teilte die britische Polizei-Beschwerdekommission (ICCP) mit. Ein Neffe Atkinsons sagte, der Ex-Fußballer habe unter Nieren- und Herzbeschwerden gelitten. Atkinson spielte in den neunziger Jahren als Stürmer für Aston Villa. (anw)