Herbstcampus: Barrierefreiheit von Anfang in den Software-Workflow einbauen

Auf dem derzeit tagenden Herbstcampus forderte Marco Zehe von der Mozilla Foundation die frühzeitige Einbindung von Barrierefreiheit in den Softwareentwicklungsprozess.

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Herbstcampus: Barrierefreiheit von Anfang in den Software-Workflow einbauen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Alexander Neumann

Mit einem Vortrag zur Software- und Webentwicklung im Zeichen einer inklusiven Gesellschaft hat Marco Zehe von der Mozilla Foundation am Donnerstag die 9. Auflage des Herbstcampus eröffnet. Da der Qualitätsbeauftragte für Barrierefreiheit bei Mozilla selbst von Geburt an blind ist und seit fast zehn Jahren für die Zugänglichkeit von Mozilla-Produkten wie den Firefox-Browser zuständig und beratend in dem Umfeld tätig ist, bekamen seine Hinweise besondere Aufmerksamkeit.

Marco Zehe arbeitet in Standardgremien wie der Web Accessibility Initiative beim W3C mit.

Dabei ging es ihm nicht allein darum, wie Entwickler ihre Software für Blinde zugänglich machen können, sondern dass man sich grundsätzlich mehr und früher – genauer gesagt vor der ersten Programmzeile – Gedanken dazu machen müsse, wer denn die Software nutzen könnte. Schließlich habe jeder fünfte Mensch mit irgendeiner Art von Behinderung zu kämpfen.

Gerade technisch versierte Menschen würden dazu neigen, komplexe Architekturen oder Anwendungsszenarien zu entwerfen, die zwar ebenso technisch versierte Menschen zu würdigen wüssten, dafür viele andere gar nicht verstehen. Umso mehr sei es wichtig, seiner Nutzergruppe genau zuzuhören und sich die Mühe zu machen, diese zu verstehen. Deswegen solle man ruhig auch Feedback von Nichttechnikern einholen. Das ist vor allem vor dem Hintergrund wichtig, dass der demographische Wandel dazu führe, dass 2030 in Deutschland, aber auch vielen anderen Ländern mehr als die Hälfte der Bevölkerung älter als 60 sein werden. Das ist ein sehr großer, aber auch sehr zahlungskräftiger Kundenkreis, bei dem viele schon früh das Internet kennen gelernt haben, die trotz ihres fortgeschrittenen Alters intensiv leben wollen und durchaus bereit sind, für Software oder Dienste Geld auszugeben.

Glücklicherweise beobachtet Zehe gerade in den vergangenen Jahren viele Verbesserungen. Insbesondere Apple habe sich bei Barrierefreiheit – mit Ausnahme gewisser Neuerungen bei iOS 8 – einen guten Namen gemacht, Google hole bei Android auf, bei den verschiedenen Linux-System gestaltet sich die Situation allerdings sehr unterschiedlich. War der Internet Explorer in Sachen Accessability wohl eine schlimme Angelegenheit, geht Microsoft bei seinem Edge-Browser offensichtlich mittlerweile den richtigen Weg, hinkt aber in Vergleich zu dem für Zehe führenden Firefox und dem Chrome-Browser noch etwas hinterher.

Für Entwickler gibt es anscheinend wenig Gründe, sich nicht möglichst früh mit der Barrierefreiheit bei der von ihnen entwickelten Software auseinanderzusetzen, denn es gibt nahezu für jede Programmierplattform entsprechende Accessability Bridges. Auch lässt sich offenbar schon sehr viel automatisiert testen. Klar sei die Beschäftigung mit dem Thema für viele ein neues Thema, doch das gelte ja auch für Techniken wie Node.js, React oder Angular. Hat man sich entsprechende Skills erarbeitet, gehe auch bei der Einbindung von Barrierefreiheit schon das zweite Projekt leichter von der Hand.

Leider wird laut Zehe Barrierefreiheit oft erst spät zum Softwareentwicklungs-Workflow hinzugefügt, was dann oft zu Problemen führe. Besser sei es, Barrierefreiheit von Anfang in den Workflow einzubauen. Je mehr Leute in einer Firma sich damit beschäftigen würden, desto besser sei es. Dabei war Zehes vielleicht wichtigste Botschaft, dass es ungemein helfe, sich die Welt viel diverser vorzustellen, als man sie zumeist vermutet.

Der derzeit in Nürnberg tagende Herbstcampus wird unter anderem von heise Developer, iX und dpunkt.verlag ausgerichtet, die allesamt zu Heise Medien gehören. (ane)