Belastender Bericht: Erklärungsprobleme für Maas in der Affäre Netzpolitik.org

Bundesjustizminister Heiko Maas will bei den umstrittenen Ermittlungen gegen Netzpolitik-Blogger dem später geschassten Generalanwalt Harald Range keine Weisungen erteilt haben. In einem Aktenvermerk hört sich das anders an.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 70 Kommentare lesen
Minister Maas

(Bild: dpa, Maurizio Gambarini/Archiv)

Lesezeit: 3 Min.

Wann wird aus einer Absprache eine förmliche Weisung? Wann könnte eine Ansage zumindest so verstanden werden? Um diese Fragen dreht sich der schon über ein Jahre alte Streit, der Bundesjustizminister Heiko Maas bei den brisanten Ermittlungen gegen Blogger von Netzpolitik.org wegen möglichem Landesverrat jetzt wieder einholt. Der SPD-Politiker hatte im August 2015 im Rechtsausschuss des Bundestags immer wieder betont, dass sich das von ihm geführte Haus nicht auf dienstrechtlichem Weg in die Tätigkeit des damaligen Generalbundesanwalts Harald Range eingemischt habe. Eine Aktennotiz stellt dies anders dar.

"Es gab keine Weisung", hatte Maas bei der Sitzung im Parlament mehrfach zu Protokoll gegeben, das Netzpolitik jüngst in voller Länge veröffentlichte. Das Vorgehen sei vielmehr zwischen der früheren Justizstaatssekretärin Stefanie Hubig, die mittlerweile Bildungsministerin in Rheinland-Pfalz ist, und Range "vereinbart" worden. Im Kern ging es darum, dass der Generalbundesanwalt den Auftrag für ein Sachverständigengutachten zurücknehmen sollte, da das Verfahren zu langwierig sei. Das Justizressort wollte stattdessen kurzfristig selbst eine Einschätzung beibringen.

Der Spiegel zitiert nun aus einem Aktenvermerk eines Oberstaatsanwalt der Bundesanwaltschaft über ein Telefonat Ranges mit dem Ministerium am 3. August 2015: "Nach Angaben von Herrn Generalbundesanwalt wies Frau Staatssekretärin Dr. Hubig ihn an, er habe die Erstellung des Gutachtens sofort zu stoppen und den Gutachtenauftrag zurückzunehmen", soll darin nachzulesen sein. Falls Range "dieser Weisung" nicht nachkäme, "werde er unverzüglich entlassen". Dieser habe daraufhin seine Mitarbeiterin angewiesen, den "Sachverständigen zu kontaktieren und die Gutachtenserstellung zu stoppen".

Hubig selbst hatte im Ausschuss unterstrichen: "Ich habe nie gesagt: Ich schmeiße Herrn Range raus oder sein Kopf fällt oder sonst irgendetwas in dieser Art und Weise." Sie habe den Generalbundesanwalt gefragt, ob es angesichts des Zeitdrucks nicht auch ein gangbarer Weg für die Karlsruher Behörde wäre, eine eigene rechtliche Einschätzung des Ministeriums in den nächsten Tagen zu übermitteln. Daraufhin habe Herr Range zu ihr gesagt, "dass sei aus seiner Sicht ein gangbarer Weg".

Zwei Tage später habe der Generalbundesanwalt ihr mittags mitgeteilt, der von ihm bestellte Gutachter "habe nun telefonisch gegenüber der Bundesanwaltschaft eine erste vorläufige Einschätzung abgegeben", erinnerte sich Hubig. Darin gehe dieser davon aus, dass jedenfalls bei einem der von Netzpolitik.org publizierten Dokumente ein Staatsgeheimnis vorliege. Daraufhin habe sie gegenüber Range ihr Unverständnis zum Ausdruck gebracht, da man sich auf ein anderes Vorgehen geeinigt habe. Range habe von einem möglichen Missverständnis und fehlender Kommunikation mit der Arbeitsebene gesprochen und bestätigt, seinen Gutachtenauftrag nun endgültig sofort zurückzunehmen.

Kurz darauf warf Range dem Ministerium überraschend ohne interne Vorwarnung öffentlich einen "unerträglichen Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz" vor. Maas versetzte ihn daraufhin in den Ruhestand, da das Vertrauensverhältnis "schwer erschüttert" gewesen sei. Die Ermittlungen gegen die Blogger wurden kurz darauf eingestellt. (axk)