Kommentar zur Ultra HD Blu-ray: Totgesagte Formate leben länger

Dass Sonys PS4 keine Ultra HD Blu-rays abspielt, sagt nichts über die Zukunft des Formats aus. Denn in der Nische der Heimkino-Freaks gedeiht es durchaus, findet Nico Jurran.

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Kommentar zur Ultra HD Blu-ray: Totgesagte Formate leben länger
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Von
  • Nico Jurran
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Ja, es ist blöd, dass Sonys PS4 Pro keine Ultra HD Blu-rays abspielt. Eine breitere Auswahl an Abspielgeräten ist generell für jedes Format eine gute Sache. Nun aber zu behaupten, dass Leben und Tod der 4K-Disc von der PS4-Unterstützung abhängt, ist völlig übertrieben.

Das wäre vielleicht nachvollziehbar, wenn es noch keine bezahlbaren Player gäbe und sich die Discs bislang überhaupt nicht verkaufen würden. Beides ist falsch: Samsungs Player UBD-K8500 ist mittlerweile für 330 statt 500 Euro zu haben, Tendenz weiter fallend. Wer eine Kombi mit Spielgerät will, ist bei der Xbox One S ab 300 Euro dabei.

Auch die Verkaufszahlen der UHD-Blu-rays eignen sich nicht für eine frühe Grabrede, vielmehr legte die 4K-Disc in den USA einen besseren Start hin als die Blu-ray Disc bei ihrer Einführung 2006: Von März bis Ende Juni wurden über 228.000 Exemplare verkauft; zum Verkaufsstart der Blu-ray Disc konnten im vergleichbaren Zeitraum nur 57.000 Blu-ray Discs abgesetzt werden.

Ein Kommentar von Nico Jurran

Nico Jurran schreibt seit 2000 über Technik bei c't und heise online. Er kann sich seit seiner frühen Jugend für Computer und Heimkinotechnik begeistern. Nach dem Jurastudium arbeitete er zunächst als Rechtsanwalt und freier Fachautor. Bei heise online und c't beschäftigt er sich vor allem mit (HD)TV/VoD, Ultra HD Blu-ray, Surround Sound, Smartwatches und Sportuhren.

Natürlich war die Situation 2006 wegen des damaligen Kampfes der Blu-ray gegen die HD DVD eine andere. Allerdings spielten damals auch Streaming-Dienste eine wesentlich kleinere Rolle. Und wie häufig hieß es schon, physische Medien seien allgemein tot und künftig würde alles nur noch gestreamt?

Halte ich die UHD Blu-ray also für einen sicheren Gewinner? Nein. ich glaube, dass die 4K-Discs über lange Zeit ein Produkt für eine überschaubare Zielgruppe bleibt. Die PS4 Pro wäre aber eben nicht das Gerät geworden, sie aus dieser Nische herauszuholen. Denn die "UHD-Blu-ray ist todgeweiht"-Rufer vergessen, für wen die 4K-Discs aktuell wirklich interessant sind.

Ein Blick auf die potenziellen PS4-Pro-Käufer genügt. Da wäre die Fraktion von Usern, die sich gerade einen 4K-Fernseher der Einstiegs- oder Mittelklasse gekauft haben und die mit UHD-Blu-ray diesen nun einmal ausfahren möchten. Für sie wäre die 4K-Disc-Wiedergabe sicher ein (zusätzlicher) Kaufanreiz für die PS4 Pro gewesen. Nur bin ich sicher, dass sich viele Vertreter dieser Gruppe ein oder zwei UHD-Blu-rays gekauft hätten - um dann zu resümieren, dass man keinen Unterschied zur Blu-ray-Fassung sieht.

Und wer Sätze wie „Mir reicht noch DVD“ oder „Ich sehe an meinem 32-Zöller keinen Unterschied zwischen 720p und Full-HD" sagt, rennt erst recht nicht wegen einer neuen Konsole mit UHD-BD-Laufwerk in den nächsten Elektronikmarkt und kauft sich einen 4K-Premium-Fernseher.

Ultra HD Blu-ray ist aktuell aber ein reines Premium-Thema: Es lohnt sich momentan nur in Verbindung mit teuren Fernsehern und -Projektoren, die die Bilder mit erhöhtem Kontrastumfang (High Dynamic Range) und breiterem Farbraum richtig anzeigen können. Irgendwann wird das alles mal Standard bei 4K-TVs und -Beamern werden, aber da sind wir momentan einfach noch nicht. Die 4K-Auflösung alleine bringt es einfach nicht.

Die 4K-Discs sind damit aktuell vor allem für Filmenthusiasten mit Heimkino als Hobby interessant, die bereit sind, richtig Geld in die Hand zu nehmen. Leute, mit denen sich wunderbar diskutieren lässt, wie brauchbar der HDR-taugliche Projektor für 4000 Euro ist, ob der OLED-TV für 7500 Euro etwas taugt und ob man allgemein besser auf das HDR-Konkurrenzformat Dolby Vision warten sollte.

Wenn es ums Optimum geht, dann ist die UHD-Blu-ray aktuell konkurrenzlos: Streamingdienste wie Netflix bieten praktisch nur Serien und eigenproduzierte Filme in 4K. Amazon hat zwar Hollywoodstreifen in 4K im Sortiment, doch die Auswahl ist schlecht und die Kaufpreise (Miete ist meist nicht möglich!) sind unverschämt hoch. In den USA gibt es zwar eine etwas bessere Auswahl - etwa beim VoD-Dienst „Vudu“. Doch auch dort reichen die Bitraten der Streams -- und damit die Bild und Tonqualität - nicht an die der 4K-Scheiben heran.

Auch unter den Enthusiasten - und solchen, die es werden wollen - gibt es einige, die die fehlende Wiedergabemöglichkeit von UHD-Blu-rays auf der PS4 Pro bedauern. Aber parallel dazu finden sich in den einschlägigen Gruppen genug Leute, die sich für die Filmwiedergabe nie eine Konsole ins Heimkino stellen würden. Oder die sogar schon die Stunden zählen, bis Oppo endlich einen UHD-Blu-ray-Player bringt. Oppo kennen Sie nicht? Die Firma macht richtig edle Blu-ray-Abspieler, die dann schon mal 1600 Euro kosten können.

Hollywood hat längst verstanden, wie sich die UHD-Blu-ray vermarkten lässt. Deshalb ist in den USA "Der Marsianer" innerhalb weniger Monate bereits das zweite Mal auf Ultra HD Blu-ray erschienen – erst in der Kinofassung und dann in der 10 Minuten längeren Extended-Version. Und deshalb bieten Fox und Sony Pictures 3D-Sound exklusiv auf UHD-Blu-rays an, obwohl es keinen technischen Grund gibt, warum der nicht auf auf der Blu-ray Disc zur Verfügung gestellt werden sollte. Ich erwische mich ja selbst dabei, dass ich inzwischen wegen des Tons eher zur Ultra HD Blu-ray greife. Sollte ich nicht machen, ist klar.

Sony hat begriffen, dass sich die PS4 Pro so oder so verkauft. Der Konzern glaubt auch sicher nicht, dass er mit dem Nein zur Ultra HD Blu-ray das Disc-Format killt: Auf der IFA zeigte die Audio/Video-Sparte des Unternehmens gerade einen Prototyp seines ersten UHD-Blu-ray-Player, der bis März 2017 auf den Markt kommen soll.

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(nij)