dmexco: Schaulaufen der Online-Werbebranche

Zwischen Werbung in virtuellen Realitäten und Werbung als virtuelle Realität: Köln steht in dieser Woche ganz im Zeichen des digitalen Marketings.

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dmexco: Schaulaufen der Werbebranche
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Von
  • Torsten Kleinz

Die am morgigen Mittwoch in Köln beginnende dmexco ist in diesem Jahr wieder kräftig gewachsen: Mit über 1000 Ausstellern hat die Leitmesse der Online-Werbung inzwischen lange etablierte Veranstaltungen wie die photokina eingeholt -- wenn auch mit noch geringerer Fläche. Neben neuen Themenfeldern wie der Werbung in virtuellen Realitäten stehen in diesem Jahr vor allem der Nutzen des Programmatic Advertising, das "Influencer Marketing" und ein florierender Video-Markt auf dem Programm.

Fast schon traditionell ist der Aufschrei der zahlenden Werbekunden, die sich von der feiernden Werbebranche übervorteilt sehen. In diesem Jahr steuerte der Digitalchef der Marke Müller Milch einen Abgesang auf die Realität der Onlinewerbe-Branche bei. In dem viel beachteten Rant lästert Christian Meyer unter anderem über das "Social-Medial-Bordell" des Influencer Marketings und die hypeanfällige Branche im Allgemeinen, die stets neue Werbeformen verkaufen wolle, aber den Nachweis des Erfolgs schuldig bleibe.

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In einem Interview kritisierte Meyer dass die Werbeindustrie die eigene Interessen über die ihrer Auftraggeber stellte: "Viele Kampagnen dürften dem Kunden gar nicht erst verkauft werden", sagte er dem Fachmagazin W&V. Agenturen nähmen selbst immer häufiger die Rolle des Vermarkters ein, der das eigene Inventar verkaufen wolle, statt den Kunden unabhängig zu beraten. Damit bleibt Meyer noch hinter der Kritik der World Federation of Advertisers (WFA), die Werbe-Großkunden wie Coca-Cola, L’Oreal und McDonald’s vertritt und im Sommer Klickbetrug im Milliardenumfang diagnostiziert hatte.

An neuen Hypes ist im Konferenzprogramm der dmexco kein Mangel: So geht es unter anderem darum, wie man am besten Werbung in die neuen virtuellen Welten einbindet und welche Rolle 360-Grad-Videos oder Drohnen bei künftigen Marketingkampagnen spielen. Etwas handfester sind die Entwicklungen im Videomarkt, der nicht erst seit dem Einstieg von Facebook rapides Wachstum erlebt und dem die dmexco eine eigene Bühne widmet. Hier werden unter anderem Facebook, YouTube und Vice Media ihre Angebote vorstellen. Der TV-Konzern RTL will zeigen, wie die traditionellen Werbespots künftig mit programmatischen Daten aufgeladen werden und wie man das YouTube-gewohnte junge Publikum mit neuen Angeboten ansprechen kann.

Neben der digitalen Leistungsschau bemüht sich die durch die Auseinandersetzungen um Adblocker gebeutelte Branche um einen seriösen Neuanfang: So dreht sich die vor dem offiziellen Start der dmexco stattfindende Online Ad Summit um Wege die Qualität der Werbung zu verbessern – einerseits für die der bezahlenden Kunden, die mehr Kontrolle über das Werbeumfeld wünschen, andererseits für das Publikum, das von ausufernden Werbepraktiken genervt ist. Unter dem Motto "Clean Ads 2.0" geht es darum, Werbung transparenter zu gestalten, und gleichzeitig das Endnutzer vor irreführenden Kampagnen oder gar Malware zu schützen.

Nachdem der Online-Vermarkterkreis im Bundesverband Digitale Wirtschaft inzwischen fallende Adblocker-Quoten von unter 20 Prozent misst, spielt das Thema trotz aktueller Konflikte für die dmexco keine allzu prominente Rolle. So ist lediglich am zweiten Tag eine Debatte zum Thema vorgesehen – freilich ohne Beteiligung von Adblockern oder Verbraucherschützern. Die umstrittene Firma Eyeo, Hersteller des Plug-ins Adblock Plus, wird in den Messehallen wieder mit einem eigenen Stand vertreten sein und dort versuchen, Werbetreibende für das Acceptable Ads-Programm zu gewinnen.

Einen ausführlichen Artikel mit weiteren Hintergrund-Informationen zu den Entwicklungen im Onlinewerbe-Markt finden Sie in der c't-Ausgabe 19/16, die derzeit im Handel ist. (jo)